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Zehn Jahre nach FukushimaAtomlobby wittert Morgenluft

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Das Desaster von Fukushima war ein Schock. Zehn Jahre später versucht die Atomlobby die Kernenergie als Retterin in der Klimakrise zu präsentieren.

Kernenergie als Rettung gegen den Klimawandel – so lautet die Erzählung der Atomlobby Foto: Armin Weigel/dpa,YAY Images/imago

K urz nach der Atomkatastrophe in der japanischen Präfektur Fukushima stand er: der deutsche Atomausstieg. Im Jahr 2022 soll das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen.

Zehn Jahre später gibt es neue Schockmomente. Sie kommen nicht in Strahlenform, sondern als Wirbelsturm, als Flut, als Hitzewelle, als Dürre. Der Klimawandel ist da, auch im globalen Norden. Was allein der bisherige Stand von etwa 1 Grad Erd­erhitzung an Folgen nach sich zieht, lässt vor 2 Grad oder mehr zittern. Die Regierungen der Welt haben sich im Pariser Weltklimaabkommen deshalb geeinigt, den Klimawandel möglichst bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu stoppen.

Das lässt die Atomlobby Morgenluft wittern. Sie macht schließlich mit einer Technologie Geschäfte, die als emissionsarm gilt. Kommt die Atomkraft nun als vermeintliche Retterin in der Klimakrise zurück? Das ist nicht zu hoffen, denn das Atommüllproblem bleibt ungelöst. Keine gute Basis für ein Energiesystem, das die Welt sicherer machen soll.

Außerdem ist auch Atomstrom nicht emissionsfrei, wenn man sich die gesamte Produktionskette anguckt. Natürlich gilt das auch für Ökostrom. Die niedrigsten Prognosen für den CO2-Fußabdruck der Atomkraft liegen sogar in etwa auf dem niedrigen Niveau von Windrädern. Der Weltklimarat gibt aber eine Spanne von 3,7 bis 110 Gramm pro Kilowattstunde Strom an. Der Grund dafür liegt in Unwägbarkeiten bei der Uranherstellung und – da sind wir wieder bei dem Riesenproblem – der Endlagerung des Atommülls.

Selbst der Weltklimarat fordere Atomkraftwerke, hört man manchmal. Nur: Die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen fordern nicht, sie erstellen Szenarien aufgrund bestimmter Annahmen. Tatsächlich weisen diejenigen, die auf das 1,5-Grad-Ziel ausgerichtet sind, meist eine zunehmende Bedeutung von Atomstrom aus. Allerdings beruhen sie auf sozioökonomischen Entwicklungsszenarien, die ein ungebrochenes Wachstum des Pro-Kopf-Konsums und einen entsprechenden Energiebedarf bis zum Jahr 2100 voraussetzen. Wo bleiben die ökonomischen Gedankenspiele dazu, wie das in einer Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte?

Aller positiven Umdeutungen zum Trotz: Dass es zu einer Renaissance der Atomkraft kommt, darauf deutet noch nicht viel hin. Die Realität und die Wünsche der Atomlobby, das sind doch zwei verschiedene Welten – zum Glück.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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12 Kommentare

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  • "Dass es zu einer Renaissance der Atomkraft kommt, darauf deutet noch nicht viel hin." Das mag in Deutschland so aussehen - im Rest der Welt sprießen die Atomkraftwerke wie Pilze aus dem Boden. Verständlicherweise: Das deutsche "Atomkraft Nein danke" folgte schon immer einer gefühlten Faktenlage, nicht aber wissenschaftlichen Erkenntnissen.

  • So, so, die Atomindustrie wittert also Morgenluft. Wen wundert's, wenn uns Stromverschwender wie Wärmepumpenheizungen und E-Autos als "umweltfreundlich" angedient werden? Da ist doch absehbar, dass wir den Atomausstieg Ende nächsten Jahres wohl nicht erleben werden.



    Ich lasse den Aufkleber "Atomkraft? Nicht schon wieder" an meinem betagten Citroen C1 erst mal dran...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Gestern kam ein Bericht über die Arbeit des Katastrophenschutzes in Deutschland.



    Bei einem AKW-Unfall in Belgien und eine Verstrahlung im Westen Deutschlands möchte ich diese Pläne gerne mal lesen.



    Wer vertraut denn noch diesen Versagern?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Zehn Jahre später versucht die Atomlobby die Kernenergie als Retterin in der Klimakrise zu präsentieren."

    Sollen diese Leute doch mal eine Kalkulation für einen Neubau eines AKWs abgeben, inklusive Abrisskosten und Endlagerkosten für wenigstens 1000 Jahre.



    Nein?



    Die Bürger sind nicht mehr so doof und finanzieren eure Gewinne und die Folgekosten dürfen die Steuerzahler begleichen?



    Noch alle Latten am Zaun?



    Auch der Weltklimarat ist offenbar verwirrt.



    Wieder ein schönes Beispiel, was Kapitalismus anrichten kann. Verstand wird ausgeblendet.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Genau! Alle sind verwirrt, nur Mr. Nice hat den vollen Durchblick!

  • Ist doch gut, wenn die Atomlobby Morgenluft wittert. Es bedeutet, daß sie verschwinden wird.

    Die Formulierung "ich wittere Morgenluft" stammt aus Shakespeares Hamlet. Darin sagt ein Geist zu Hamelt:

    "But soft! methinks, I scent the morning air."

    Und das bedeutete, daß der offenbar nur nachtaktive Geist verschwinden mußte.

  • Die "Postwachstumsgesellschaft" ist eine gefährliche Illusion. Wenn die Menschen in Asien und Afrika in den nächsten Jahrzehnten einen besseren Lebensstandard bekommen dann wird auch ihr Energiebedarf steigen. Darüber sollten wir uns mal Gedanken machen, und keine Utopien malen die Bevölkerungswachstum und Entwicklung ignorieren.

    • @Descartes:

      Es geht ja nicht darum, dass es kein Wachstum mehr geben wird. Es geht darum, dass Wachstum nicht das Ziel sein sollte, sondern Nachhaltigkeit.

      Wenn eine Firma A (vereinfacht gesagt) nur Produkte produziert, die schnell wieder kaputt gehen, muss es eine Firma B geben, die diesen wieder beseitigt. Wenn A immer weiter wächst, muss B das auch tun.



      Wenn jetzt aber eine Firma C die gleichen Produkte wie A produziert, nur dass diese nicht mehr kaputt gehen (oder von C repariert werden können), dann braucht man weder dir Firma A noch die Firma B, sondern nur noch C. Am Ende produziert C keine Waren mehr, sondern wartet und repariert diese nur noch - das ist die Postwachstumsgesellschaft.

      Aktuell werden Produkte schon so entwickelt, dass sie nach wenigen Jahren (möglichst nicht viel mehr als zwei) kaputt gehen, weil man dann neue verkaufen kann.

      Ich hab hier ne Espressomaschine von deren Erfinder-Firma, die quasi nur ein Wasserkocher mit Siebträger und Handhebel ist. Bis auf die Dichtungen kann da nichts kaputt gehen, wenn man sie richtig bedient. Ich kenne jemanden, der hat die seit geschlagenen 60 Jahren in fast täglichem Betrieb!



      Moderne Kaffee-Vollautomaten schaffen oftmals nicht einmal die Gewährleistungsfrist. Die rechnen schon mit einer höheren Rückläuferquote und vor allem damit, dass der Kunde bald eine neue Maschine braucht. Und wenn die Maschinen teurer werden bzw. billiger produziert werden, steigt der Firmenumsatz: Wachstum als Geschäftsziel.

      • @Cochino:

        Das Nachhaltigkeit das Ziel sein *sollte* ist natürlich ein edler Gedanke und da bin ich völlig bei Ihnen. Es geht hier aber um die Abschätzung der tatsächlichen Entwicklung in der Zukunft, und die sieht einfach so aus dass der steigende Lebensstandard in Asien und Afrika zusammen mit dem Bevölkerungswachstum sehr wahrscheinlich einen stetig ansteigenden Energiebedarf bewirkt.

        Die Autorin des Artikels beklagt dass der Weltklimarat in seiner Prognose diese Entwicklung berücksichtigt und so die zunehmende Nutzung der Atomkraft notwendig wird um den Klimawandel zu bremsen.

        Ihr wäre es lieber ökonomische Gedankenspiele einer weltweiten Postwachstumsgesellschaft zu entwickeln, in der wir den Klimawandel ohne AKWs bremsen können.

        Falls sich diese "Kopf-in-den Sand und träumen" Strategie durchsetzen würde (wovon ich nicht ausgehe), dann werden 2050 sehr viele neue schöne billige Kohlekraftwerke in Asien und Afrika stehen, während wir uns wundern warum unsere Windräder und Radwege so gar nichts gegen den Klimawandel bewirkt haben.

  • Tja, was soll ich dazu sagen ...



    50ng (Nanogramm) Plutonium im Körper reichen aus, einen Menschen zu töten.



    50ng x 7Mrd Menschen = 350g.

    350g Plutonium reichen aus die gesamte Menscheit dahinzuraffen.

    (im Grunde reichen auch 50ng - denn es wird ja wieder ausgeschieden und kann anschließend den Nächsten dahinraffen - aber lassen wir mal Fünfe grade sein)

    Plutonium ist extrem schwer - verteilt sich also nur sehr langsam in der Umwelt - Gott sei Dank.



    Denn während eines Brennelementzyklus eines einzigen AKW entstehen einige Tonnen Plutonium (und viele andere, ebenso giftige Elemente)



    Gott gnade uns, wenn das irgendwie in die Umwelt gelangt.

    Und es ist schon in die Umwelt gelangt - das ist auch die Antwort auf die Frage, warum es kein brauchbares Krebsregister gibt.

    Und um das noch deutlicher zu machen: Viele erinnern sich sicher daran, dass nach Tschernobyl besonders das Cäsium die Lebensmittel verseucht hat.



    Tonnenweise wurden Lebensmittel wurden vernichtet, vergraben, verklappt.

    Wieviel Cäsium war da wohl im Spiel ?



    Sie werden es nicht glauben: Es war -verteilt über die ganze Bundesrepublik- ungefähr ein Fingerhut voll !

    Quellen gerne auf Anforderung ...

  • Zwei Anmerkungen:

    Wer ist denn "die Atomlobby"? Gibt es in D Firmen, die a) noch AKWs herstellen und b) hier aktiv bewerben? Namen sind gefragt.

    Wenn der "Weltklimarat" (wo ist der gewählt?) sagt, dass auch bei Windkraft pro kWh min. 4 Gramm C02 ausgestossen werden, dann wären das weltweit ca 22.000.000.000.000.000 kWh x 4 gr = 9 Gigatonnen CO2. Ähm, dass ist grob ein Viertel des jetzigen Ausstosses. Aber bei den ganzen Nullen.

    • @fly:

      Klar gibt es solche Firmen: die Framatome GmbH in Erlangen und Karlstein.

      Der IPCC ist Teil der UN, die Mitglieder werden nicht gewählt, sondern treten entweder bei oder werden berufen. Das wird vielleicht klarer, wenn man die eigentliche Übersetzung "Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen" verwendet.

      "2019 lieferten die weltweit installierten Anlagen nach Zahlen von BP rund 1430 TWh elektrischer Energie" [1]. Also 1.430x10^12 Wh = 1.430x10^9 kWh = 1.430.000.000.000 kWh.



      Mal vier Gramm CO2 pro kWh macht das 5,72×10^9 kg CO2, also 5,72 Megatonnen CO2.



      Entweder hast Du drei Nullen oder ein k in der Einheit zu viel, um auf die richtige Größenordnung zu kommen.

      Wenn Du die Quellen Deiner Zahlen abgibst, können andere auch nachvollziehen, womit Du rechnest.

      [1] de.wikipedia.org/wiki/Windenergie