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Finanzierung von FrauenhäusernMehr Schutz vor Männergewalt

Schluss mit dem Flickenteppich: Bund, Länder und Kommunen empfehlen erstmals, Frauenhäuser nach einem einheitlichen Rahmen zu fördern.

Rund 7.000 Plätze in Frauenhäusern gibt es, ca. 20.000 bräuchte es Foto: Maja Hitij/dpa

Berlin taz | Bund, Länder und Kommunen sprechen sich zum ersten Mal gemeinsam für einen bundeseinheitlichen Rahmen zur Finanzierung von Frauenhäusern sowie ambulanten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen aus. Damit sollen Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt gewährleistet werden.

Das Positionspapier, das am Mittwoch als Ergebnis des Runden Tischs von Bund, Ländern und Kommunen zum Thema „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ vorgestellt wurde, soll die Grundlage für einen Gesetzentwurf in der nächsten Legislatur bilden.

„Schutz und Unterstützung in Frauenhäusern muss in allen Regionen Deutschlands gleichermaßen gesichert sein“, sagte Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD), die das Amt nach dem Rücktritt von Franziska Giffey Mitte Mai übernommen hatte.

Nur durch koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen könnten die Hilfestrukturen vor Ort langfristig gestärkt werden. Die Vorarbeiten für die bundesgesetzliche Regelung würden nun „intensiv voran“ getrieben.

Unabhängig von der Herkunft

In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren etwa jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner umgebracht. Einmal pro Stunde wird eine Frau in ihrer Beziehung körperlich schwer verletzt. Mehr als 80 Prozent der Gewaltbetroffenen hierzulande sind Frauen, bei Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt sind die Opfer sogar zu 98 Prozent weiblich.

Rund 7.000 Plätze in Frauenhäusern gibt es, rund 20.000 bräuchte es, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bestätigt. Dass die Länder jeweils eigene Strukturen und Finanzierungssysteme haben, erschwert die Arbeit der Häuser oft deutlich. Um den Ausbau und die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und dem ambulanten Hilfesystem voranzubringen, wurde 2018 der Runde Tisch eingerichtet, in dem alle staatlichen Ebenen zusammen kamen.

Im Positionspapier wird nun das Ziel benannt, den Schutz gewaltbetroffener Personen zu gewährleisten, unabhängig davon, aus welchem Bundesland sie kommen. Der Zugang soll für jede Person gelten, die von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffen ist, es soll also einen Rechtsanspruch geben.

Hindernisse etwa für Asyl­be­wer­be­r:in­nen sollen beseitigt werden, die Infrastruktur soll auch für Personen mit Behinderung ausgebaut werden. Zwar sind die Empfehlungen des Runden Tischs rechtlich nicht bindend, aber eine „hochrangige politische Absichtserklärung“, wie eine Sprecherin des BMFSFJ sagte.

Bekenntnis zur Istanbulkonvention

Noch bis 2024 stellt der Bund 30 Millionen Euro pro Jahr für den Aus-, Um- und Neubau sowie die Sanierung von Frauenhäusern zur Verfügung. Bis 2022 gibt er zusätzlich fünf Millionen Euro pro Jahr, um neue Konzepte zum Schutz von Frauen im Sinne der Istanbulkonvention zu erproben, dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, Katja Dörner (Grüne), sagte, sei es gut, „eine Finanzierung der Frauenhausplätze zu schaffen, die unabhängig von befristeten Förderprogrammen ist.“

Die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, Katja Grieger, sagte der taz, sie freue sich über das Bekenntnis von Bund, Ländern und Kommunen schon in der Präambel des Positionspapiers zu den Standards der Istanbulkonvention: „Das ist von großem Wert.“

In den kommenden Jahren sei es Aufgabe aller Beteiligten, zu definieren, was genau eine Versorgung nach den Standards der Konvention für Deutschland bedeute. „Diese Arbeit fängt gerade erst an.“

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6 Kommentare

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  • Es ist nicht genug damit getan, statistisch festzuhalten wie oft eine Frau in der Partnerschaft ihr Leben verliert. Man sollte genauer hinschauen um vorbeugen oder wenigstens helfen zu können. Auf der europäischen Webseite für Integration ist im Dezember 2020 folgendes zu lesen: "zunehmend weisen die in Frauenhäusern untergekommenen Frauen eine Migrationsgeschichte auf: Zwei Drittel (66 Prozent) der Bewohnerinnen sind nicht in Deutschland geboren." Man sollte also besonders auf diese Frauen zugehen und ihnen die Telefonnummer und andere Informationen in ihrer Heimatsprache zugänglich machen.



    Quelle für das Zitat



    ec.europa.eu/migra...%20Kinder%20lebten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich bin sehr dafür, die Anzahl der Frauenhäuser stark zu erweitern.



    Es wird so viel Geld für unsinnige Projekte verplempert. Hier endlich mal etwas Sinnvolles.

  • Bei Gewalt gegen Frauen kommt oft die reflexhafte Forderung nach mehr Frauenhäusern. Gut und schön und wichtig.

    Was mich daran stört, ist, dass Männergewalt wie ein unabänderliches Naturereignis behandelt wird. Man kann also nur Frauen dieser Männergewalt entziehen - that's it.

    Warum wird nicht darüber nachgedacht, Männeraggressionen gesamtgesellschaftlich zu besprechen, ihre Gründe, mögliche Wege, früher einzuschreiten, als bis eine Frau ins Frauenhaus geht?

    Mir scheint das nach wie vor ein Tabuthema zu sein, nach dem Motto: so "sind" Männer halt - Testosteron - etc.

    Man kapituliert so vor weltweiter Männergewalt.

    Es sollten weitere mögliche Maßnahmen überlegt werden, satt immer nur weiter Frauenhäuser zu fordern!

    Männergewalt fängt an mit Körpersprache: in der U-Bahn, in den Gängen in Schulen, wo sich die Jungs aufplustern und Mädchen an ihnen vorbeischleichen, bei dem Typ, der mir seine Meinung zu weiß der Geier was sagt, obwohl ich ihn überhaupt nicht kennen.

    Männergewalt fängt an bei dem Raum, den sich Männer tagtäglich nehmen. Die Maske am Kinn hängen zu haben, weil sie gerade keinen Bock haben auf Rücksichtnahme.

  • "Die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, Katja Grieger, sagte der taz, sie freue sich über das Bekenntnis von Bund, Ländern und Kommunen schon in der Präambel des Positionspapiers zu den Standards der Istanbulkonvention: „Das ist von großem Wert.“



    In den kommenden Jahren sei es Aufgabe aller Beteiligten, zu definieren, was genau eine Versorgung nach den Standards der Konvention für Deutschland bedeute. „Diese Arbeit fängt gerade erst an.“

    Wir sind kein Zentralstaat!

    Erst zum Schluss des Artikels finden sch Informationen über Verantwortliche



    Ich würde mich darüber freuen, wenn die taz bei allen Beteiligten nachhaken würde.



    Also nicht immer nur "janz oben" beim Bund, sondern auch bei den Verantwortlichen in den Ländern und Kommunen.

    Was also läuft schief in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Bremen ....

  • Das bleibt alles hinter dem zurück, was mit dem Gewaltschutzgesetz erreicht werden soll: dass die Täter die Wohnung verlassen und nicht die Opfer. Die Frau zieht dann, ggf. mit den Kindern, in die beengten Verhältnisse eines Frauenhauses, während der Täter mit einer schicken großen Familienwohnung belohnt wird. Zudem haben viele Frauen in der derzeitigen Wohnungsnot Frauen kaum Chancen, in absehbarer Zeit eine eigene Wohnung zu mieten. Das ist eine gesellschaftlich organisierte Demütigung von Frauen (und Kindern), die sie zusätzlich zu der zuvor erfahrenen Gewalt ertragen müssen.



    Das Ziel muss dagegen sein, dass jede Person, die das möchte, eine für sie unerträgliche Beziehung verlassen kann, weil genügend Wohnraum zur Verfügung steht. Das aber würde ein wesentlich größeres Angebot an Wohnungen voraussetzen und ist mit einem kapitalistischen Wohnungsmarkt, der bekanntlich auf Knappheit angewiesen ist bzw. diese produziert, nicht zu vereinbaren.

  • Ein sehr schöner Bericht. Daraus geht hervor, daß ungefähr 20 % der betroffenen Gewaltopfer Männer sind. Dies wird auch von anderen Studien bestätigt. Gleichzeitig gibt es nur eine Hand voll Männerhäuser. Hier besteht akuter Bedarf an zusätzlichen Plätzen....