Trans* Pride Berlin am 10. Juli: „Auf die Realität hinweisen“

Am Samstag zieht der Trans* Pride Berlin durch den gentrifizierten Bergmannkiez. Arwen Armbrecht und Sophia Bohlke vom Organisationsteam im Gespräch.

Eine bunte Illustration zum Trans Pride Berlin mit vielen verschienen Menschen samt Plakaten

Mit dieser tollen Illustration macht der Trans* Pride Berlin Werbung Illustration: Noah Grigni

taz: Sie beide sprechen gemeinsam als Orga-Team des Trans* Pride Berlin. Es gibt diesen Sommer ja gleich mehrere CSD-Paraden, der Trend geht scheinbar zur Zersplitterung der queeren Community. Wie sehen Sie das?

Arwen Armbrecht: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Unsere queere Community ist so bunt, dass es gar nicht genug Events im Jahr geben kann, bei denen wir uns gegenseitig unterstützen können. Es ist keine Zersplitterung, sondern vielmehr eine Diversifikation. Wenn es neue Events gibt, dann können wir als Community hinhören und vor allem zuhören, was wir alle zu sagen haben und benötigen. Das gibt uns auch mehr Möglichkeiten für Solidarität und gegenseitige Unterstützung.

Einen Trans* Pride braucht es sicher in diesen Zeiten – aber warum? Es geht um Sichtbarkeit, Akzeptanz und Solidarität aus der Gesellschaft, um mehr Rechte?

sind beide 39, Organisationsteam des Trans* Pride Berlin

Sophia Bohlke: Es geht um viel mehr als das. Es geht um die Stärke, das Selbstwertgefühl und die Präsenz von uns allen. Es geht darum zu zeigen, dass alle Körper verschieden sind und für uns alle die eigene Selbstbestimmung ein Menschenrecht ist. Die kürzlich verabschiedete Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes hat uns nur wieder daran erinnert, dass wir uns genau jetzt besonders sichtbar machen müssen. Nicht nur für unsere Community hier in Berlin, sondern weltweit.

Armbrecht: Wenn wir aber immer wieder Sichtbarkeit zeigen, dann weckt das natürlich immer wieder das Bewusstsein und öffnet somit mehr Raum für uns alle.

Das Motto „Trans-Sein ist schön. Trans-Sein ist vielfältig!“ ist gut gewählt. Was genau ist mit „vielfältig“ gemeint?

Bohlke: Es beschreibt, dass es nicht einfach nur ein „trans*sein“ gibt, sondern dass es ein wunderbares Spektrum ist.

Armbrecht: Die Medien stellen trans*­Men­schen oft so dar, dass diese cis-Menschen entsprechen möchten. Meist immer passable, greifbar, able-bodied (körperlich leistungsfähig, Anm. d. Red.) und weiß. Mit unserem Pride wollen wir dieses falsche Bild zerstören und auf die Realität hinweisen: Menschen in jeder Form und Größe, mit verschiedensten ethnischen Hintergründen und Religionen. Jede trans*­Per­son sollte sich schön fühlen, empowered und wie etwas ganz Besonderes – und das beginnt mit dem Gefühl von Pride.

Ist Berlin für Trans* eigentlich ein Sehsuchtsort, weil es sich hier vermeintlich einfacher leben lässt?

Bohlke: Dieser Mythos von einem offenen Berlin kommt daher, dass diese Stadt toleranter gegenüber trans*­Per­so­nen ist als andere Städte. Was aber auch nicht schwer ist, wenn mensch sich die Situation in anderen Städten anschaut. Abgesehen von kleinen Solidaritäts-Bubbles ist Berlin immer noch sehr problematisch, speziell für BIPoC (Abkürzung von Black, Indigenous, People of Color, Anm. d. Red.). Wir durchlaufen immer noch die gleichen Erniedrigungen, um medizinische Versorgung zu erhalten.

Armbrecht: Es gibt immer noch Vorfälle von Gewalt und Aggressio­nen. Wir werden immer noch auf der Straße beleidigt, in der U-Bahn oder in öffentlichen Toiletten. Selbst innerhalb der queeren Community gibt es leider immer noch Vorfälle von Diskriminierung gegenüber trans*Männern, trans*Frauen, inter und nicht-binären Menschen.

Müsste die Route – die Parade zieht durch den Bergmannkiez zum Südstern – nicht woanders stattfinden als in diesem queer- und trans*-affinen Kiez? In Hellersdorf oder so?

Bohlke: Diese Frage suggeriert, dass in bestimmten Bezirken Berlins alles in bester Ordnung ist, wenn es um queere Identitäten geht. Das ist ein Trugschluss. Schaut mensch beispielsweise in die Statistiken zu Gewaltverbrechen an der queeren Community innerhalb von Berlin, speziell gegen trans*Menschen, so fällt nicht nur auf, dass die Prozentzahl im letzten Jahr um 32 Prozent gestiegen ist. Sondern auch, dass viele davon in besagten „queer-affinen“ Bezirken stattfanden. Und dies sind nur die gemeldeten Straftaten.

Armbrecht: Durch das recht hoch gentrifizierte Kreuzberg zu laufen, mit Reden am Viktoriapark und durch den Bergmannkiez zum Südstern, wird die Menschen hoffentlich daran erinnern, dass wir nicht nur existieren, sondern auch Rechte haben. Rechte, die selbst von Allies zu oft ignoriert werden, weil die Menschen die Probleme der trans Community nicht erkennen oder sehen wollen. Viele der Menschen, die wir mit diesem Event aufmerksam machen werden, haben beispielsweise keine Ahnung vom kürzlich gescheiterten Selbstbestimmungsgesetz.

Wer darf denn alles mitdemonstrieren?

Bohlke: Jeder Mensch ist willkommen, mit uns zu demonstrieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.