Kindergeldaffäre in den Niederlanden: Regierung tritt zurück
Tausende Familien gerieten durch falsche Betrugsvorwürfe in finanzielle Not. Bis zur Wahl im März bleibt die Regierung kommissarisch im Amt.
In einer Pressekonferenz in Den Haag erinnerte Premier Mark Rutte an das „beispiellose Unrecht“, das den betroffenen Eltern angetan worden sei. Der Rechtsstaat habe der Norm, die Bevölkerung vor einer allmächtigen Verwaltung in Schutz zu nehmen, nicht entsprochen. Dafür trage seine Regierung die volle Verantwortung. Weil das gesamte System versagt habe, trete die gesamte Koalition zurück.
Den betroffenen Eltern versicherte Rutte, dass die angekündigte Entschädigung schnell umgesetzt werde. Weiterhin sagte er, das System staatlicher Zuschüsse müsse vollständig erneuert werden. Nach der Pressekonferenz teilte Rutte den Rücktritt König Willem-Alexander mit.
Die Vier-Parteien-Koalition, zu der neben Ruttes rechts-liberaler Partei VVD die Christdemokraten (CDA), die liberalen Democraten66 (D66) sowie die calvinistische ChristenUnie (CU) zählen, bleibt nun zunächst kommissarisch im Amt. Hintergrund ist nicht nur, dass bereits Mitte März in den Niederlanden Parlamentswahlen stattfinden, sondern auch die Corona-Pandemie. “Unser Kampf gegen das Virus geht weiter“, so Rutte am Freitag. Dies gelte auch für die staatlichen Unterstützungspakete für schwer getroffene Branchen.
Kritik auch wegen Umgang mit Corona
Wirtschaftsminister Eric Wiebes wird dagegen auch kein Teil der kommissarischen Regierung mehr sein. In der liberal-sozialen Vorgängerregierung war er als Staatssekretär der Finanzen für die Steuerbehörde verantwortlich. Bereits einen Tag zuvor war schon Lodewijk Asscher, designierter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, zurückgetreten – der damalige Sozialminister. Damit hatte er den Druck auf die Regierung erhöht.
In der Kritik steht das nun abgetretene Kabinett zudem wegen einer zögerlichen Coronabekämpfung. Als letztes EU-Land begannen die Niederlande Anfang Januar mit Impfungen. In den Umfragen liegt Ruttes VVD dennoch vorne – vor der rechtspopulistischen Freiheitspartei und den Christdemokraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Folgen des Ampel-Aus für die Miete
Leerstelle Mieterschutz