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Keine US-Sanktionen gegen Nord Stream 2Röhre in die Heißzeit

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Nicht nur außenpolitisch bringt Nord Stream 2 Deutschland in die Bredouille. Wer 2045 klimaneutral sein will, braucht keine Pipeline mehr.

Rohre werden weiter verlegt: Die USA will keine Verschlechterung der Beziehung zu Deutschland Foto: Frank Hormann/Imago

E s klingt nach dem vier Jahre lang ersehnten deutsch-amerikanischen Frühling – und der ebenso dringend notwendigen Neujustierung der transatlantischen Beziehungen: Washington will vorerst von Sanktionen gegen Nord Stream 2 absehen. Dies sei im „nationalen Interesse“ der USA, heißt es. Also dürften bald die letzten Kilometer der fast fertigen Gasröhre in der Ostsee verlegt werden.

Doch das heißt noch nicht Vollzug. Wichtig ist das Wörtchen „vorerst“. So kann sich das US-Außenministerium bereits in drei Monaten neu zum Gasprojekt positionieren – je nach Gefechtslage in der amerikanischen Innenpolitik. In bereits 90 Tagen steht der nächste Sanktionsbericht des State Department an den Kongress an. Der Druck der Republikaner auf die Regierung von Präsident Joe Biden dürfte indes wachsen.

Der Demokrat weiß zudem sehr wohl um die geopolitische Dimension von Nord Stream 2 – und dass Appeasement gegen einen wie Wladimir Putin wenig bringt. Wahrscheinlich ist es Biden auch wichtiger, sich mit Europa gegen die für ihn viel größere Bedrohung zusammenzuraufen – China.

Die Riesenröhre muss da zurückstehen. Vorerst. Den Streit ums Gas hat Biden also nur auf den Stapel „Wiedervorlage“ gelegt. Um Berlin bei Gelegenheit weiter mit Sanktionen zu drohen.

Bundesregierung muss Projekt stoppen

Diese machtpolitische übersieht die gewichtigere Frage des Klimas. Wer wie Deutschland 2045 klimaneutral sein will, benötigt keine Pipeline mehr, die dieses Ziel konterkariert. Die Deutschen müssen auch ohne Nord Stream nicht frieren. Außerdem soll die Röhre auch nach 2050 Erdgas nach Deutschland schleusen. Das brächte 100 Millio­nen Tonnen CO2 zusätzlich im Jahr, knapp ein Siebtel der deutschen Emissionen, klimaschädliches Methan aus der Förderung nicht mitgerechnet.

Deshalb muss die nächste Bundesregierung das Projekt stoppen – wenn auch hohe Entschädigungen drohen. Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock spricht aber nur wachsweich davon, Nord Stream 2 die „politische Unterstützung zu entziehen“. Außenpolitisch bringt die Röhre Deutschland in die Bredouille, klimapolitisch Richtung Heißzeit.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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27 Kommentare

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  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Auch wenn ich mich wiederhole: Kein Mensch braucht die alte , verrottete Pipeline aus der Ukraine. Polen hat das eingesehen und baut eine Neue, die das Erdgas aus Norwegen heran transportiert . Europa und Deutschland werden für 25- 30 Jahre über eine intakte Pipeline versorgt, und wenn es Konflikte mit Russland gibt geben uns die Polen und USA etwas ab, eventuell auch noch die Saudis,Katarre, Kuwaitis usw.. Wir sind nicht erpressbar ,und wenn wir das Gas nicht mehr benötigen verkorken wir einfach die Röhre. Ich würde erstmal die Verbrenner einstampfen und den gesetzlichen Anspruch auf eine Raumtemperatur von 20 Grad auf 18 Grad absenken

  • Sie übersehen leider, dass Gas-und-Dampf - Kraftwerke momentan die beste Brückentechnolgie sind um schnell den CO2-Ausstoß zu senken.



    Zweitens, ging es den USA nie darum, D zum Klimaschutz zu zwingen oder uns "vor Russland zu beschützen" . - Sondern ausschließlich darum, dass Herr Trampel uns lieber FRACKING-Gas verkauft hätte..!

  • "Wer wie Deutschland 2045 klimaneutral sein will, benötigt keine Pipeline mehr,"

    Bis jetzt sehe ich lediglich Absichtserklärungen der Regierung. Was davon dann tatsächlich umsetzbar ist steht in en Sternen. isch ja ein sehr schöner Plan, der Ausstieg aus Kohle, Öl und gleichzeitig Gas, wobei bislang noch nicht mal eine zuverlässige Substitution auf dem Strommarkt geschafft ist wird munter über den Verkehrssektor und den Heizungssektor phantasiert.

    Nein! Bis 2045 sind noch 24 Jahre. Wenn die fast fertige Pipeline dann nicht mehr gebraucht wird, kann man sie nach 24 Jahren Betrieb stillegen. Bis dann braucht man sich allerdings die Probleme nicht größer zu machen als sie sowiso schon sind.

    Dezentrale BHKW und GuD Kraktwerke sind eine gute Übergangslösung für die Strom und Wärmeversorgung.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Habe neulich J.Bond gesehen. Der ist ja in so einer Pipeline ein ganzes Stück weit gereist.



    Russische Soldaten - natürlich ohne Abzeichen - könnten da ja schon mal anfangen, zu trainieren.



    Schwupsdiwups wären quasi mit der Rohrpost dann 1000 Russen hier.



    Allerdings sind ja schon 300.000 hier in Berlin.



    Egal - bringt Kaviar und Wodka mit.



    Alles wird gut!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Top Comment!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Was für ein Quatsch. Da laufen also Russische Soldaten 1200 km durch eine enge Röhre, in der Hoffnung, dass das nicht auffällt, und dass da keine Verdichterstation kommt. Schauen Sie lieber weiter J.Bond

      • @Martin_25:

        Um es mal nett zu formulieren: ich wäre sehr positiv überrascht, wenn bei intensiver Forschung in den nächsten 20 Jahren eine großserienreife Energiespeichertechnik zur Verfügung steht. Aber auch bis dahin muss der fehlende Atom- und Kohlestrom irgendwo herkommen, wenn das Wetter den Bedarf nicht deckt. Da gibt es dann die Wahl wischen Kohlestrom aus Polen oder Atomstrom aus der französischen Ostgrenze. Wenn sie denn spontan liefern können und uns nicht wegen Eigenbedarf ohne Strom sitzen lassen. Oder es werden übergangsweise GuD-Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 60% gebaut, welche binnen Minuten hoch und runter fahren können. Diese GuD-Kraftwerke können übrigens auch durch kleine Modifikationen an der Brennstoffversorgung wasserstofftauglich gemacht oder direkt so gebaut werden.

      • @Martin_25:

        Da hat jemand den Witz nicht gesehen

  • Die Fertigstellung und der Betrieb von NS 2 wird uns zukünftig Milliarden an CO² Zertifikaten kosten.



    Der Transport von Wasserstoff wird nicht möglich sein, da die Pipeline dafür nicht ausgelegt wurde. Vielleicht ist der Transport von Wasser noch möglich und in der zweiten Jahrhunderthälfte für uns notwendig.

    • @Sonnenhaus:

      Das kostet "uns" erst einmal gar nichts an Zertifikaten. Es wird soviel Gas gekauft, wie benötigt, und das Gas spart jetzt schon CO2 ein, z.B. bei GuD Kraftwerken. So es genug EE gibt, dann kann man ja schon mal mit der Elektrifizierung des Verehrssektors anfangen (Spart Zertifikate).

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      So isset. Wasserstoff hat die Eigenschaft durch viele Materialien zu diffundieren, denn er ist recht klein, wendig und schlau.

  • NS 2 war für den Kreml immer schon ein strategisches Projekt, weniger ein wirtschaftliches. Der Betreiber wird vom Kreml kontrolliert. Nur auf deutscher Seite weigerte man sich diese schlichte Tatsache anzuerkennen und nannte das Vorhaben ein privatwirtschaftliches Vorhaben. Mit dieser ignoranten Sicht steht Deutschland praktisch allein.

    Solange die Pipeline durch unsere Nachbarländer führt, kann kein Krieg gegen diese Länder geführt werden ohne sich von einer der wichtigsten Einnahmequellen abzuschneiden. Führt die Pipeline an diesen Ländern vorbei kann Putin Krieg gegen die Nachbarn führen ohne sich dadurch von einer seiner wichtigsten Deviseneinnahmequellen abzuschneiden. NS 2 macht Krieg machbarer.

    Wer das nicht sieht ist entweder blind oder dumm.

    • @Galgenstein:

      Sehr geehrter Herr Galgenstein,



      ich möchte Sie auf eine etwas andere Betrachtungsweise aufmerksam machen.

      Zur Zeit sind fast alle Energielieferungen nach D abhängig vom guten Willen der USA. Sei es über die Zahlung, sei es über Sanktionen sei es über Blockade von Handelswegen. Wenn man sich einzig auf die Durchleitung durch die Ukraine und durch Polen verlässt kann selbst die russische Gaslieferung durch entsprechende US-Entscheidungen blockiert werden. Bei solchen kritischen Gütern tut man gut daran nach Alternativen zu suchen (Second Source), um nicht erpressbar zu sein.

  • Was würde es denn kosten, in Euro, wenn man das Projekt einfach beerdigt?

    10 Mrd. € an direkten Baukosten, weitere 10 Mrd. € für die Infrastruktur die auf russischer Seite gebaut wurde, wären 20 Mrd. €. Aber was kommt da noch an Entschädigung für die Nichteinhaltung der Lieferverträge drauf? Sind „Geheimsache“ die Verträge, stimmts?

    Ich glaube das ist die Gretchenfrage. 20 Mrd.++++ zu versenken (wirklich für nichts), den Schuh will sich derzeit niemand anziehen und auch die Annalena wird sich schwer damit tun, derart viel Geld in ein einziges Projekt zu stecken, naja in ein Nicht-Projekt zu stecken halt...

    • @Nafets Rehcsif:

      Wenn die Pipeline 20 Mrd. gekostet hat, frage ich mich warum man sie überhaupt baute. Sie müsste dann 30 Jahre in Betrieb sein um die Kapitalkosten zu amortisieren. Die Sberbank kam auf den etwas niedrigeren Wert von 17 Mrd. und fragte zurecht: wozu baut man eine Pipeline mit der kein Geld verdient wird? Diese Frage hat die Befürworter von NS 2 in D sonderbarerweise nie sonderlich interessiert.

      • @Galgenstein:

        Die Kapitalkosten sind nur ein Teil der Rechnung. Wenn man als Gazprom sein Gas los werden (und damit Geld verdienen) will, dann braucht man halt Transportmöglichkeiten.

        Vermutung von mir: Das Geld wird mit den laufenden Gaslieferungen verdient, die Pipeline ist ein dazu notwendiges Übel, ob die sich in 15 oder 30 Jahren amortisiert ist da erstmal egal.

      • @Galgenstein:

        Weil sie privatwirtschaftlich finanziert wurde.



        Den deutschen Steuerzahler kostet das also bisher nichts, im Gegenteil.

        • @Ruhrpott-ler:

          Bei der Gazprom und ihren Tochtergesellschaften handelt es sich um vom Kreml kontrollierte Unternehmen. Nix da von Privatwirtschaft. Bestenfalls könnte man von einer PPP mit einer vom Kreml beabsichtigten strategischen Ausrichtung sprechen.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Nafets Rehcsif:

      Glückwunsch - Sie scheinen die einfachen Grudrechenarten zu beherrschen - im Gegensatz zu vielen Politikern.

  • Die Pipeline könnte später umgenutzt werden und zum Transport von Wasserstoff verwendet werden, sie nicht fertigzustellen wäre deshalb der falsche Weg und verschwendetes Geld

    • @PartyChampignons:

      Von wo nach wo soll da Wasserstoff transportiert werden und warum?

      • @Francesco:

        In Zukunft wird Wasserstoff immer wichtiger werden und das in jedem Land der Welt? Die Technologie ist auf dem Vormarsch, das ist Fakt, da brauche ich keine Beispiele nennen. Und dann wird es sich genauso verhalten wie mit Öl und Kohle und anderen Rohstoffen, diese werden von A nach B transportiert werden müssen.....wennnda schon eine Infrastruktur vorhanden ist, umso besser!

  • Unabhängig davon, wie viel Gas durch diese Röhre kommend später abgenommen werden sollte, plädiere ich dennoch für die Fertigstellung von Nord Stream 2.



    Denn:



    1. dadurch ist Europa in Sachen Erdgas flexibler, und nicht so leicht unter einen Preisdruck der USA bezüglich deren FrackingGas zu stellen.



    2. bei Inbetriebnahme von Nord Stream 2 entsteht ja eine Art wechselseitiges Geben und Nehmen. Russland wird auf die diesbezüglichen Einnahmen ungern verzichten wollen und können. Daraus lassen sich ggf. auch diplomatische Anregungen unterstützen, dass Russland seine diplomatischen Möglichkeiten in Sachen Syrien, Nahostkonflikt, Yemen, etc. einbringt; und vielleicht auch in Sachen Arktis-Ansprüche nicht abzuheben beginnt.



    3. In einer Situation der wechselseitigen Totalverweigerung schwinden die Möglichkeiten für konstruktive Gespräche und diplomatische Erfolge.

    ;-)

    • @tazeline:

      Wenn Sie sich China anschauen...

      Wandel durch Handel?

      Mit dem Totalitären Cyberüberwachungstaat ala J. Orwel kann man sogar von einer verstärkung Autokratischer Tendenzen sehen.

      Andererseits ist es ja nicht so das Abschottung das Mittel wäre.

      Sie sollten nur den demokratischen Einfluss den man diplimatisch erzielen kann von außen nicht überschätzen.

      Je mehr Divisen Russland hat desto besser kan es "Durststrecken" durchstehen.

      Ich bin auf jeden Fall für eine offenere Politik gegenüber Russland. Denn sonst wendet sich Russland auf kurz oder lang China zu um einen wirschaftlichen Gegenpol zu schaffen.

      Wer weiß welche Resourcen wir aus dem Riesen Land gut gebrauchen können wen der nach derzeitigem realistischen Standpunkt unausweichliche Klimawandel kommt?

  • Die Pipeline ist fast fertig und ändert nichts am Verbrauch.



    Im Gegenteil - im Vergleich zur bisherigen Pipeline durch die Ukraine gibt es deutlich weniger Transportverluste (Reibung, undichte Pipeline).



    Die Pipeline jetzt nicht fertigzustellen, erhöht somit den CO2-Ausstoß.

    • @PS007:

      Wenn eine undichte Pipeline für Sie ein Problem darstellt, sollte man sich den Rest des über 170.000 Kilometer langen Leitungsnetzes einmal näher anschauen. Große Teile müssten längst erneuert werden, da schon weit jenseits der prognostizierten Lebensdauer. Russische Spezialisten kalkulieren den Bedarf auf ca. 240 Mrd. USD für die nächsten Jahre. Viel Geld, das die Gazprom nicht ausgeben will, noch hat.

      • @Galgenstein:

        Und wenn dann mal was erneuert wird, dann gibt es Gegenwind von einer Koalition aus US-Ölmultis und Ökos....