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Schutz der MeereRettet Ozean und Klima

Gastkommentar von Sebastian Unger

Die Weltmeere regulieren das Klima, sie geraten aber zunehmend selbst in Not. Sie zu schützen, zahlt sich ökologisch und ökonomisch langfristig aus.

Durch die Wiederherstellung von Korallenriffen ließen sich auch Treibhausgase binden Foto: Jenna Szerlag/imago

D er ehemalige US-Außenminister John Kerry soll den Klimaschutz wieder zur Priorität der US-Außenpolitik machen. Darüber hinaus sind von ihm neue Impulse für den Meeresschutz zu erwarten. Bereits 2014 begründete Kerry die jährlichen „Our Ocean“-Konferenzen, die sich unter seiner Ägide zum internationalen Motor für den Schutz des Ozeans entwickelt haben.

Gemeinsam mit Umweltstiftungen setzt sich der Top-Klimadiplomat für ein weltweites Netzwerk von Meeresschutzgebieten ein. Dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borell, ebenfalls eine neue transatlantische Agenda für globalen Wandel vorschlagen, trifft sich gut.

Diese sieht neben Klimaschutz und Pandemie-Bekämpfung gemeinsame Anstrengungen im Meeresschutz vor, wie etwa ein globales Abkommen gegen die Meeresvermüllung oder die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in der Antarktis.Denn Klima und Ozean sind auf das engste miteinander verzahnt. Der Ozean nimmt etwa ein Viertel des in die Luft freigesetzten CO2 wieder auf und speichert über 90 Prozent der durch den Menschen freigesetzten Wärme.

Bisher verlangsamt er so den Klimawandel und damit auch seine Folgen für die Menschheit. Doch der Ozean ist an seiner Belastungsgrenze. Die Meeresökosysteme nehmen bereits erheblichen Schaden, warnt der Weltklimarat IPCC im „Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima“. Zur Meeresverschmutzung, insbesondere durch Plastikmüll, zur Überfischung und Vernichtung wichtiger Arten und Lebensräume kommen die negativen Auswirkungen des Klimawandels hinzu:

Sebastian Unger

ist Biologe und Politikwissenschaftler mit 15 Jahren Berufser­fahrung in internationaler Meerespolitik. Er leitet die Arbeit am Potsdamer ­Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung. Seinen Schwerpunkt bilden globale Governance-Prozesse für die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Meere.

Meeresspiegelanstieg, Wassererwärmung und die mit steigender CO2-Konzentration einhergehende Versauerung des Ozeans. Zwei Drittel der Meere wurden bereits stark vom Menschen beeinträchtigt, so der Weltbiodiversitätsrat IPBES. Nur wenn Klimaschutz und Erhalt des Ozeans gemeinsam vorangebracht werden, wird sich daran etwas ändern. Neben ehrgeizigem Klimaschutz muss dafür die Widerstandsfähigkeit der geschwächten Meeresökosysteme gestärkt werden.

In der Meeresforschung besteht Einigkeit, dass dafür möglichst große Meeresflächen unter einen strengen Schutz gestellt werden müssen. Um die Überfischung zu beenden, sollten die Bestände nachhaltig und naturverträglich bewirtschaftet werden. Dafür müssen Fischereisubventionen abgebaut, aber auch Überkapazitäten reduziert und illegale beziehungsweise die Lebensräume schädigende Fischereipraktiken verhindert werden.

Durch die Wiederherstellung von Mangroven, Seegraswiesen und Korallenriffen ließen sich nicht nur wichtige Lebensräume für bedrohte Tierarten zurückbringen, sondern zugleich auch Treibhausgase binden. Außerdem wären die Küsten gegen steigende Meeresspiegel und heftigere Stürme widerstandsfähiger. All dies wäre ein Gewinn nicht nur für Meeresnatur und Klima, sondern auch für die direkt davon abhängigen Menschen:

Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Küstenregionen und gut jeder dritte Mensch nutzt den Ozean als wichtige Nahrungsmittelquelle. Dass sich Schutz und nachhaltige Nutzung der Meere ökonomisch langfristig auszahlen, hat jetzt eine Gruppe von Regierungschefs aus 14 Ländern anerkannt – darunter wichtige maritime Nationen wie Chile, Indonesien, Japan, Kanada, Kenia oder Norwegen, aber auch kleinere Inselstaaten wie Fidschi und Palau.

Denn nur wenn der Klimawandel möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann und es gleichzeitig gelingt, die Meeresnatur effektiv zu schützen, wird der Ozean auch dauerhaft Beiträge zur Ernährungssicherheit, Armutsbekämpfung, Energieversorgung oder Gewinnung neuartiger Stoffe für die Pharmaindustrie liefern können. Gemeinsam hat die Gruppe der 14 Länder angekündigt, dass sie bis zum Jahr 2025 100 Prozent ihrer nationalen Gewässer nachhaltig bewirtschaften werden.

Mangroven, Seegraswiesen und Korallenriffe

Zudem möchte man mindestens 30 Prozent der weltweiten Meeresgebiete bis 2030 unter Schutz stellen. Hauptantrieb dieser „G14 der Meere“ ist eine langfristige und nachhaltige Nutzung des Ozeans, dessen jährlicher Beitrag zur weltweiten Wirtschaftsleistung auf etwa 1,5 Billionen US-Dollar geschätzt wird. Auch wenn dieser Pakt für Meeresschutz erst ein Anfang sein kann: Das Besondere ist, dass hier auch Staaten mit im Boot sind, die bisher kaum als Vorkämpfer für Meeresschutz in Erscheinung getreten sind.

Für die EU, die seit Jahren für den Schutz des Ozeans eintritt, bietet sich jetzt die Gelegenheit für Allianzen, um Fortschritte für Ozean und Klima zu erzielen. Denn nach einer fast einjährigen Covid-19-bedingten Pause stehen 2021 in der globalen Umweltpolitik eine Reihe wichtiger Entscheidungen an. Neben ambitionierten Reduktionsverpflichtungen und nationalen Umsetzungsplänen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens sollen übergeordnete UN-Naturschutzziele für die nächsten zehn Jahre festgelegt werden.

Und die seit Jahren laufenden Verhandlungen über ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt auf der Hohen See stehen vor dem Abschluss. Daher sollte die Bundesregierung den Schutz des Ozeans auf die Tagesordnung ihres Klimakabinetts setzen und mit den EU-Partnern auf John Kerry und andere Vorreiter zugehen und gemeinsame Initiativen vorschlagen.

Nur wenn es gelingt, mit gutem Beispiel voranzugehen und bisher blockierende Staaten wie China oder Russland von der Notwendigkeit einer Transformation im Umgang mit dem Ozean zu überzeugen, wird es möglich sein, fatale Folgen für Ozean und Mensch zu vermeiden. Der Neustart in den transatlantischen Beziehungen und die wachsende Handlungsbereitschaft vieler Staaten könnte die letzte Chance für eine rechtzeitige Wende sein.

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