piwik no script img

Fusion von Vonovia und Deutsche WohnenHochzeit der Miethaie

Vonovia kauft ein, verspricht Mieten in Berlin zu begrenzen und Wohnungen an die Stadt zu verkaufen. Die SPD freut's, Mietervertreter finden das naiv.

Public Private Partnership: Stimmung! Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | „Wir deckeln, wir verkaufen, wir bauen.“ Es waren ungewöhnliche Worte, mit denen Vonovia-Boss Ralf Buch auf einer Pressekonferenz am Montagvormittag im Roten Rathaus in Berlin die geplante Übernahme der Deutsche Wohnen anpries. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass das Bochumer Unternehmen – mit einem Bestand von 400.000 Wohnungen das größte der Branche – die 150.000 Wohnungen seines nachfolgenden Konkurrenten schlucken will – eine entsprechende Grundsatzvereinbarung ist bereits unterzeichnet.

Buchs Botschaft aber richtete sich weder an die Ak­tio­nä­r*in­nen, noch hob sie die ökonomische Bedeutung des 18-Milliarden-Euro-Deals hervor, sein Auftritt galt allein als Signal an Berlin und seine geplagte Mieter*innenschaft: Mit dem Geschäft einher gehe ein „Neuanfang“, der „Angst von den Menschen nehmen“ solle, so Buch.

„Bauen, kaufen, deckeln“ ist der Slogan, den Berlins Sozialdemokraten in der im September zu Ende gehenden Legislaturperiode für ihre Mietenpolitik ausgegeben hatten – im Einklang mit den Koalitionspartnern Linke und Grüne. Ein ­Neubauprogramm für 20.000 Wohnungen jährlich – 2020 erstmals fast erreicht –, der stete Ankauf privater Bestände zugunsten von Berlins landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die – durch das Urteil über den Mietendeckel gescheiterte – Begrenzung der Mieten sollten das Mietenproblem der Stadt lösen. Nun also mühte sich Buch dieses sozialdemokratische Programm für sich in Anspruch zu nehmen und machte drei Versprechen.

Das wichtigste: Die Bestandsmieten sollen in den kommenden drei Jahren nur um 1 Prozent jährlich steigen, 2024/25 höchstens um die Höhe die Inflation. Gesetzlich erlaubt sind 15 Prozent innerhalb von drei Jahren – bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Die ist laut dem jüngsten Mietspiegel zuletzt aber auch nur um 1,1 Prozent gestiegen. Buch sprach von einem privatwirtschaftlich organisierten Mietendeckel und sprach etwas aus, das aus der Branche bislang eher nicht zu hören war: Mieten, die schneller steigen als die Einkommen, würden „die Menschen überfordern“ und seien „kein nachhaltiges Geschäftsmodell“.

Was er verschwieg: Mit genau jenem Geschäftsmodell haben Vonovia und Deutsche Wohnen im vergangenen Jahrzehnt das Maximum aus Berlins Wohnungsmarkt gepresst. Bei Wiedervermietungen haben beide die Preise zudem in unbezahlbare Höhen getrieben. Hierbei wollen sie sich auch künftig nicht einschränken.

Verkauf an die Stadt

Die zweite Ankündigung: Der neue Großkonzern wolle nun, anders als Vonovia und Deutsche Wohnen bislang, in wesentlichen Größenordnungen bauen. 13.000 neue Wohnungen sind versprochen – ohne Nennung eines konkreten Zeitplans. Das freute den Regierenden Müller, dessen SPD sich, vor allem unter Spitzenkandidatin Franziska Giffey, zuletzt immer mehr auf die Forderungen „Bauen, bauen, bauen“ verengt hatte. Müller: „Um unsere Wohnungsbauzahlen zu erreichen brauchen wir auch privates Engagement.“

Eine „herausragende Bedeutung“ gar erkannte Müller bei der dritten Ankündigung. Im Zuge der Übernahme sollen 20.000 Wohnungen an städtische Wohnungskonzerne verkauft werden. Diese kämen damit ihrem anvisierten Ziel eines Bestands von 400.000 Wohnungen nahe. Finanzsenator Kollatz sprach von einem Kaufvolumen, das über jenen 2,1 Milliarden Euro für die kürzlich beschlossene Rekommunalisierung des ­Stromnetzes liege. Gekauft werden sollen dabei besonders ­Sozialsiedlungen außerhalb des Innenstadtrings – Bestände also, die für die Konzerne nicht zu den lukrativsten gehören.

Vonovias Übernahmeersuchen steht aller Voraussicht nach nichts im Wege. Anders als vor sechs Jahren handelt es sich nicht um einen feindlichen Übernahmeversuch, sondern um einen gemeinsamen Plan, den auch die Deutsche Wohnen seinen Ak­tio­nä­r*in­nen empfehlen wird. Dass dieser weit fortgeschritten ist, machte Kollatz deutlich, der als Zeitrahmen für den Ankauf der 20.000 Wohnungen die nächsten zwei bis drei Monate nannte. Müller lobte das „Sozialpaket“ als Ergebnis gemeinsamer Gespräche, etwa eines runden Tischs nach dem Scheitern des Mietendeckels und dem Ausloten, wo „gemeinsame Interessen liegen“.

Die Vergesellschaftung verhindern

Ein solches ist dabei ganz sicher das Ausbremsen des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen, das mit einem Volksentscheid die Vergesellschaftung der privaten Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt erreichen will. Erst vor dem Hintergrund des durch die Kampagne erzeugten Drucks auf die Konzerne ist der Deal samt den gemachten Zusagen erklärlich. Am Ziel der Initiative ändert die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen nichts.

Aber laut dem Volksentscheidgegner Müller seien nun „viele Sorgen, die sich ausgedrückt haben im Volksbegehren, aufgenommen worden und können auch entkräftet werden“. Sicher ist: Angesichts des Narrativs der nun endlich einsichtigen, kooperativen Konzerne wird es für die Initiative nicht einfacher, die Mehrheit der Ber­li­ne­r*in­nen zu überzeugen, warum der weder einfache noch günstige Weg der Vergesellschaftung gegangen werden sollte.

Demo für „Deutsche Wohnen“ enteignen Foto: dpa

In einer Mitteilung schrieb sich die Initiative die angekündigte Zurückhaltung ihrer Gegner als Erfolg auf ihre Fahnen: „Der Druck unserer Kampagne wirkt.“ Gleichzeitig bezeichnete Sprecher Rouzbeh Taheri den Deal als „Mogelpackung“: Weder sei es attraktiv für das Land, „Wohnungen zu hochspekulierten Marktpreisen zu kaufen“, noch ändere das „kurzfristige Begrenzen von Mietpreisen“ etwas daran, „dass die Mieten mittel- und langfristig weiter gesteigert werden sollen“.

Der Berliner Mieterverein nannte den Pakt „mehr Blendwerk als Mieterschutz“ und warnte vor der entstehenden „Marktmarkt“. Man sei überrascht, „mit welcher Naivität der Regierende Bürgermeister Müller und Finanzsenator Kollatz den Immobiliendeal begrüßen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • "Buch sprach von einem privatwirtschaftlich organisierten Mietendeckel und sprach etwas aus, das aus der Branche bislang eher nicht zu hören war: Mieten, die schneller steigen als die Einkommen, würden „die Menschen überfordern“ und seien „kein nachhaltiges Geschäftsmodell“."

    "Privatwirtschaftlich organisierten Mietendeckel". Soziale Selbsverantwortung der Immobilenriesen. Glaubt ihr daran? Ist das denn so etwas wie ein Ehrenkodex?

  • Genau Das!!!



    Elefanten-Hochzeit der Miethaie



    und



    die Spendenkasse+Vorstandsposten für



    CDU CSU FDP vermehren sich wundersam!!!

  • "Gekauft werden sollen dabei besonders ­Sozialsiedlungen außerhalb des Innenstadtrings – Bestände also, die für die Konzerne nicht zu den lukrativsten gehören."

    Mir schwanen Wohnungen mit langjährigem Instandhaltungsrückstand, ausstehenden Asbestsanierungen usw., die dann von Steuergeldern erst mal in einen bewohnbaren Zustand versetzt werden müssen.

    Erinnert mich irgendwie an die Vertragsgeheimniskrämerei vom Berliner Wassertisch... Bleibt auf Transparenz zu hoffen und dass das Kleingedruckte zu solch einem Vertrag geprüft und abgewogen wird.

  • Die Regierung und die Konzernsprecher machen eine gemeinsame PK. Dreist.



    Wo bleiben die Entschädigungen für die ausgefallenen Heizungen bei hunderten Mieter:innen bei der Kältewelle im Februar?

  • HOCHzeit der Miethaie.



    Darann dürfte sich nicht viel geändert haben.



    Neue Verpackung.



    „Neuanfang“, der „Angst von den Menschen nehmen“ solle, so Buch.

    ....Weder sei es attraktiv für das Land, „Wohnungen zu hochspekulierten Marktpreisen zu kaufen“, noch ändere das „kurzfristige Begrenzen von Mietpreisen“ etwas daran, „dass die Mieten mittel- und langfristig weiter gesteigert werden sollen“...

    Wenn dann noch Franziska Potjomkina Giffey und Michael Müller enthusiastisch dem o.g. zu stimmen ist Nachdenken in verzug.

  • taz: "Vonovia kauft ein, verspricht Mieten in Berlin zu begrenzen und Wohnungen an die Stadt zu verkaufen. Die SPD freut's, Mietervertreter finden das naiv."

    Was man von Vonovia zu halten hat, das hat die 'heute show' ja schon 2019 klar gemacht. Die SPD ist wohl noch naiver, als viele Bürger ohnehin schon annehmen. "Man sei überrascht, mit welcher Naivität der Regierende Bürgermeister Müller und Finanzsenator Kollatz den Immobiliendeal begrüßen" (Berliner Mieterverein) - oder ist das am Ende vielleicht gar keine Naivität, sondern mal wieder typische "neoliberale SPD-Politik"?

    **HEUTE SHOW: Die Vonovia-Methode** www.youtube.com/watch?v=jb7wLdH3c1U