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Diskussion über Abgabe auf FleischJa zur Tierwohl-Steuer

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Deutschland braucht eine Tierwohl-Steuer auf Fleisch, damit Bauern ihr Vieh besser halten. Ein Ausstieg aus der Tierhaltung ist erstmal unrealistisch.

Mit der Tierwohlsteuer ließen sich tatsächlich bessere Produk­tions­bedingungen finanzieren Foto: Westend61/imago

S ollen die Verbraucher über eine neue Tierwohlsteuer auf Fleisch, Milch und Eier Milliarden Euro an Bauern zahlen, damit die ihr Vieh besser halten? Manche Umweltaktivisten antworten: Nein. Denn die Tierwirtschaft bekomme schon jährlich 13 Milliarden Euro vom Staat, wie eine nun veröffentlichte Studie zeige. Noch mehr Geld für die Viehhaltung würde das System nur zementieren.

Dieser Schluss ist weder im Sinne der Tiere noch der Menschen, die unter den aktuellen Zuständen in der Branche leiden. Denn mit der Tierwohlsteuer ließen sich tatsächlich bessere Produk­tions­bedingungen finanzieren. Die Fortschritte, die derzeit vor allem diskutiert werden, mögen gering sein, zum Beispiel lediglich etwas mehr Platz pro Tier, aber noch kein Auslauf. Doch die Bedingungen sind ja noch gar nicht festgelegt. Durch Druck etwa von Tierschützern ließe sich mehr erreichen.

Je mehr Tierschutz mit der Steuer finanziert wird, desto höher sind die Kosten für die Landwirte und desto höher müssten sie sein. Und je stärker dadurch die Preise für Fleisch, Milch und Eier steigen, desto weniger wird von diesen Produkten verkauft werden. Das würde auch dem Klima nützen, denn die Produktion tierischer Lebensmittel verursacht mehr Treib­hausgase als diejenige pflanzlicher Nahrungsmittel. Und die Gesundheit der Bevölkerung würde profitieren, weil sie insgesamt mehr Fleisch isst als aus medizinischer Sicht ratsam.

Selbst Tierrechtler müssten eigentlich für eine Tierwohlsteuer sein. Sie lehnen zwar jegliche Tierhaltung ab. Aber realistischerweise können sie dieses Ziel – wenn überhaupt – nur sehr langfristig erreichen. Auf diesem weiten Weg müssen Fleischkonsum und Tierbestände erst einmal allmählich und später auf null gesenkt werden.

Der Staat solle die bestehenden Subventionen für den Umbau der Tierbranche nutzen, statt die Bürger mit einer neuen Steuer dafür zu belasten, lautet ein Einwand. Das wäre in der Tat gerecht. Aber solange politische Mehrheiten dafür unerreichbar sind, sollte man mehrheitsfähigere Lösungen wie eine Tierwohlsteuer nicht boykottieren.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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13 Kommentare

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  • Die „Tierwohl“-Steuer ist nur ein weiteres Feigenblatt im Bestreben der unempathischen Spezies Mensch, Umwelt und Mitgeschöpfe maximal auszubeuten.

    Das „normale Schnitzel“ wird in Deutschland so produziert: Schweine frissten ihr Dasein in Gigaställen, die Muttersauen werden massenhaft in viel zu engen Kastenständen eingepfercht. Damit sie nicht krank werden oder vorzeitig verenden, werden sie mit Hormonen und Antibiotika vollgestopft. Eines dieser Hormone ist PMSG. Es wird aus dem Blut von trächtigen Stuten (!) in Argentinien unter grausamen Umständen gewonnen. Es ist billiger als synthetisch hergestelltes PMSG und synchronisiert die Schwangerschaften der vielen Sauen, so dass sie möglichst alle gleichzeitig werfen. Das erleichtert die industrielle „Verarbeitung“. Nachdem die kleinen Ferkelchen bei der Geburt auf dem Spaltenboden gelandet sind, geht man durch die Reihen und überprüft die Neugeborenen auf Ihre Überlebensfähigkeit. Die sogenannten „Kümmerlinge“ schlägt man tot. Das ist billiger, als sie mühsam aufzupäppeln. Den Überlebenden werden später bei vollem Bewusstsein die Schwänze abgeschnitten. Die Tiere wachsen bei beißendem Gestank auf, ohne jemals die Sonne zu sehen. Ihre Fäkalien werden auf den Feldern verteilt, wo sie unser Grundwasser verseuchen. Für ihr Futter werden unglaubliche Mengen an Soja benötigt. Um das zu gewinnen, wird der Regenwald abgeholzt. Wissenschaftler warnen außerdem schon lange davor, dass das nächste gefährliche Virus aus der Massentierhaltung hervorgehen könnte. Am Ende ihres qualvollen Lebens geht es für die bedauernswerten Tiere übrigens auf einen Horrortrip zum Schlachthaus. Und das ist noch mal ein Kapitel für sich.

    Es lebe das Tierwohl.

    • @Birgit Deter:

      Haben Sie schon jemals einen Stall von innen gesehen ?? Ihr " Fachwissen " ließt sich wie die Anti-Tierhaltung Propaganda von Peta oder Veganern.



      Pauschalierende Vorurteile, ohne jegliches Wissen, ist natürlich auch eine Art sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Natürlich gibt es, wie in jedem Bereich, schwarze Schaffe unter den Landwirten. Jetzt aber alle Landwirte über einen Kamm zu scheren ist Polemik pur.

    • @Birgit Deter:

      Ihre Schilderung müsste als Beipackzettel jedem Stück Schweinefleisch* beigefügt werden. Möglichst noch bebildert.

      *bei anderen Nutztieren sieht es nicht anders aus.

  • Ich plädiere dafür das sich das fleischessende Volk an den Wochenenden sich doch bei den Landwirten in Form einer Führung einen Eindruck verschaffen wie die Tiere gehalten werden. Das wären mal neue Möglichkeiten mit den Landwirten in Kontakt zu kommen. Anders sieht es wohl in den großen Mastanstalten aus.



    Und warum nicht Schweine auf die Weide?

  • Die Tierwohlsteuer macht nur einen weiteren Topf für Landwirte auf. Von dem werden paradoxerrweise wieder die großen Betriligten profitieren.

    Es ist grundsätzlich falsch, mehr Geld in dieses System zu werfen, was nur durch eine bessere Regulierung auf EU -Ebene und in De, aufgebrochen werden kann.

    Fangen wir einfach mal an, die Regeln zum Wasserscbutz umzusetzrn, anstelle uns durch die EU verklagen zu lassen. Dann geht es nur it weniger Tieren.Oder sorgen wir dafür, dass weniger oder gar keine Antibiotika eingesetzt werden. Dann muss ebenfalls etwas passieren.

    Aber aus Mitleid eine neue Steuer, die ihr Ziel gar verfehlt,einzuführen? Welch ein Unsinn.

  • Ein Vorteil der Tierhaltung ist, dass es Menschen in Lohn und Brot hält. Hierfür gäbe es aber Alternativen ohne Tierleid.



    Ansonsten sehe ich in der Tierhaltung nur Nachteile, angefangen beim Tierleid, weiter beim enormen Flächenbedarf, Treibhausgasemissionen, Antibiotikaeinsatz, Stickstoffeinträge, Geruchsbelastungen etc. etc.



    Warum man durch Tierhaltung Spekulationsgewinne, Exportgewinne etc. erzielen darf, ist aus meiner Sicht verwerflich.



    Eine Tierwohlsteuer, wird die Gewinne der Branche stark, das Tierleid aber nur marginal verbessern. Bereits heute funktionieren die Kontrollen nicht, da nicht unabhängig kontrolliert wird.



    Die fünf großen Supermarktketten werden die Preise weiter dumpen und die Menschen werden in ihrer Schnäppchenmentalität weiter das Billigprodukt mit oder ohne Tierwohllabel kaufen.

  • Und wo bleibt die Schlachthofarbeiter-Wohl-Steuer?... bitte nach eigenem Empfinden um weitere Branchen ergänzen.

  • Es darf nicht wahr sein. Zu viel CO2? Steurn drauf!



    Zu viel Tierquälerei? Ebenfalls Steuern drauf.

    Bloß nicht das Problem an den Wurzeln behandeln.



    Schweinefleisch wird beispielsweise in Deutschlandkrass überproduziert, damit es in riesigen Mengen nach China exportiert werden kann. Die Missachtung des Tierwohls führt u.a. auch zur Überproduktion als Folge einer ständig wachsenden Fleischproduktion unter unsägliche Bedingungen.

    Tierquälerei kann ausschließlich nur durch klare Gesetze verhindert werden und nicht durch marktradikale bzw. marktkonforme Fiskalpolitik. Und das kann nur in klar definierten Etappen erfolgen, die den "Erzeugern" die Möglichkeit gibt, auf tiergerechte Haltung umzustellen. Die "Erzeuger" müssen durch begleitende Maßnahmen geradezu Lust haben, endlich qualitativ gutes Fleisch anbieten zu können bei höchstmöglicher artgerechter Tierhaltung.



    Die Preissteigerungen infolge dieser Tierhaltung führen zu einer drastischen Reduzierung des geradezu barbarisch anmutenden Fleischkonsums. Das fördert nebenbei die Gesundheit insbesondere der Menschen, die sehr viel billiges Fleisch essen. Und es fördert die Wiederherstellung eines guten Geschmacks. Fleisch kam zu meiner Kindheit sonntags auf den Tisch. Freitags gab es Fisch. Ich denke, dass auch Ärmere sich in Deutschland gutes Fleisch einmal pro Woche erlauben können.

    Konsum über Steuererhöhungen zu drosseln ist nur der Versuch, wirksame Alternativen zu verhindern.

  • Der Markt ist der Politik, und vor allem den "Tierschützern", schon wieder einen Schritt voraus. Die meisten Molkereien bezahlen ab diesem Jahr Milch von angehängten Kühen schlechter und wollen ab 2023/2024 keine solche Milch mehr verarbeiten. Natürlich sind dies überwiegend kleine Betriebe in Bayern und Baden-Württemberg, die dann die Tierhaltung aufgeben, weil sie sich den Umbau auf Laufställe nicht leisten können. Das gewollte Höfe sterben geht weiter, vielleicht dann noch eine neue Förderung für Biogasanlagen, welche dann die frei werdenden Flächen für noch mehr Maisanbau nutzen können.

  • ich dachte ja immer, Steuern dürften nicht zweckgebunden eingesetzt werden.



    wie hoch wird die wahrscheinlichkeit denn sein, dass die einnahmen über den haushalt auch fuer den tierwohl wirklich eingesetzt werden?

    • @Hannes Petersen:

      "Diskussion über Abgabe auf Fleisch"

      Es steht schon in der Überschrift, das Zauberwort heißt Abgabe und damit ist ein zweckgebundener Einsatz möglich.

      • @Sven Günther:

        und danach kommt " ja zur tierwohl-steuer".



        was ist es denn nun?

  • RS
    Ria Sauter

    Sie können nicht ernsthaft Glauben, ein "Tierwohlsteuer" würde in das Wohl der Tiere investiert.



    Dass die amtierende Landwirtschaftsweinkönigin das wirklich umsetzen würde ,ist wohl ein vorgezogener Aprilscherz.