Modellbauteile in Militärdrohnen: Spielzeug mit Konfliktpotenzial
Teile für Modellflugzeuge, die eigentlich für Hobbyflieger gedacht sind, werden in Militärdrohnen verbaut. Ihren Export kontrolliert der Staat nicht.
Auf ihrer Internetseite präsentieren die Rebellen noch am selben Abend zwei Fotos des Geräts. Es hat einen schmalen Rumpf, zwei Meter breite Flügel und ein Kameraauge an der Spitze. Und als Propeller, für Experten an der Aufschrift zu erkennen: eine Luftschraube von der Schwäbischen Alb – hergestellt von einer Firma, die mit Rüstungsexporten eigentlich nichts zu tun haben will.
Das Foto weist auf eines der Probleme hin, das durch den rasanten Aufstieg der unbemannten Luftfahrzeuge in den letzten Jahren entstanden ist. Drohnen haben neue Möglichkeiten der Kriegsführung eröffnet, aus kaum einem bewaffneten Konflikt sind sie noch wegzudenken.
Das wirft ethische, politische und rechtliche Fragen auf. Auch für die Kontrolle von Rüstungsexporten: Da Drohnen oft besonders klein und leicht konstruiert sind, eignen sich Komponenten von Modellbauherstellern als Bauteile. Müssen deren Exporte in Zukunft streng reguliert werden? Und können die Unternehmen selbst überhaupt verhindern, dass ihre Produkte in Militärgüter eingebaut werden?
Verlängerte Flugzeit dank Modellbaupropeller
Die Drohne auf den Fotos aus Myanmar ist vom Typ Skylark 1, hergestellt vom israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems. Der Hersteller wirbt unter anderem mit der großen Reichweite der Drohne, der möglichen Flughöhe und der geringen Lautstärke, die unauffällige Überwachungsflüge erlaubt.
Dazu tragen offenbar auch die Propeller bei, mit denen die Geräte verschiedenen Foto- und Videoaufnahmen zufolge serienmäßig bestückt sind. Es handelt sich um Luftschrauben vom Typ „CAM-Carb“, hergestellt vom Reutlinger Modellbauunternehmen aero-naut. Die Karbonpropeller sind besonders effizient konstruiert, haben laut Hersteller einen „optimalen Wirkungsgrad bei geringer Leistungsaufnahme des Elektromotors“. Sprich: Sowohl bei Modellflugzeugen als auch bei militärischen Drohnen können sie die Flugzeit verlängern.
Dass die Luftschrauben in den Skylark-Drohnen verbaut sind, haben Rechercheure der Umwelt- und Friedensorganisation Greenpeace bei Netzrecherchen herausgefunden. Fotos davon haben sie aus verschiedenen Kriegen und Konflikten entdeckt. Die israelische Armee benutzte sie unter anderem in den vergangenen Jahren im Gazastreifen, auch europäische Nato-Staaten setzen sie ein. Der IS konnte 2015 bei Mossul eines der Geräte erbeuten.
Verkauft wird oder wurde die Skylark 1 aber eben auch in Staaten wie Myanmar, dessen Armee Anfang des Jahres gegen die demokratisch gewählte Regierung geputscht hat und massiv gegen die Bevölkerung vorgeht. Ein Waffenembargo gegen Myanmar bestand wegen erheblicher Menschenrechtsverletzungen schon zuvor.
Wie kam die Rüstungsfirma an die Teile?
Dem schwäbischen Hersteller der Miniaturpropeller ist es nach eigenen Angaben nicht recht, dass seine Bauteile dort und anderswo in Drohnen verbaut zum Einsatz kommen. „Ich möchte mit Rüstungsfirmen nichts zu tun haben, das ist nicht mein Geschäft. Unsere Produkte sollen Freude machen, wir produzieren für den Privatkunden und sein Hobby“, sagt Thorsten Rechthaler. Er ist Geschäftsführer der aero-naut Modellbau GmbH, deren Internetseite tatsächlich keine Rückschlüsse auf die Rüstungsindustrie zulässt.
Ein Modell der französischen Rafale-Kampfjets ist noch das martialischste Produkt im Sortiment der Firma. Für Kriegseinsätze ist das Spielzeug aber natürlich nicht geeignet. Aero-naut stellt eigentlich Freizeitprodukte her.
Rechthaler gibt an, er selbst habe erst durch einen Anruf von Greenpeace erfahren, dass Elbit Systems seine Luftschrauben in Drohnen einbaut. Wie der Rüstungskonzern an seine Propeller gekommen ist, wisse er nicht – direkt habe er sie den Israelis zumindest nicht verkauft. Er vermutet, dass die Waffenschmiede die Ware über Zwischenhändler bezogen hat. Auf eine Mail an das Unternehmen mit Bitte um Aufklärung habe er keine Antwort erhalten. Auch auf Fragen der taz reagiert Elbit Systems nicht.
Weitere Anfragen stellte Rechthaler an das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle. Von der Behörde, die für die Kontrolle von Rüstungsexporten zuständig ist, ließ er sich bescheinigen, dass er für den Versand seiner Propeller an Kunden außerhalb der EU keine spezielle Genehmigung beantragen musste.
Viele Schlupflöcher in der Exportkontrolle
Komplett abwegig wäre das nicht: Produkte, die für zivile Zwecke gedacht, aber auch militärisch verwendbar sind, können grundsätzlich der Rüstungskontrolle unterliegen. In der EU-Liste der sogenannten Dual-Use-Güter, die Details dazu regelt, sind Modellbauteile wie die Propeller aber nicht aufgeführt.
Dabei sind die Luftschrauben aus Reutlingen bei Weitem nicht die einzigen Modellbaukomponenten, die in Militärdrohnen zum Einsatz kommen. Die ARD berichtete im vergangenen Jahr von Motoren eines hessischen Herstellers, mit denen Kampfdrohnen der Huthi-Rebellen im Jemenkrieg angetrieben werden. Die Schweizer Wochenzeitung WOZ berichtete über Motoren einer Firma aus dem Kanton Tessin, die in Harop-Drohnen aus israelischer Produktion verbaut sind und von der aserbaidschanischen Armee im Krieg um Bergkarabach eingesetzt wurden.
Der Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz sieht angesichts dieser Beispiele Reformbedarf. „Die Propeller für die Skylark-Drohnen zeigen aufs Neue, dass das deutsche Rüstungsexportkontrollsystem offensichtlich aus einer Addition von Schlupflöchern besteht“, sagt er. „Dass wesentliche Bestandteile für militärische Drohnen keine Ausfuhrgenehmigung brauchen, ist grotesk. In Deutschland braucht es endlich den politischen Willen, eine solche Freifahrtscheinpraxis zu beenden.“
Das fordert auch die Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Grüne). „Natürlich stößt die Einordnung nach Verwendungsmöglichkeiten irgendwann an seine Grenzen“, sagt sie. „Gerade bei diesen speziellen Modellbauteilen erscheint es mir aber naheliegend, im Hinblick auf die aktuelle Drohnenentwicklung die Dual-Use-Güterlisten noch mal zu überarbeiten.“
Nicht mal der Modellbau-Unternehmer Rechthaler von der Firma aero-naut hätte damit ein Problem. „Das fände ich gut“, sagt er. Eine interne Exportkontrolle habe er ohnehin schon eingeführt. Anfragen von Firmenkunden, die ihm suspekt sind, schlage er im Zweifel aus. „Vor zwei Wochen erst hatten wir eine Bestellung von einer Firma aus dem Ausland, die mir nicht glaubhaft erklären konnte, wozu sie die Luftschrauben braucht. An die haben wir nicht geliefert.“
Der Nachteil einer gesetzlichen Regelung: Die Modellbauer hätten bei ihren Exporten mehr Bürokratie zu erledigen. Der Vorteil: Der Staat müsste sich nicht auf den guten Willen einzelner Unternehmer verlassen. Er hätte neben den Herstellern auch Zwischenhändler im Blick. Er könnte die Exporte selbst überprüfen. Und er könnte sie im Zweifel verbieten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren