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Wissenschaft und GesellschaftDie Zweifler werden mehr

Das gute Image der Wissenschaft schwindet wieder. Ein Umfrage zeigt: Nur noch 60 Prozent der Bevölkerung haben „volles Vertrauen“.

Äußerst glaubwürdig: Die Mehrheit der Deutschen vertraut der Wissenschaft und Forschung Foto: Zahn/photothek/imago

Das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Wissenschaft hat seinen Höhepunkt überschritten und nimmt wieder ab. Das ergibt sich aus dem neuesten „Wissenschaftsbarometer“, das von der Kommunikationsagentur “Wissenschaft im Dialog“ am Donnerstag vorgestellt wurde. Nach der repräsentativen Umfrage haben derzeit 60 Prozent der Deutschen „volles Vertrauen“ in die Wissenschaft beziehungsweise vertrauen ihr „eher“, also überwiegend.

Im April, während des ersten Coronalockdowns, lag die Zustimmung zur Wissenschaft bei 73 Prozent, so hoch wie noch nie. Einen Monat später, im Mai, war die Vertrauensquote schon auf 66 Prozent abgesunken. Für die neue Untersuchung hatte das Meinungsforschungsinstitut Kantar Anfang November 1.016 Personen telefonisch befragt. Wissenschaft im Dialog (WiD) wird von den deutschen Wissenschaftsorganisationen getragen.

Auf der anderen Seite der Skala hat es bei den Befragten, die der Wissenschaft misstrauisch gegenüberstehen, keine Veränderung gegeben – ihr Anteil verharrt bei 7 Prozent. Entscheidend ist, dass sich in den letzten sechs Monaten der Anteil der Unentschiedenen von 20 auf 30 Prozent wieder vergrößert hat. Die rasanten Fortschritte der Impfstoffforschung haben also nicht zu einem parallelen Vertrauenszuwachs in der Bevölkerung geführt.

40 Prozent vermuten verschwiegenes Wissen

Vor allem die Antworten zum Coronakomplex sind teilweise besorgniserregend. 66 Prozent halten zwar den gegenwärtigen Kurs der Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung für richtig. Aber was die Forschung angeht, sind 40 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die „Wissenschaftler uns nicht alles sagen, was sie über das Coronavirus wissen“. 15 Prozent sind sogar der Auffassung, „dass es keine eindeutigen Beweise für die Existenz des Virus gibt“. Wer dieser Meinung ist, geht auch schon mal maskenfrei zu „Hygiene-Demos“ auf die Straße.

Und die Zahl, die am meisten alarmieren muss: Nur 55 Prozent der Befragten des Wissenschaftsbarometers erklären, „dass sie sich wahrscheinlich impfen lassen, wenn es im nächsten Jahr einen in Deutschland zugelassenen Impfstoff gibt“. 29 Prozent wollen sich wahrscheinlich nicht impfen lassen und 15 Prozent sind unentschlossen.

„Dass weiterhin so viele Menschen der Wissenschaft vertrauen, zeigt, wie gut der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in der Pandemie funktioniert“, kommentierte WiD-Geschäftsführer Markus Weißkopf die Zahlen. „Allerdings sollte uns eine relativ hohe Anzahl an Unentschiedenen und Zweifelnden beunruhigen“, so Weißkopf weiter: Die Wissenschaft müsse sich daher „noch stärker öffnen und auch mit denjenigen ins Gespräch kommen, die unsicher sind“.

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5 Kommentare

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  • Tja, sicher haben auch die vielen ungesühnten "Dr. ex" der Politik ihren Anteil daran.

    Aber auch so manch' ehrlich erworbene akademische Grad gereicht der Wissenschaft nicht zum Ruhme.

    Ich denke da z.B. an Prof. em. Dr. rer. pol. Jörg Meuthen.



    ...auch wenn man in den Medien auf die Nennung der Titel grade bei Prof. Meuthen gerne mal verzichetet.

    Dann ist mir noch der Fall der ACHT Doctores im Hinterkopf, denen die Uni Münster die Titel aberkannt hat ...

  • "Die Wissenschaft" (vlt. besser: die Wissenschaftler) verhält (verhalten) sich genau wie die EU: beide halten sich für unumstösslich und dauerhaft. Daher verteidigen sie sich nicht. Selbstgefällig halten sie sich für selbstverständlich. Und übersehen dabei, dass im Zeitalter des Intelligenzverlustes Quatschnachrichten sich rasendschnell verbreiten, während solche seriöser Art im Schneckentempo verbreitet werden. Ich kann mich nicht mehr an die genauen Zahlen erinnern, aber ich meine, die Nachricht "Der Papst ruft zur Wahl Trumps auf" wurde über eine Million mal geteilt, während die Richtigstellung noch 50.000 mal geteilt wurde, also eine viel geringere Anzahl Menschen erreichte. Der Aufreger verbreitet sich schneller als der Abreger, das entspricht dem Reaktionsmuster des menschlichen Nervensystems. Wer sich darauf verlässt, mit unaufgeregter Info die Menschen zu erreichen, die auf Horror und Panikmache naturgemäss viel schneller reagieren, der handelt naiv. Sollte gerade der Wissenschaft nicht passieren. Sonst kriegen wir nach dem Brexit noch den Verstandesexit.

  • Wie schade. Aber die Berichterstattung über Wissenschaft in diesem Jahr hat auch ein völlig verzerrtes Bild von Wissenschaft geliefert.

    Es ist in der Wissenschaft ja in Wirklichkeit so, dass der Primat der Evidenz gilt, darüber hinaus jedoch ein fachlicher Disput stattfinden, ein Ringen um Wahrheit, das immer wieder mit Evidenz abgeglichen wird.

    Schaue ich mir die Berichterstattung an, so erscheint es so, als gäbe es eine absolute Meinung in der Wissenschaft, und die würde von einem Starwissenschaftler gepredigt.

    Wäre Wissenschaft so, dann wendeten sich die Leute zurecht ab. Tatsächlich leistet Wissenschaft weit mehr als das Predigen von Wahrheit je für die Gesellschaft tun könnte.

    Wissenschaft basiert auf Skeptizismus. Menschen, die zweifeln, kann man mit der wissenschaftlichen Methode ja am leichtesten erreichen.

    Schade, dass das nicht genutzt wird.

  • Wissenschaft stößt bei Leuten, denen Glaube wichtiger ist als Fakten, immer auf Skepsis. Das ist die gemeinsame Klammer der Ichlinge von "Querdenken" (übrigens das erste Mal, dass Leute sich selbst als Querdenker bezeichnen), extremistischen Christen und den Jüngern von Trump.



    Dass die Sache mit dem "Es gibt keinen Beweis für..." inzwischen bei Corona angekommen ist, ist allerdings ziemlich erheiternd. Oder erschreckend ....

    Wo man jedenfalls früher auf ein "keine Ahnung, interessiert mich nicht" stieß, trifft man heute häufig auf "Experten", deren Wissen im besten Fall aus Wikipedia stammt, meist aber von Seiten wie dem Kopp-Verlag.

    Meines Erachtens ist die Entwicklung sozusagen der Fleisch gewordene Dunning-.Kruger- Effekt

  • Eines ist korrekt: die meisten WissenschaftlerInnen wissen mehr als sie sagen.

    Ansonsten scheint es so, dass die monatlichen (? oder wöchentlichen oder täglichen) Befragungen doch nicht so den breiten Ansatz der Wissenschaft Rechnung tragen, sondern sich auf Corona beziehen, wodurch die jeweilige persönliche Lage ganz großen Einfluss nimmt. Fazit. Benötigt man solche Umfragen?