Fusion Deutsche Wohnen und Vonovia: Resterampe für Berlin
Die Deutsche Wohnen wirbt bei ihren Aktionär*innen für das Übernahmeangebot. Der Jubel der SPD über den Ankauf von 20.000 Wohnungen stößt auf Kritik.
Berlin taz | Die Deutsche Wohnen hat am Dienstag bei ihrer Aktionärshauptversammlung für die Übernahme durch die Vonovia geworben und die Aktionär*innen aufgerufen, die Offerte anzunehmen. Konzernchef Michael Zahn nannte zudem Details zu dem mit der Fusion angekündigten Verkauf von 20.000 Wohnungen an landeseigene Berliner Wohnungsbaugesellschaften. Weniger als 12.000 dieser Wohnungen kämen aus dem Portfolio seines Konzerns – die anderen aus den Beständen von Vonovia. „Wir verkaufen ausschließlich aus dem sogenannten nichtstrategischen Portfolio“, sagte Zahn. Dieses beinhalte Wohneinheiten, die die Deutsche Wohnen langfristig ohnehin nicht bewirtschaften wolle.
Über den Preis gibt es noch keine Klarheit; Kollatz hatte angedeutet, dass dieser über den 2,1 Milliarden Euro, die für den Rückkauf des Stromnetzes fällig werden, liegen wird. Die Stadtentwicklungsexpertin der Grünen, Katrin Schmidberger, forderte im Gespräch mit der taz hingegen eine „ordentliche Prüfung“ und ein „transparentes Verfahren, wie man zu welchen Häusern und Werten kommt“. Sie sagte: „Wir können uns nicht nur die Resterampe geben lassen, wo sie in den letzten 10, 20 Jahre die Instandsetzung haben liegen lassen.“ Stattdessen sollten sozialräumliche Kriterien, etwa der Verdrängungsdruck, entscheidend für die Frage sein, welche Bestände übernommen werden.
Überhaupt ist der Unmut bei Linken und Grünen über die SPD groß, die den anvisierten Ankauf im Alleingang verkündet und als riesigen Erfolg verbucht hatte. In einem Schreiben von Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz, das sich ausschließlich an die Gremien der Partei richtete, war der Kauf als „Herzstück der Vereinbarung“ – den mit der Fusion einhergehenden Versprechen von Mietenbegrenzung und Neubau – bezeichnet worden. Linken-Landeschefin Katina Schubert hatte im Neuen Deutschland kritisiert: „Wenn das Land Berlin ankauft, ist das nicht die Angelegenheit einer Partei.“
Zurück in die Hände der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen insbesondere Sozialbausiedlungen der 1970er Jahre geholt werden, wie etwa am Kottbusser Tor. Vor allem aber sind es Wohngebiete außerhalb des Rings, wie die High-Deck-Siedlung in Neukölln, die Thermometersiedlung und der Ernst-Lemmer-Ring in Steglitz-Zehlendorf und das Falkenhagener Feld in Spandau – genau jene Bezirke, in denen die drei Großen der SPD, Franziska Giffey, Matthias Kollatz und Raed Saleh kandidieren und die der SPD gleichwohl als Wählerreservoir dienen. Saleh ließ es sich auch nicht nehmen, die frohe Botschaft für sein Viertel im Tagesspiegel zu bejubeln.
Wahlkampf der SPD
Den Verdacht eines – womöglich teuren – Wahlkampfmanövers auf Kosten der Wohnungsbaugesellschaften, die sich dafür weiter verschulden müssen, nähren auch noch andere Punkte. Die Koalitionspartner Linke und Grüne wurden von der SPD-Spitze erst kurz vor der Verkündungs-Pressekonferenz mit den Chefs der Konzerne am vergangenen Dienstag überhaupt informiert. Auf dieser nannte Kollatz einen Zwei-Monats-Zeitraum, in dem der Deal abgewickelt werden soll – also noch vor der Wahl und der voraussichtlichen Abstimmung über die Enteignung von privaten Wohnungsbaukonzernen, die die SPD gern scheitern sehen will.
Schmidberger kündigte an, sich noch diese Woche mit den Spitzen der Partei zu beraten und danach einen umfangreichen Fragenkatalog an die SPD zu schicken. „Wir unterschreiben keinen Blankocheck“, sagte sie. Bei jedem Grundstückkauf von mehr als drei Millionen Euro müsse das Parlament beteiligt werden, so Schmidberger, dies, oder ein entsprechendes Gremium der Koalition, brauche es auch hier. Ihre Devise: „Wir wollen, dass es verantwortungsvoller Ankauf wird.“
Für Vonovia soll der Verkauf der Wohnungen einen Teil der Gesamtkosten der Fusion von 18 Milliarden Euro decken. Zusätzlich plant der Konzern das Emittieren neuer Aktien und die Herausgabe von Anleihen. Das Angebot für die 150.000 Wohnungen der Deutsche Wohnen, bei dem pro Aktie 53 Euro geboten werden, bezeichnete Michael Zahn als fair. Es liege deutlich über dem Aktienkurs der vergangenen drei Monate, sagte er am Dienstag.
Durch den Zusammenschluss entstünde „Europas größter Wohnimmobilienkonzern“, der notwendige Investitionen besser schultern könne. „Wir müssen Antworten finden im Hinblick auf die fortlaufende Regulierung, die wir auch in Zukunft erwarten dürfen“, sagte Zahn. Mit der Einverleibung des Deutsche Wohnen-Bestandes käme Vonovia auf 550.000 Wohnungen.
Leser*innenkommentare
17900 (Profil gelöscht)
Gast
Pack in Nadelstreifen!
17900 (Profil gelöscht)
Gast
@17900 (Profil gelöscht) Damit meinte ich nicht die Politiker sondern die Vonovia-DW-Typen.
eicke81
Verstehe die GrünInnen nicht. Sonst schreien sie doch bei jedem Verkauf "VORKAUF " - egal zu welchem Preis. Jetzt kann gekauft werden und es ist auch nicht recht.
Man erinnere sich nur an "diese eG" und den "Grünen", oft mit Megaphon herumbrüllenden Schmidt, der Baustadtradt in Xhain ist...
Konrad Ohneland
@eicke81 Das ist auch was anderes. Das Vorkaufsrecht der Bezirke ist im Berliner Mietrecht verankert, schützt Berliner Mieter ein wenig vor Spekulation und ist die ultima ratio gegen spekulative Verdrängung.
Das hier ist ein billiger Deal, wo beide Seiten (SPD und Immokonzerne) meinen, mit einem Taschenspielertrick gut weg zu kommen. Kostenpunkt übrigens weit höher für die mit dem Einkauf beauftragten Wohnungsbaugesellschaften als das Modell der "Deutsche Wohnen enteignen", die nicht den Landeshaushalt belasten, sondern langfristige Kredite aufnehmen wollen. Informieren Sie sich doch einfach mal.