Diversität beim Fernsehpreis Emmy: Und der Award geht an…
Beim US-Fernsehpreis Emmy ist erstmals eine trans Frau in der Kategorie „Schauspielerin“ nominiert – ein Fortschritt, doch weitere Fragen bleiben.
Es ist eine der schwierigsten Fragen beim Thema Gender: Einerseits ist eine Trennung in zwei Geschlechter problematisch. Viele Menschen passen einfach nicht in eine dieser beiden Kategorien. Auf der anderen Seite: Wenn man Mann und Frau neutralisiert, dann sind auch Ungleichheiten weniger sichtbar. Zweiteilung also abschaffen, oder doch lieber behalten?
Kein reines Theoriedebakel, das zeigt eine Diskussion über den Fernsehpreis „Emmy“. Die US-amerikanische Television Academy hat vergangene Woche die Nominierungen für den renommierten Award bekanntgegeben. Unter anderen ist die Schauspielerin MJ Rodriguez bei den Fernseh-Oscars nominiert. Für ihre Rolle in der FX/Netflix-Serie „Pose“ könnte sie als „best actress in a drama series“ ausgezeichnet werden. Die Serie über New Yorks Ballroom-Kultur in den Achtzigerjahren ist ein riesiger Fortschritt für die Sichtbarkeit von trans Personen. Fast der gesamte Cast besteht aus trans Frauen. Und MJ Rodriguez ist nun die erste trans Schauspielerin, die für den „best actress“-Emmy nominiert ist.
Bis hier ist das eine Showbiz-Erfolgsgeschichte. Aber es gibt auch Stimmen, die finden, dass die Veränderungen in der Filmbranche anders ablaufen sollten. Schauspieler:in Asia Kate Dillon meldete sich nach der Bekanntgabe der Nominierungen beim amerikanischen Hörfunksender National Public Radio (NPR) zu Wort. Dillon wies darauf hin, dass die Emmys eine andere Gruppe von Darsteller:innen marginalisieren. Denn was soll man eigentlich machen, wenn man für einen Emmy nominiert wird, aber weder Schauspielerin noch Schauspieler ist?
Das hatte Dillon, nonbinär, im Jahr 2017 selbst erlebt. Dillon sollte als beste:r Nebendarsteller:in für die Serie „Billions“ nominiert werden. Xier blieb nichts anderes übrig, als sich in eine der beiden Genderkategorien einzuordnen, mit denen xie sich nicht identifiziert. Die Teilung der Preiskategorien in männlich und weiblich, sagte Dillon zu NPR, schließe Menschen anderer Gender aus. „Und sie erhält einen gefährlichen Geschlechterdualismus.“
„Was bedeutet es?“
Dillon setzt sich seit Längerem für eine inklusivere Filmwelt ein. Als die MTV-Awards 2017 ihre Preiskategorie genderneutral gestalteten und die Trennung in Männer und Frauen aufhob, präsentierte Dillon die neue Kategorie als Moderator:in. Andere Preisverleihungen sind seitdem nachgezogen: Diesen März vergab die Berlinale ihre Preise zum ersten Mal an „Leistungen“.
Die Television Academy macht 2021 auch ein Zugeständnis an nichtbinäre Darsteller:innen. Emmy-Gewinner:innen können sich auf ihrem Zertifikat ab jetzt genderneutral „performer“ nennen lassen. Die Gewinnkategorien bleiben aber binär. Mit der Begründung, dass das Geschlecht nie Voraussetzung dafür gewesen sei, sich als Schauspieler oder Schauspielerin um eine Nominierung zu bewerben.
Dillon zu NPR: „Also könnte sich Denzel Washington als Schauspielerin aufstellen lassen und Viola Davis als Schauspieler. Und was bedeutet es dann, dass diese Kategorien existieren?“
Bloß keine Ende-Vierzig-Georges
Das Ausschließen nichtbinärer Menschen spricht sicherlich dafür, Mann-Frau-Preiskategorien abzuschaffen. Es gibt aber auch Gegenargumente: Nämlich, dass eine Kategorie eigens für Frauen weiterhin nötig sei. Sonst könne es passieren, dass sich wieder vor allem Ende-Vierzig-Georges mit Dreitagebärten als Gewinner durchsetzen. Das wäre schlecht für Rodriguez und alle anderen Frauen. Für viele binäre trans Männer und Frauen ist es besonders wichtig, dass ihr wahres Geschlecht anerkannt wird. Eine Würdigung als beste Schauspielerin ist für eine trans Frau genau das. Es entsteht also ein Interessenkonflikt zwischen binären trans Personen und nichtbinären Menschen.
Eine Lösung könnte sein, in einer genderneutralen Kategorie gleich mehrere Darsteller:innen auszuzeichnen und dabei darauf zu achten, dass die Gewinne gleichmäßig unter verschiedenen Geschlechtern verteilt werden. Zunächst aber werden die Emmy-Kategorien wohl binär bleiben. Im September klärt sich, ob Rodriguez als erste trans Frau beste Serienschauspielerin 2021 wird. Verdient hätte sie es.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument