Später Erfolg des Volksentscheids

Das Abgeordnetenhaus beschließt den Rückkauf des Stromnetzes von Vattenfall für rund 2 Milliarden Euro

Ein CDU-Abgeordneter war zumindest von der Presse­tribüne nicht zu sehen und auch Koalitionsabgeordnete sichteten ihn nicht vom Rednerpult aus, obwohl er eng mit den beiden großen Themen des Tages verbunden ist: Frank Henkel setzte 2016 als Innensenator die Räumung in der Rigaer Straße 94 in Gang – und ist energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Das neue Solargesetz gibt vor: Wer baut oder sein Dach grundlegend saniert, muss ab Januar 2023 dort eine Photovoltaikanlage aufstellen.

Beschlossen ist die Neufassung des Partizipationsgesetzes: Es zielt darauf, dass in Behörden mehr „Menschen mit Migrationsgeschichte“ arbeiten. Eine im Frühjahr diskutierte 35-Prozent-Quote steht nicht im Gesetz. (sta)

Von Stefan Alberti

Henner Schmidt von der FDP hatte so einiges gegen die Verstaatlichung des Stromnetzes einzuwenden – nicht sinnig, riskant und von Ideologie getrieben. Am offensichtlichsten erscheint ihm aber ein Fehler im Thema der aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses, das die SPD dazu durchgesetzt hatte: „Das Stromnetz wird wieder ein Berliner“. Denn das stimmt für Schmidt nicht: Die Netzgesellschaft, ob privat oder vom Senat betrieben, sei stets ein Berliner Unternehmen gewesen. Das sei wie mit den großen privaten Fußballvereinen: „Auch Hertha und Union sind Berliner, auch wenn sie noch nicht verstaatlicht worden sind.“

Der Donnerstag der Debatte ist der Tag, an dem das Parlament – zumindest seine rot-rot-grüne Mehrheit – den bisherigen Betrieb des Netzes durch den schwedischen Stromgiganten Vattenfall beendet und die Kaufsumme von rund zwei Milliarden Euro freigibt. Es ist weniger der Preis, über den es Streit gibt, sondern der Nutzen der Übernahme. Selbst CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff bestreitet nicht groß die SPD-Aussage, der Kaufpreis sei „extrem gut“.

Was Gräff hingegen abstreitet, ist der von der Koalition inklusive Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) behauptete Nutzen: Als Netzbetreiber könne man Einfluss nehmen und den Klimaschutz voranbringen. Von Vernetzung ist die Rede und einem sozialeren Ansatz: Stromsperren vor Feiertagen soll es nicht mehr geben. Kritiker wie Gräff behaupten, die Einflussmöglichkeiten gebe es nicht, weil alle Abläufe streng reguliert seien.

Aufseiten der Koalition ging der Blick sowohl nach vorn als auch zurück. SPDler Jörg Stroedter hatte schon die nächsten Verstaatlichungen im Sinn: „Das Gas- und Fernwärmenetz hätten wir auch gern zurück.“ Und für Michael Efler von der Linksfraktion gehört zu dieser staatlichen Einkaufstour unter dem auch von Stroedter propagierten Titel „Wir holen uns die Stadt zurück“ die Enteignung von Wohnungsunternehmen.

Zurück schaute Stefan Taschner: Der heutige Grünen-Abgeordnete gehörte mit Efler 2011 zu den Gründern des „Energietischs“, der einen Volksentscheid zum Rückkauf des Stromnetzes auf den Weg brachte. Der scheiterte Ende 2013 zwar knapp, sein Thema aber hielt sich. Taschners Fazit am Donnerstag, gut siebeneinhalb Jahre später: „Manchmal braucht es einen langen Atem und manchmal auch einen Anstoß von außen.“