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Kooperation von Verlagen mit GoogleZugreifen oder verzichten

Mit dem „News Showcase“ testet Google ein Angebot für Presseverlage, ihre Texte zu vermarkten. Die Kooperation wirft Fragen auf.

Das große Suchen: Google Foto: Eric Gaillard/reuters

Der Technologiekonzern Google wird in den nächsten drei Jahren weltweit 1 Milliarde Dollar in Journalismus investieren. Das Projekt „Google News Showcase“ startet in Brasilien und Deutschland, 20 deutsche Verlage sind dabei. Wie viel von dem Geld bei ihnen ankommt, ist unbekannt. Was man hingegen weiß: Redaktionen werden ihre Artikel in übersichtlichen Kacheln zusammenfassen und damit Googles eigene News-App bespielen. Damit möchte das Unternehmen keineswegs nur die Presse fördern. Es greift auch einem kommenden Leistungsschutzrecht vor. Um ein solches Gesetz streiten sich die Verlage und Google seit Jahren. Es soll Google verpflichten, Geld an die Verlage zu zahlen, wenn es deren Texte oder Textausschnitte bei Google News anzeigt.

Das dürfte nun obsolet werden: Mit der Teilnahme der Verlage an Googles neuem Programm Showcase dürften die Lizenzansprüche abgegolten sein. Dass die Verlage kaum anders können, als Geld von Google zu nehmen, ist teils hausgemacht. Bis heute haben es viele Verlage nicht vermocht, funktionierende Finanzierungskonzepte für ihren digitalen Journalismus zu finden.

„Diese interessante neue Partnerschaft mit Google versetzt uns in die Lage, unseren preisgekrönten Journalismus mit kuratierten Geschichten in ein neues Format einzubringen“, heißt es vom Spiegel. Und bei der FAZ freut man sich über die Möglichkeit, „unseren Qualitätsjournalismus noch mehr Lesern vorzustellen, die eventuell zu treuen Lesern und Abonnenten werden“. Welche Konflikte und Abhängigkeiten sich aus dieser Partnerschaft ergeben, dazu kein Wort. Dabei ist die Beziehung zwischen Google und den Presseverlagen schon lange in der Krise.

Nicht zuletzt, weil die Suchmaschine neben Facebook den Großteil der erzielbaren Werbeeinnahmen für journalistische Inhalte im Internet an den kriselnden Verlagen vorbei verdient. Google wehrt sich seit Jahren dagegen, den Verlagen von diesen Einnahmen Lizenzgebühren abzugeben. Googles Argument: Die Verbreitung der journalistischen Texte über Google News spült den Verlagen viele LeserInnen zu und steigert deren Reichweite. Bis auf Springer mit seinen großen Publikationen Bild und Welt, die Süddeutsche Zeitung und die taz nehmen fast alle größeren Medienhäuser am Google News Showcase teil. Die taz befindet sich jedoch im Austausch mit Google zu dem Projekt, die Mutterholding der SZ nach eigenen Angaben ebenfalls.

Kein zufälliger Zeitpunkt

Der mächtige Technologiekonzern Google knickt also scheinbar ein – nach Jahren der Zahlungsverweigerung und nur wenige Monate vor der Durchsetzung einer EU-Richtlinie zur Abgabe von Lizenzgebühren an Verlage. Das sei allerdings kein zufälliger Zeitpunkt, sagt Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion: „Google bereitet mit dem News Showcase sozusagen schon mal das Terrain vor, um der drohenden medienpolitischen Regulierung etwas entgegenzusetzen.“

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung mit dem Titel „Medienmäzen Google“ zu den bisherigen Engagements des Technologiekonzerns im Journalismus kommt zu dem Schluss, „dass die Förderinitiativen Googles stets unter dem Eindruck steigenden politischen Drucks zustande kamen“.

Die Studie wurde nur von Medien aufgegriffen, die nicht an dem Showcase teilnehmen. Dass Medien in ihrer gegenwärtigen Vertrauenskrise nicht offensiver mit der neuen Partnerschaft umgehen, muss mindestens irritieren. Und die fehlende Kritik derer, die nicht Teil des Showcase sind, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Auf Nachfrage sagt der Spiegel: „Zahlreiche Verlage haben viele Jahre Lizenzzahlungen von großen Playern gefordert, wieso sollten wir sie nunmehr ablehnen?“

Anfragen in alternativen Suchmaschinen fördern zwei umfängliche und kritische Texte auf dem Onlineportal der Welt zutage. Die tauchen in der Google-Suche bei der Verwendung der naheliegenden, weil in den Texten thematisierten, Suchbegriffen „Google News“ bzw. „Google News Initiative“ nicht auf. Zur Erinnerung: Die Welt nimmt nicht an dem Google-Projekt teil. Während einer der Texte bei den Suchmaschinenkonkurrenten Yahoo und Bing, die freilich nur Promillemarktanteile im Vergleich zum Quasimonopolisten Google erzielen, an erster und sechster Stelle auftaucht, findet Google mit den gleichen Suchbegriffen den Artikel überhaupt nicht.

Das ist vor allem merkwürdig, weil Springer-Publikationen dort für gewöhnlich weit oben gelistet werden, kann aber verschiedene Gründe haben. Welche das sein könnten? Google ist für die Presse nicht leicht zu erreichen. Nach Anfragen auf drei Kanälen meldet sich Deutschland-Sprecher Ralf Bremer. Am Telefon schließt er immerhin einen Eingriff in Suchergebnisse aus. Die Europäische Kommission verhängte in der Vergangenheit bereits mehrfach Milliardenstrafen gegen Google, etwa „wegen der Vorzugsbehandlung seines Preisvergleichsdienstes“ oder wegen des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung, wie die Behörde auf ihrer Internetseite schreibt. Google klagt dagegen.

Ein großes Problem bei Kooperationen mit Google ist: Sie sind intransparent. Der Konzern hüllt sich in Schweigen. Niemand außerhalb des Unternehmens kennt dessen langfristigen Pläne. Ein Insider aus einem Verlag, der ein aktuelles Showcase-Angebot des Technologiekonzerns diskutiert, berichtet, dass die Partnerschaft jederzeit einseitig mit Monatsfrist gekündigt werden kann. Also gibt es auch keinen Geldsegen, mit dem sich langfristig planen ließe. Wer weiß, was Google morgen vorhat?

Ein großes Problem bei Kooperationen mit Google ist: Sie sind intransparent

Diese Unberechenbarkeit zeigt sich aktuell. Für das Gesundheitsportal ­gesund.bund.de arbeitet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) während der Pandemie mit Google zusammen. Wer zurzeit eine von 160 Krankheiten googelt, bekommt sehr prominent Informationen von gesund.bund.de angezeigt – also Nachrichten direkt aus dem Ministerium. Die Presseverlage und Branchenverbände sehen sich dadurch benachteiligt und reagierten empört. Nur empören sich vor allem die besonders laut, die vorher stumm Googles Geld genommen hatten.

Die zuständige Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein prüft derweil die Einleitung eines Verfahrens wegen der Kooperation zwischen Google und dem BMG. Der neue Medienstaatsvertrag hält dafür passende Werkzeuge bereit, die auch beim News Showcase greifen könnten, sollte sich eine Publikation in ihrer Auffindbarkeit diskriminiert fühlen – etwa ein kleiner Verlag, der erst gar nicht gefragt wurde, ob er an dem News Showcase teilnehmen möchte. Der betroffene Anbieter müsste einen solchen Verstoß dann bei der zuständigen Landesmedienanstalt melden. So könnte Google verpflichtet werden, die Verträge mit Verlagen offenzulegen.

Google dringt in alle Bereiche vor

Es bedarf einer öffentlichen Debatte. Schließlich wollen die Verlage auch weiterhin Geld von ihren Leser*innen, da sollten diese wenigstens darüber informiert werden, mit wem sie sich die Kosten für den Journalismus teilen.

Und die Branche sollte sich gut überlegen, wie sehr sie sich der Monopolmacht Googles anbiedert. Jüngst hat Google mit dem Handelsverband Deutschland die „Initiative Zukunft Handel“ vorgestellt – kleine Einzelhändler mit Präsenzgeschäften sollen damit unterstützt werden. Der Konzern dringt rasant in quasi alle Lebensbereiche vor. Da sollte vor allem der Journalismus Distanz wahren und ganz genau hinsehen.

Transparenzhinweis: Ein Projekt des taz-Verlags ist in der Vergangenheit einmal von Google finanziell gefördert worden. Für die Verbesserung der freiwilligen Zahloption „taz zahl ich“ erhielt der Verlag 2017 von Google etwas über 100.000 Euro.

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5 Kommentare

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  • Eine m. E, in einigen Schlüsselaspekten sehr zutreffende Analyse, die nach meinem Eindruck jedoch auch hier im Forum missverstanden wird: Die "Teaser" auf Google hießen Snippets, die einfach nur als kurzer Textauszug dem Suchenden Gelegenheit der Einschätzung bot, wo er fündig werden könnte. Das direkt Werbung zu nennen und Vergleiche daraus abzuleiten, geht z. B. fehl.



    Entscheidend ist m. E. der Befund im Beitrag, dass die Branche ihr Tafelsilber, im Neusprech mit Content längst als "Ramschware" gebrandet, von Anbeginn an von allen wild ins Netz gekippt wurde - hatte man ja schon, kostete ja nix (zusätzlich zu den technischen Aufwendungen für die Websites). Geschäftsmodelle: Fehlanzeige...



    Ebenso schlüssig der Befund, dass Google in Salamischeibchen-Taktik nun "nachgibt" in Folge politischen Drucks - und dabei neuerlich geschickter agiert, als Vertreter der Verlagswelt. Deren big player - siehe Welt - da ja nicht mitmachen. Haben die schon in der Vergangenheit geschickter agiert? Ich erinnere mich gut an die Position, schon die erwähnten Snippets als schützenswertes geistiges Eigentum zu deklarieren in den Forderungen nach einem "Leistungsschutzrecht" - einschließlich der Diskussion, was dies mit der Zitierfreiheit anrichten könne. Und ich erinnere mich noch gut eines gewissen Dr. Döpfner, der eine nicht unwesentliche Rolle bei der Forderung nach dem LSR gespielt hat. Diese Position hat es Google nur sehr leicht gemacht, zu kontern. Stupid, what? Ohne uns hättet Ihr doch nicht den Bruchteil jenes Traffics auf Eurer Site, die euren Vertrieb für online-Werbung erst stützen. Paaf - das saß...



    Dabei hätte man doch einfach mal vergleichen können, wie's sonst in der Onlinebranche-läuft: Konversion bringt die Kohle! Klickt einer auf einer auch nur privaten Site auf einen Link bspw. zum Flußdelta und schließt dort einen Kauf ab, fließt eine kleine Provision. Natürlich lebt Google durch Netzinhalte - aber wurde auf dieser Basis verhandelt? Stattdessen Maximalforderungen.

    • @Frankys:

      OK, Snippet, auch gut. Was bleibt, es handelt sich um einen, höchstens zwei Sätze. Wem das reicht, schön. Die anderen werden auf den Link klicken und einen Artikel sehen, den sie sonst kaum gefunden hätten. Es ist an den Verlagen , daraus etwas für sich zu machen. Wenn sie dafür zu blöd sind, ist das Google anzulasten?



      Natürlich profitiert Google auch. Sie bieten aber auch eine Leistung dafür. Es gibt auf dem Markt weit mehr Zeitungen als ich jemals verfolgen könnte. Wenn mich jetzt ein Thema interessiert, ist Google für mich der Weg, auf gute Artikel zu stoßen, die ich sonst nie gefunden hätte. Übrigens: auf dem Weg bin ich als Nicht-Linker zum Taz-Abonnenten geworden. Wäre ohne Google und ohne mehrere treffende Hinweise sicher nie passiert.

  • Es werden bi Google keine Texte gezeigt, sondern Teaser -- Werbung. Dafür zu zahlen ist, als würden die Fernsehkanäle die Waschmittelhersteller für die Filmunterbrechungen bezahlen. Google könnte den Verlagen Leser bringen. Woran es mangelt, ist ein vernünftiges Mikropayment, idealerweise per aufladbarem Prepay. Ansätze gab es seit Jahrzehnten, aber nie konnten sich genug Anbieter auf ein gemeinsames System einigen. (Auf wievel verschiedenen Konten habe ich Einzahlungen wohl vergessen?) Bei so viel Unfähigkeit sollen sie bitte jetzt nicht jammern. Gäbe es das, ich läse zahlreiche Artikel meiner Lokalzeitung hinter der Bezahlschranke. Gut möglich, daß dabei in einem Monat spürbar mehr zusammenkäme als deren fester Monatssatz. Aber der ist und bleibt mir zu hoch, um im voraus die Katze im Sack zu kaufen. Die Taz macht es besser, und bei der bin ich inzwischen Abonnent.

  • Danke für diesen Artikel. Google ist nicht zu trauen.

    Dass die Medien die Studie der Otto-Brenner-Stiftung verschweigen, wenn sie an Showcase teilnehmen zeigt, wie so etwas subtil, aber einschneidend wirken kann. Und dass kritische Artikel über die Google-Suchmaschine nicht auffindbar sind... honni soit usw. usf.

    Dazu kommt, dass Google nicht nur im "backend" dominiert, sondern dass sie (über Chrome und Android) eine dominante Position bei den "Endgeräten" der Consumer haben.

    Das kann nicht gut gehen.

    (Und nein, ich sehe nicht nur bei Google ein Problem: das Muster ist im globalisierten Internetkapitalismus durchgehend: the winner takes all).

    Dass die Presse da mitmacht: bitter.

  • Ein milliardenschwerer Konzern, dessen Geschäftsmodell auf dem milliardenfachen Verletzen des Menschenrechts auf Privatheit basiert, bezahlt die Presse.

    What could possibly go wrong?