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Diskriminierung von HomosexuellenBlut zweiter Klasse?

Schwule Männer dürfen kein Blut spenden. Eine mögliche Änderung dieser Regel schieben die zuständigen Stellen seit Monaten vor sich her.

Verkappte Homophobie? Schwule Männer dürfen in der Praxis kein Blut spenden Foto: imago

Berlin taz | Die Fragen treffen Fabian heftig. „Nur für Männer: Hatten Sie schon einmal Sexualverkehr mit einem anderen Mann?“ heißt es in dem Fragebogen, der der 24-Jährige ausfüllen soll. Und: „War dieser Kontakt während der letzten 12 Monate?“ Fabian wollte beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Essen Blut spenden – doch die Fragen kommen ihm dazwischen. Nach einem Gespräch mit einer Ärztin ist klar: Fabian ist zwar gesund, doch sein Blut darf er nicht spenden. Weil er schwul ist.

„Ich verstehe nicht, was das im Jahr 2021 in Deutschland noch für eine Rolle spielt“ sagt er. Gerade in der Coronakrise gibt es immer wieder Hilferufe der Blutspendedienste, weil Blutreserven fehlen. Aber Fabian darf nicht helfen. „Obwohl mir die Ärztin bestätigt hat, dass ich mich nicht risikohaft verhalte und gesund bin“, wie er berichtet. Um für eine Spende in Frage zu kommen, darf Fabian ein Jahr lang keinen Sex mit einem einem Mann gehabt haben. Das trifft auch auf Sex mit seinem festen Freund zu.

Es ist eine Regel, die diskriminiert. Und doch wird es auf absehbare Zukunft wohl dabei bleiben. Denn die zuständigen Stellen verschleppen die Entscheidung über eine mögliche Änderung der Regelung – die darüber hinaus für Männer wie Fabian kaum etwas ändern würde.

Wer Blut spenden darf, ist in der Richtlinie Hämotherapie geregelt, für die die Bundesärztekammer (BÄK) verantwortlich ist. Bis 2017 hat die Richtlinie Blutspenden von schwulen Männern noch komplett verboten. Heute heißt es, Menschen, „deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV birgt“, werden von der Blutspende ausgeschlossen oder zurückgestellt, weil Viren erst nach ein paar Wochen nachweisbar sind.

Fehler aus den 80ern wirken bis heute nach

Das trifft laut der Richtlinie zu auf „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z.B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern“, aber auch auf „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)“. Bei letzteren ist es unwichtig, ob sie ein Risikoverhalten zeigen oder nicht. Einfach ausgedrückt: Schwule Männer haben laut der Richtlinie ein höheres Risiko mit HIV infiziert zu sein und deshalb stellt man sie pauschal zurück.

Fabian sieht das nicht ein. Er lebt seit fast drei Jahren mit seinem Freund in einer monogamen Beziehung, beide haben sich zu Beginn ihrer Beziehung auf HIV testen lassen und sind negativ. „Wo ist das Risiko?“, fragt er. „Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse, dessen Blut nicht so viel wert ist, wie das von anderen.“

Die zuständige BÄK weist den Vorwurf zurück, sie würde die sexuelle Orientierung pauschal zur Grundlage für einen Ausschluss nehmen: „Der Zulassung zur Blutspende liegt eine Risikostratifizierung verschiedener individueller Verhaltensweisen […] zugrunde“, schreibt die BÄK auf Anfrage. Laut der Deutschen Aids Hilfe sind ca. 70 Prozent der HIV-Infizierten schwul.

Der Grund für die aktuelle Regelung sind Fehler aus den 1980er Jahren. Damals fielen HI-Viren in Bluttransfusionen nicht auf, sodass sich hunderte Patientinnen und Patienten infizierten. „Wegen des Skandals damals gibt es noch viele Vorurteile, die aber längst überholt sind“, sagt Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI-Angelegenheiten in der FDP-Bundestagsfraktion. „Heute sind wir wissenschaftlich viel weiter und können Krankheiten im Blut schon nach wenigen Wochen entdecken.“

Andere Länder sind weit fortschrittlicher

Laut Blutspendediensten und BÄK wird jede Blutspende noch einmal untersucht, bevor sie einem Patienten oder einer Patientin verabreicht wird. Dabei würden alle Krankheiten auffallen. Die FDP-Fraktion hat deshalb schon Ende 2019 einen Antrag im Bundestag eingereicht mit dem Ziel, das entsprechende Transfusionsgesetz zu ändern. Brandenburg: „Die aktuelle Rückstellfrist für homo- und bisexuelle Männer ist diskriminierend, unnötig und völlig überzogen.“ Der Begriff Rückstellfrist bezeichnet die Zeit, die seit dem letzten homosexuellen Geschlechtsverkehr vergangen sein muss, um für eine Blutspende in Frage zu kommen.

Eine Arbeitsgruppe in Berlin berät aktuell über eine Änderung der Richtlinie. Aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) heißt es, man prüfe, „ob eine Verkürzung der Rückstellfrist (derzeit 12 Monate) erfolgen kann.“ Der sogenannte Arbeitskreis Blut, das Paul-Ehrlich-Institut, das Robert Koch-Institut, die BÄK und das BMG haben sich bereits Anfang November zum ersten Mal getroffen – und eine Entscheidung darüber vertagt.

Auch beim nächsten Treffen am 27. Januar gab es keine Entscheidung. Der nächste Termin, wieder „mit dem Ziel einer Ergebnisfindung“, ist für Ende März angesetzt. „Ich frage mich, wie oft man den Sachstand noch erörtern will“, sagt Brandenburg. „Andere Länder wie Kanada, Großbritannien und Italien sind da weiter: Die Richtlinien wurden zugunsten von MSM geändert und das Risiko, sich an einer Blutspende zu infizieren, ist dort nachweislich nicht gestiegen“. Zuletzt hatte Australien Ende Januar die entsprechenden Gesetze geändert.

Auch Lucas Hawrylak fordert ein Ende der „pauschalen Diskriminierung“ schwuler Männer: „Ich weiß nicht, worauf wir noch warten.“ Er hat offene Briefe an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die BÄK geschrieben. Außerdem hat er eine Petition im Internet gestartet und bisher fast 47.000 Unterschriften gesammelt. „Eine Lösung wäre, die Regelungen wie in anderen Staaten zu ändern“, findet er. „Wichtig ist nur das sexuelle Risikoverhalten jeder einzelnen Person“, und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung. „Wer sich risikohaft verhält, muss zurückgestellt werden.“

Selbst wenn die Rückstellfrist verkürzt werden sollte, würde das einem jungen, schwulen Mann wie Fabian in einer Beziehung aber wohl wenig helfen. Das würde dann zwar nicht mehr zwölf Monate, aber immer noch vier Monate ohne Sex bedeuten. Fabian blieb damals bei seinem Besuch beim DRK in Essen nichts anderes übrig, als anderen Menschen bei der Blutspende zuzugucken. Wahrscheinlich bleibt das auch so.

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12 Kommentare

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  • Wenn auch noch bedacht wird, wie viele Menschen auf die Frage nach ihrer partnerschaftlichen Treue lügen, wird der ganze Fragebogen zur Farce...

    Persönlich versuchte ich, Anfang der Neunziger Jahre Blut zu spenden, scheiterte aber damals an der Frage, ob ich in den vorherigen 12 Monaten in Afrika war. Die musste ich wahrheitsgemäß mit "Ja" beantworten. Wird das heute auch noch gefragt?

    • @Totti:

      Ja, wird gefragt. Dürfte aber v.a. an Infektionskrankheiten liegen.

      Im Hinblick auf Falschangaben hat man sich zumindest einen Mechanismus überlegt: Man muss einen Kleber, der nur aus einem Barcode bestehet, aufkleben. Einer gibt an, ob das Blut verwendet werden darf oder nicht. Sollte man also mit Freunden dort sein und man weiß genau, dass man nicht spenden darf, will das aber nicht zugeben, kann man den Kleber nehmen, der signalisiert, dass man das Blut nicht verwenden soll.

  • „Ich verstehe nicht, was das im Jahr 2021 in Deutschland noch für eine Rolle spielt“

    will oder kann?



    Nein, warum sollte man ohne Not HIV Risikogruppen "anzapfen"? Und ja es gibt Tests, aber auch bei Tests können Fehler passieren. Also sorge ich dafür das ich den Test nicht brauche.

  • Es ist keine Diskriminierung, wenn es einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung gibt. Der Artikel nennt den sachlichen Grund, ignoriert ihn aber bei der Bewertung:

    "Laut der Deutschen Aids Hilfe sind ca. 70 Prozent der HIV-Infizierten schwul."

    in Verbindung mit:

    "...weil Viren erst nach ein paar Wochen nachweisbar sind."

    Es gibt also ein höheres Ansteckungsrisiko bei schwulen Männern und die Gefahr, dies bei den Proben nicht zu entdecken. Auch die Monogamie hilft da wenig, denn diese gibt ja nur der Mann an, der zum Blutspenden kommt; von dem Partner weiß man dies ja nicht. Letzteres kann natürlich auch bei heterosexuellen und lesbischen Paaren vorkommen, nur ist da wohl die Ansteckungsgefahr geringer.

    Vermutlich kann man sich über die 12 Monate streiten (im Artikel steht was von Wochen). Das dürfte aber für Fabian nichts ändern.

    • @Strolch:

      "Es gibt also ein höheres Ansteckungsrisiko bei schwulen Männern"

      Statistisch ja, aber das liegt nicht an ihrem Schwulsein, sondern am Risikoverhalten (z.B. ungeschützter Sex mit wechselnden Partnern), das individuell jedoch unterschiedlich ist.

      "von dem Partner weiß man dies ja nicht"

      Sie können das als heterosexueller Mann von ihrer Partnerin ebenso gut oder schlecht wissen, wie als homosexueller Mann von Ihrem Partner.

      • @mats:

        Ja, das habe ich ja geschrieben. Aber die Ansteckungsgefahr scheint bei heterosexuellen niedriger zu sein. Ob das am Risikoverhalten liegt oder da die Ansteckungsgefahr aufgrund der Art des Geschlechtsverkehrs höher ist, ist da m.E. erst mal unerheblich.

        • @Strolch:

          Das gilt auch für junge Erwachsene, die ein vielfach erhöhtes Risiko haben, sich mit HIV zu infizieren. Sie sind risikobereiter, schlechter informiert, gehen zu spät zum Arzt, wissen in überproportionaler Häufigkeit nichts von ihrer Infektion. Im Vergleich dazu ist das Risiko eines 45-jährigen, der in fester Beziehung mit seinem Partner lebt, ein Pappenstil.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Strolch:

      Sehe ich genauso. Es gibt Gründe und damit ist die Entscheidung klar.



      Diskriminierung wäre es, wenn man Schwulen kein Blut spenden würde.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        AEMR 1948, Artikel 2 (2) Verbot der Diskriminierung «Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen.»

        Der sonstige Umstand (catch all Formel), nämlich das jemand homosexuell ist und deshalb nicht die Freiheit hat, Blut spenden zu dürfen, ist durchaus als Diskriminierung einzustufen. Oder wäre es auch in Ordnung bzw. keine Diskriminierung, wenn Flüchtlinge aus Afrika kein Blut spenden dürften in Deutschland, da in Afrika die HIV Rate nachweislich viel höher ist!

        de.wikipedia.org/w...HIV/AIDS_in_Afrika

        Und dort ist der heterosexuelle Geschlechtsverkehr der weitaus häufigste Übertragungsweg!

    • @Strolch:

      Wenn Sie schon die Deutsche Aidshilfe zitieren, dann aber bitte vollständig:

      "Schwule und bisexuelle Männer dürfen in Deutschland nur Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex mit einem Mann hatten. Diese Regelung ist diskriminierend. Das Verfahren muss sich an wissenschaftlichen Fakten orientieren und tatsächliche HIV-Risiken in den Blick nehmen. Verbesserungen bei Test-Verfahren und Befragung könnten einen pauschalen Ausschluss unnötig machen. "

      Quelle und weitere Details: www.aidshilfe.de/b...bisexuelle-maenner

      • @Felix Meran:

        Ich habe den Artikel zitiert.

        Inhaltlich ist bei Ihrem Zitat v.a. interessant, was die "verbesserten Testverfahren" bringen und was sie kosten.

        • @Strolch:

          Die verbesserten Testverfahren bringen Sicherheit und sind erschwinglich. Das haben doch bereits schon andere westliche Länder unter Beweis gestellt. Best Practice! Steht auch oben im Artikel: „Andere Länder wie Kanada, Großbritannien und Italien sind da weiter: Die Richtlinien wurden zugunsten von MSM geändert und das Risiko, sich an einer Blutspende zu infizieren, ist dort nachweislich nicht gestiegen“."