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Werbung für Sachsen-AnhaltHalt doch mal an!

Ausgeschlafene haben sich lange über das Landesmarketing von Sachsen-Anhalt lustig gemacht. taz-Leser:innen wissen, wie es besser geht.

Ortsnamen als Reklame? Nicht immer eine so gute Idee. Schilder im Weinanbaugebiet Naumburg/Roßbach Foto: imago

Berlin taz | Die Bayern haben es leicht. Das Land braucht keinen Werbeslogan. Selbst wenn der Himmel wolkenverhangen ist und es in Strömen regnet, wird der gedankliche Himmel weiß und blau. Bayern ist Land und Werbe­claim in einem. In Sachsen-Anhalt ist das anders. Dort schrauben sie traditionell mit Reklame am Image ihres Landes. Und wie! Beinahe alle im Land kennen die Kampagne, in der Sachsen-Anhalt von sich selbst gesagt hat: „Wir stehen früher auf.“ Wer die Landgrenze überschritten hat, wurde mit großen Lettern begrüßt. „Willkommen im Land der Frühaufsteher!“, hieß es da.

Diejenigen, die sich für besonders ausgeschlafen halten, mögen gelacht haben darüber, andere haben gestaunt. Aber vergessen hat kaum einer die Frühaufsteherkampagne. 2013 wurde sie dann für beendet erklärt. Fast zehn Jahre lang hatten sich die Menschen an ihr delektiert. Sie war fast ebenso bekannt wie die aus Baden-Württemberg, wo sie von sich behauptet haben, alles zu können, nur nicht Hochdeutsch.

Doch dann war die Kampagne plötzlich nicht mehr lustig. Jens Bullerjahn, seinerzeit Finanzminister für die SPD in Sachsen-Anhalt, warb auf einem Landesparteitag in Quedlinburg dafür, die Kampagne einzustampfen. „Ist es nicht schon traurig genug, dass tagtäglich Tausende Pendler zu früher Stunde auf den Beinen sind, um ihre Arbeitsplätze per Bahn, Bus und Auto zu erreichen? Bedarf es dazu noch einer Millionen Euro teuren Kampagne?“ Aus war’s.

Dann kam Luther und machte im Jubiläumsjahr der Reformation Werbung für Sachsen-Anhalt. Bauhaus-Jubiläum war auch noch. Auch das sollte dem Land zu einem Imagegewinn verhelfen. „Hier macht das Bauhaus Schule“, lautete der Slogan. Dahinter stand: #moderndenken“.

Da geht mehr

Dieses kleine Hashtagmonster ist nun übriggeblieben und der alleinige Claim des Landes. Oh je. Schon der Hashtag allein ist zum Davonlaufen. Nun gut, die Agentur Herburg Weiland aus München wird schon wissen, dass das richtig ist. Unter dem weiß-blauen Werbehimmel ist sicher gut Reklame machen.

Und das Land liefert auf ihrer offiziellen Internetpräsenz die passende Werbelyrik dazu: „Modernes Denken ist ein besonderes Markenzeichen Sachsen-Anhalts!“ Man hatte es sich fast gedacht. Oder: „Die Region bot über Jahrhunderte Freiräume, modern zu denken. Dieser Geist, Neues zu wagen, quer- und vorzudenken, wirkt bis heute fort.“ Querdenken? Konnte man mal sagen. Konnte.

Da geht mehr. Das hat die taz ihren Instagram-Freund:innen zugerufen und gefragt, was ihnen so zu Sachsen-Anhalt einfällt und ob sie nicht eine Idee hätten für einen schönen Claim. Klar, gab es Witzbolde, die sich gemeldet haben. „Sachsen-Nichtanhalt. Einfach durchfahren“, lautet einer der Vorschläge, und vielleicht hat er im Kopf, was ein anderer Scherzkeks geschrieben hat: „Braun war gestern – blau ist morgen.“

Nun ja. Ein Land, das Wahlergebnisse abliefert wie Sachsen-Anhalt, muss wohl mit jeder Menge Spott leben. Noch ein Beispiel? „Das beste ist der R 1 nach Berlin!“ Nun ja.

Aber es gab auch zugewandte Vorschläge und einen ganz besonderen: „Halt doch mal an!“ Gar keine so schlechte Idee. Für die Arbeit an diesem Dossier haben die Re­por­te­r:in­nen genau das getan. Es hat sich gelohnt.

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4 Kommentare

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  • Wenn die Bäume im Harz gerettet werden könnten, wäre das ein guter Schritt. Ansonsten: Weltkulturerbe, schöne alte Städte und fürchterliche Zeugen deutscher Geschichte. Zumindest touristisch interessant.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Marketing für Städte oder Länder, aus Orten werden Standorte - bei ehrlicher Betrachtung ist das doch einfach nur furchtbar.



    Das schmallippige Versagen mit Hashtag erscheint dagegen fast sympathisch.

  • Ist grade mal ein paar Jahrzehnte her, dass „die Bayern“ die Bummelletzten waren. Heute verkaufen sie sich super, weil sie sich damals billig verkauft haben. Es ist also nicht unbedingt zu erwarten, dass den Sachsen-Anhaltern das schwere Schicksal der Bayern auf Dauer erspart bleiben wird. Schon gar nicht, wenn sie erst mal schwarz-blau regiert werden. Denn wie war das noch? Dem ein’ sin Uhl ist dem annern sin Nachtigall.

    Wobei ... sind die Wirtschaftswunderjahre nicht mittlerweile für alle Deutschen irgendwie vorbei? Ich meine: Für alle, die ihre trockenen Semmeln mit eigener Hände Arbeit verdienen müssen? Das mit der System-Konkurrenz hat sich doch mittlerweile erledigt, oder?

    • @mowgli:

      Wirtschaftslagen werde doch nach den Umsätzen (oder Gewinnen?) von Unternehmen erstellt, nicht nach der Lohntüte des Fußvolkes.