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Der Senat kauft das Stromnetz zurückInfrastruktur in öffentliche Hand

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Der Senat hat beschlossen, das Stromnetz vom schwedischen Konzern Vattenfall zurückzukaufen und zu rekommunalisieren. Warum das richtig ist.

Bärenskulptur am Hauptsitz der Stromnetz Berlin GmbH: Berlin holt sich das Stromnetz zurück Foto: dpa/Christoph Soeder

V or acht Jahren sprachen sich in einem Volksentscheid 83 Prozent für die Rücküberführung des Stromnetzes in kommunalen Besitz aus – der Erfolg scheiterte lediglich knapp an der zu geringen Wahlbeteiligung. Dass der Senat diese Woche beschlossen hat, das Stromnetz vom schwedischen Konzern Vattenfall zurückzukaufen und damit zu rekommunalisieren, darf also durchaus als Vollzug des Mehrheitswillens der interessierten Stadtöffentlichkeit verstanden werden.

Zweifelsohne ist die Entscheidung richtig, denn die Infrastruktur einer Stadt – in diesem Fall Leitungen, Umspannwerke, Netzknoten und -stationen – hat nichts in den Händen privater Konzerne und ihrem Profitstreben verloren. Das sahen Mitte der 1990er Jahre noch weniger Menschen so: Damals verkaufte Berlin seine Mehrheit an dem städtischen Elektrizitätsversorger Bewag an ein Industriekonsortium, das nach mehreren Weiterverkäufen im Vattenfall-Konzern aufging. Repariert wird also ein Fehler der Vergangenheit.

Ein Schlusspunkt wird damit auch dem jahrelangen Streit um die Vergabe der notwendigen Konzession gesetzt, die Bedingung dafür ist, das Stromnetz zu betreiben. Schon 2014 lief die Konzession für Vattenfall aus. Gegen das Vergabeverfahren hatte sich der Konzern juristisch gewehrt und damit den Mitbewerber, den Landesbetrieb Berlin Energie, ausgebremst. Jetzt kommt dieser zum Zug. Vattenfall bekommt dafür 2,14 Milliarden Euro.

Die Summe soll den Landeshaushalt nicht belasten, sondern über Kredite finanziert werden, die dann aus dem Gewinn des Netzbetriebes – etwa 100 Millionen Euro pro Jahr – zurückgezahlt werden. Nach demselben Modell will übrigens auch das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen die Entschädigungen für die Wohnungsunternehmen bezahlen. Dass der Senat beim Stromnetz zeigt, dass das geht, dürfte der Initiative Auftrieb geben.

Repariert wird damit also ein Fehler der Vergangenheit

Eine umstrittene Frage bleibt: Wird auch die Genossenschaft Bürger Energie Berlin zukünftig am Betrieb des Stromnetzes beteiligt? Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag hatte sich auf die genossenschaftliche Beteiligung festgelegt. Und das Ziel ist weiter richtig: Es geht nicht mehr nur um die Dualität Staat oder Markt; eine demokratische Gesellschaft heutzutage muss bei öffentlichen Unternehmen Bür­ge­r*in­nen und damit auch Kun­d*in­nen einbinden.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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1 Kommentar

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  • Evtl. kann mir jemand erklären, warum man die genannte oder auch andere Genossenschaften überhaupt beteiligen sollte? Da wird mit viel Geld die Infrastruktur rekommunalisiert, nur damit dann Anteile direkt wieder privatisiert werden sollen? Denn nichts anderes ist der geforderte Einstieg der Genossenschaft, bei der man Anteile zeichnen muss und die wiederum einen Teil des Gewinns an die Mitglieder ausschüttet.