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Polizeieinsatz im Dannenröder ForstKlimaaktivistin außer Lebensgefahr

Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen einen Polizeibeamten. Er soll den Sturz einer Waldbesetzerin verursacht haben.

Polizeibeamte vor einer Dreibein-Plattform im Dannenröder Forst Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Frankfurt am Main taz | Bei Bewusstsein und ansprechbar: Die Baumbesetzerin, die am Sonntag während des Protests gegen den Ausbau der A49 im hessischen Dannenröder Forst schwer verletzt wurde, schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Das erfuhr die taz von der Staatsanwaltschaft Gießen.

Die Klimaaktivistin war von einer fünf Meter hohen Dreibein-Plattform gestürzt. Nach Angaben der Behörden wurde die Aktivistin von PolizeibeamtInnen geborgen, notärztlich versorgt und im Krankenhaus behandelt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen einen Polizeibeamten, der den Sturz durch Kappen eines Seiles verursacht haben soll.

Bereits unmittelbar nach dem Vorfall machten AktivistInnen die Polizei für den Unfall verantwortlich. Immer wieder hätten in den vergangenen Tagen BeamtInnen „klar gekennzeichnete Sicherungsseile“ gekappt und damit Menschen gefährdet, kritisierte die Klimaaktivistin mit dem Decknamen Scully für das Bündnis Ende Gelände.

„Die Polizei hat seit Beginn der Räumungs- und Rodungsarbeiten im Herrenwald, im Maulbacher Wald und nun auch im Danni bereits mehrfach bewiesen, dass es zur riskanten und bewussten Gefährdung von Aktivist*innen kommt“, so Scully. Der Sturz zeige einmal mehr, wie gefährlich der Polizeieinsatz sei. Am Sonntagnachmittag kam es im Dannenröder Forst zu spontanen Demonstrationen gegen den Polizeieinsatz.

Die Polizei bestritt Verantwortung zunächst

Die Polizei hatte in einer ersten Pressemitteilung jede Verantwortung zurückgewiesen. Auch auf Twitter kommunizierte sie das so. „Unsere Einsatzkräfte haben aus der Distanz beobachtet, wie eine Person von einem Tripod abstürzte“, hieß es dort. „Direkter Kontakt zu der Person bestand dabei nicht.“

Keine 24 Stunden danach musste die Behörde sich korrigieren und einen Zusammenhang zwischen polizeilichen Aktivitäten und dem Unfall einräumen. In einer gemeinsamen Erklärung teilten die Staatsanwaltschaft Gießen und die Polizei am Montag mit, gegen einen 40-jährigen Polizeibeamten werde jetzt ermittelt.

Der Mann habe sich „etwa 30 Meter vom besagten Tripod entfernt aufgehalten und dort ein Seil auf Kopfhöhe endeckt“, so die neue Presseerklärung. Dieses Seil sei weder gekennzeichnet gewesen noch habe es „eine erkennbare Verbindung mit dem besetzten Gebilde“ gehabt.

„Nach jetzigem Erkenntnisstand bestand jedoch tatsächlich eine Verknüpfung zwischen dem Seil und dem Tripod“, deshalb werde jetzt wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt ermittelt. Es gebe aber „keinerlei Hinweise auf ein vorsätzliches Handeln des Beamten“.

Linkspartei: „Rodungen müssen sofort gestoppt werden“

Die Entfernung des Seils erklären die Behörden mit bisherigen Erfahrungen. In den vergangenen Tagen habe die Polizei mehrfach „Fallen in Form von Nagelbrettern, Nageleimern, aber auch Drahtseilen in Kopfhöhe festgestellt, die grundsätzlich geeignet sind, Gefahren für Leib und Leben von Menschen zu begründen“. Zur Verhinderung von solchen Risiken habe der Beamte, der sich „eigeninitiativ im Laufe des gestrigen Nachmittags bei den Ermittlern gemeldet“ habe, das Seil durchtrennt.

Zwei Tage vor dem Zwischenfall hatte der örtliche Landtagsabgeordnete Jan Schalauske, Vizechef der Wiesbadener Linken-Landtagsfraktion, vor Sicherheitsrisiken gewarnt. Er selbst und andere parlamentarische Beobachter hätten wiederholt erlebt, dass die nötigen Sicherheitsabstände bei Rodungen im Wald nicht eingehalten würden.

„Dieser Zwischenfall muss jetzt ergebnisoffen und unabhängig untersucht werden“, sagte Schalauske der taz. Um eine Eskalation zu verhindern, sei es das Beste, die Rodungen sofort zu stoppen, so der Linke.

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18 Kommentare

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  • Das seil war markiert, das habe ich mehrfach in den Tagen davor gesehen! Reicht ein Schild nicht (Nicht durchtrennen sonst stürtzt ein Mensch ab)? Die Seile auf Kopfhöhe, sind eigentlich höher und deutlich durch Flatterband und Schilden markiert ( die menschen im Wald, sind im dunkeln unterwegs und gefährden sich doch nicht selber), in der Regel hängt dort ein sicherungsseil dran wo wiederum ein Mensch dran hängt!



    Was ich in den letzten wochen erlebt habe von seiten der Polizei, ist unfassbar! Da rauscht ein baum 1-2m an einem Menschen im Baum vorbei, antwort der Polizei 'ist doch nix passiert', das passiert ständig!



    Obwohl alles ruhig ist stürmt die BFE plötzlich los reist menschen Brutal zu Boden, (selber bin ich diesem nur knapp entkommen), um ein Mensch festzunehmen! Vorwurf er hätte steine geworfen, ich stand bestimmt schon eine stunde mit diesem Menschen zusammen, das hätte ich ja wohl mitbekommen! Versuche mit Komunikationsbeamten darüber zu sprechen, intressiert ihn nicht! (Die Beleidigung seinerseits lasse ich hier mal weg)



    Die Einzige Gefahr in diesem Wald, ist die Polizei, sie bedroht beschimpft schlägt einfach zu ohne grund, und gefährdet massiv Menschenleben!



    Mein vertrauen in diese Menschen, nein es gibt keines mehr!



    Traurig ist das einfach nur noch!

    • @Kyartan:

      Sie wollen gesehen habe, dass exakt dieses Seil ein Schild trug?

  • Twitter vom Danni:



    twitter.com/DanniTicker

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    Die Moderation

    • @Wagenbär:

      Nach Berichten anderer Medien, hat sich der betreffende Beamte selbst gemeldet.



      www.spiegel.de/pan...-89c3-277e2dfe1f12

      • @Hans aus Jena:

        Doch doch.



        Siehe das geschickt formulierte Dementi der Polizei.



        So wurde nach dem eiskalten Mord an dem völlig friedlichen Studenten Benno Ohnesorg in Berlin behauptet, dass Demonstranten einen Polizeibeamten erschossen hätten.



        Es war und ist in Berlin Polizeitaktik durch /brutalste/ Knüppel-Einsätze Menschengruppen in Panik zu versetzen.



        Als bei einem solchen Einsatz Klaus Jürgen Rattay auf die Fahrbahn flüchtete und von einem Linienbus überfahren und mitgeschleift wurde, behauptete die Polizei, dass der Mensch versucht hätte, auf den Bus "aufzuspringen", den bewussten panikerzeugenden Prügel-Einsatz verschwieg die Polizei.



        Beim Castoreinsatz im Wendland hat die Polizei "Säure-Angriffe" von Demonstrierenden auf Polizeibeamten frei erfunden. Eine besonders niederträchtige Lüge, die trotz des Dementis vom damaligen Einsatzleiter Hans REIME von Polizeibeamten bis heute immer wieder weitererzählt wird.



        Und und und.

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        Die Moderation

        • @Wagenbär:

          Sie argumentieren hier jetzt mit Benno Ohnesorg?

          Ist nicht Ihr Ernst, oder?

          Und Klaus-Jürgen Rattay war 1981

          Da Sie so wenig neue Beispiele haben, scheint sich ja in der Polizei vieles zum Guten verändert zu haben.

          Dass sich der Beamte selbst meldete, spricht ja auch dafür.

          • @rero:

            Benno Ohnesorg wurde von einem Polizeibeamten in einer völlig friedlichen Situation "eiskalt" mit einer Dienstwaffe ermordet.



            Mindestens sechs andere Polizeibeamten waren Zeugen dieses Mordes.



            In Zusammenarbeit mit einem Gerichtsmediziner, der Berliner Staatsanwaltschaft und mehreren Richtern wurde dieser Mord gezielt und mit hoher krimineller Energie vertuscht.



            Weder der Mörder noch irgendeiner der Mitwisser und -Vertuscher wurden jemals zur Verantwortung gezogen.



            Das /ist/ geschehen. Folglich kann es auch wieder geschehen.



            Mir geht es hier um gezielte und bewusste Falschangaben durch die Polizei.



            Leider dauert es regelmäßig viele Jahre, bis diese zweifelsfrei nachgewiesen wurden.



            Ich habe mehrer länger herliegende Beispiele genannt, um zu zeigen, dass es bei diesen Falschangaben ("Lügen") eine Kontinuität gibt.

  • Nochmals, wieso befindet sich ein Sicherungsseil in mehreren Metern Entfernung zum Tripod? Sicherte das Seil das Tripod oder die darin hängende Person? Warum hat das eigentliche Halteseil versagt? Fragen über Fragen.

    Alles kein Grund die Rodungen einzustellen.

    • @DiMa:

      Aber ein Grund, einfach auf gut Glück irgendwelche unter Spannung stehenden Seile zu kappen oder wie? Es ist jedem Polizist im Danni klar, dass da Srile kreuz und quer gespannt sind, DAMIT sie sich wenigstens erstmal Gedanken machen müssen und damit natürlich die Räumung länger dauert. Kannman natürlich auch ignorieren, aber was hat das dann noch mit der Aufgabe der Polizei zu tun, Deeskalation und Sicherheit herzustellen?

      In der ganzen Räumung im Hambi hat die Polizei nicht so verantwortungslos gehandelt, dass gleich drei schwerberletzte in 5 tagen gibt, aber weils ja für heilige Autobahnen ist, ist das halt so, geht in die Statistik mit den Verkehrsopfern ein, kammanixmachen

  • Ach, @FLY. Es ist ja nicht Ihr Klima.

  • "Um eine Eskalation zu verhindern sei es das Beste, die " .... Besetzung sofort zu stoppen.

    • @fly:

      Es ist ja Ziel der Besetzer möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Teil der Strategie ist das eben auch nicht ungefährliche verbarrikadieren in den Bäumen, das natürlich auch gefährliche Nebeneffekte hat. So gesehen wissen alle auf Besetzer auf was sie sich da einlassen. Mein Mitgefühl ist daher begrenzt.

      • @Flocke:

        nein das ist nicht begrenzt, das ist einfach nicht mehr vorhanden, wenn sie meinen, dass es zur Aufgabe der Polizei gehört, wild irgendwelche Menschen zweiter Klasse zu gefährden

        • @Jo Hannes:

          Die Besetzer sind keine Menschen 2. Klasse. Sie führen aber wie Sie oben anmerken die Eskalation gezielt herbei. Es ist daher auch ganz klar Aufgabe der Besetzer und nicht nur der Polizei “Deeskalation und Sicherheit “ herzustellen!