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Schuldebatte in Baden-WürttembergVirusmutation legt Schulstart lahm

23 Corona-Infektionen, darunter zwei mit Mutante, bringen die Schulöffnungs­pläne in Baden-Württemberg durcheinander.

Ob die Grundschulen in Baden-Württemberg wie geplant am 1. Februar öffnen werden, ist unklar Foto: Marijan Murat/dpa

Karlsruhe Berlin taz | Eigentlich wollte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwochnachmittag die Pläne vorstellen, nach denen in Baden-Württemberg ab kommender Woche Kitas und Schulen öffnen dürfen. Daraus wurde jedoch nichts: Wie die grün-schwarze Landesregierung wenige Minuten vor der geplanten Pressekonferenz mitteilte, sind landesweit acht neue Fälle von Virusmutationen entdeckt worden, darunter zwei an einer Freiburger Kita.

Noch sei unklar, um welche Mutation es sich handle, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Seit Dezember wurden in Baden-Württemberg sowohl die Mutation aus Großbritannien (B.1.1.7) als auch die aus Südafrika (B.1.351) festgestellt. An der Freiburger Kita gebe es zudem 21 weitere Infektionen, die möglicherweise auf eine Mutation zurückgehen.

Fakt ist: Die Absage der geplanten Schulöffnung – ab Montag sollten alle Grundschulkinder bei geteilten Klassen wieder Präsenzunterricht erhalten – dürfte den Streit über den richtigen Umgang mit den Schulen im Ländle und darüber hinaus weiter befeuern.

Wie emotional derzeit über die Schulöffnungen debattiert wird, zeigte der Auftritt von Kretschmann am Dienstagabend bei Markus Lanz. Mit sich überschlagender Stimme hatte er die Entscheidung, Schulen und Kitas zu öffnen, verteidigt. Baden-Württemberg habe seit Dezember strenge Regeln, darunter eine abendliche Ausgangssperre. Da sei es verantwortbar, die Lockdown-Regeln für Kinder unter 10 Jahren zu lockern. Allerdings hatte Kretschmann in der Sendung auch gesagt, falls die Mutation sich in größerem Ausmaß ausbreite, wäre das eine neue Lage. Ob das Bundesland nun Kitas und Schulen zulässt, beantwortete die Landesregierung bis Redaktionsschluss nicht.

Kretschmanns Timing kam nicht gut an

Schon vergangene Woche hatte Kretschmann angekündigt, Kitas und Grundschulen ab 1. Februar öffnen zu wollen, und damit eine Kontroverse ausgelöst. Vor allem das Timing des Grünen kam nicht überall gut an. Gerade hatten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen der Länder nach stundenlangem Ringen darauf geeinigt, Kitas und Schulen „grundsätzlich“ bis 14. Februar geschlossen zu halten. Gegen verbindliche, bundesweit geltende Regeln – etwa in Bezug auf das Infektionsgeschehen – hatten sich die Länder aber strikt gewehrt.

Tatsächlich lässt der Bund-Länder-Beschluss den Kul­tus­mi­nis­te­r:in­nen freie Hand. So sind etwa in Niedersachsen und Bremen, wo die Infektionszahlen am niedrigsten sind, Kitas und Schulen bereits geöffnet. Baden-Württemberg hat aktuell mit etwa 90 Infektionen pro 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen in den letzten 7 Tagen den drittbesten Wert. „Ich finde es richtig, wenn die Länder die Spielräume, die ihnen die Beschlüsse bieten, unterschiedlich nutzen“, verteidigte Kultusministerkonferenz-Präsidentin Britta Ernst am Montag das uneinheitliche Vorgehen.

Bei entsprechender Infektionslage seien Öffnungen ab Februar möglich, so Ernst. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hingegen warnte vor einer zu schnellen Öffnung. Ähnlich fordert die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, Birke Bull-Bischoff, gegenüber der taz, dass sich die Entscheidung „einzig und allein an Infektionswerten orientieren“ dürfe.

Auch in Kretschmanns Partei gibt es sehr unterschiedliche Meinungen: Grünen-Chefin Annalena Baerbock bezeichnete die Schulöffnungspläne im Südwesten am Mittwoch als „absolut richtig“. Sie begrüße die „klare Fokussierung“ auf die Grundschulen, die dabei Priorität haben müssten. Baerbock forderte aber auch, parallel zu anderen Sicherheitsmaßnahmen wie geteilten Klassen ausreichend Schnelltests für Leh­re­r:in­nen und Schü­le­r:in­nen bereitzustellen.

Trittin hält nichts von baldiger Schulöffnung

Weniger Verständnis zeigte Grünen-Urgestein Jürgen Trittin. Mit Blick auf Baden-Württemberg ätzte er schon vergangene Woche auf Twitter: „Die Propagandisten einer baldigen Schulöffnung müssen nur eine Frage beantworten: Wie viele Tausend Tote sind ihnen die Vermeidung später behebbarer Lerndefizite wert?“

Die Kritik zielte vor allem auf Kretschmanns Kultusministerin Susanne Eisenmann. Die CDU-Spitzenkandidatin für die anstehende Landtagswahl im März hatte sich früh für eine Öffnung von Schulen und Kitas nach den Weihnachtsferien ausgesprochen, und zwar „unabhängig von den Inzidenzzahlen“.

Anfang Januar hatte sie erneut deren Öffnung gefordert. Kretschmann widersprach damals: Keine Maßnahme solle unabhängig von den Inzidenzzahlen erfolgen. Er setze auf ein gemeinsames Vorgehen aller Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen, was ihm als Wahlkampfmanöver ausgelegt wurde. Bekanntermaßen scherte Kretschmann dann selbst aus.

Unklar ist bislang, wie ansteckend Kinder tatsächlich sind. Kretschmann stützt sich auf eine Studie der Universitätskliniken Ulm, Tübingen und Freiburg. Demnach seien Kinder seltener infektiös als ihre Eltern. Der Virologe Christian Drosten hatte diese Erkenntnisse immer wieder angezweifelt. Aus seiner Sicht gebe es keinen Grund für die Annahme, dass kleine Kinder weniger ansteckend seien.

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4 Kommentare

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  • 8G
    89598 (Profil gelöscht)

    @ Joan Manuel



    Danke :-) Differenzierte Konzepte und Feinabstimmungen, um Schule (und Kultur) zu öffnen, nicht weiter an die Wand zu fahren, mit schon jetzt unabsehbaren Folgen, sollte eben nicht pauschal als verantwortungslos abgestempelt werden, bevor damit mehr Erfahrungen vorliegen (die nur durch die Praxis generiert werden können). Zu Hause bleiben und Lebenssimulation online stärkt nebenbei nicht das natürliche Immunsystem - eine in der ganzen Krise sehr oft vernachlässigte Größe

  • Was heißt da gleicher Blödsinn? Warum sollen Büros frequentiert, Bildung und Kultur aber auf 0 runtergefahren werden? In Frankreich gab es im Schulbereich keinen zweiten Lockdown weder 2020 noch 2021, die Zahlen steigen moderat.



    Richtwert sollte die Belegung der Intensivstation sein, nicht die von manchen propagierte (imaginäre) Inzidenzzahl von 50! Es war 12 Monate Zeit um sich über coronagerechten präsenzunterricht Gedanken zu machen. Auch Kopschütteln.

  • > Daraus wurde jedoch nichts: Wie die grün-schwarze Landesregierung wenige Minuten vor der geplanten Pressekonferenz mitteilte, sind landesweit acht neue Fälle von Virusmutationen entdeckt worden, darunter zwei an einer Freiburger Kita.

    Ja, wer hätte das gedacht! un-glaub-lich! Das mutierte Virus breitet sich ja einfach so aus, als wenn man gar nichts dagegen getan hätte! So ein Pech!!

    Bleibt nur noch die Frage, um welche Mutation es sich handelt - um B.1.1.7. die sich besonders schnell ausbreitet, und wegen der in Israel gerade eine Intensivstation für Kinder eröffnet wurde, oder um die "brasilanische" Variante P.1, die auch Leute schon mal infiziert, die den Virus schon hatten, oder die "südafrikanische" Variante 501Y.V2, die die menschliche Immunantwort zum Teil lahm legt und den erhofften Quick Fix mit den Impfungen, der angesichts der Zeitskalen sowieso keiner ist, vereiteln könnte.

    Werfen wir mal einen Blick in die Geschichte, um vorherszusagen, was als Nächstes passiert. Am 28. Januar 2020 wurde in Deutschland, nach vier Wochen Diskussion, die erste Coronainfektion festgestellt - wie neulich bei den mutierten Fällen in Rendsburg und Flensburg. Am 12. Februar 2020 hiess es dann, man habe alles in Griff, bei 12 - 14 Infektionen - wie letzte Woche bei den Mutationsfällen in Berlin und München. Mitte März, also keine 6 Wochen später, wurde dann, völlig überraschend!!, ein landesweiter harter Lockdown nötig.

    Jetzt haben wir den 27. Januar.

    PREISFRAGE: Was passiert nun völlig vorhersehbarer Weise ungefähr bis zur ersten Märzwoche?

  • 23 Corona-Infektionen, darunter zwei mit Mutante, bringen die Schulöffnungs­pläne in Baden-Württemberg durcheinander.



    #



    Wollen wir den gleichen Blödsinn wie im Frühsommer 2020 wieder starten? Über Lockerungen zu reden, die viel zu früh kommen?



    Klar sind Schulschließungen eine Zumutung, sind wie ein "Gipsbein" für die Kids. Aber den "Gips" zu früh abzunehmen, bringt doch nichst.



    Nach ein paar Wochen gibt es dann wieder Probleme.



    Kopfschüttelnd Sikasuu