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Verkehrsminister will Flughäfen helfenDer Retter der Zombie-Airports

Die Infrastruktur solle trotz Coronakrise erhalten bleiben, fordert Minister Scheuer. Unrentable Kleinflughäfen müssten schließen, betonen Kritiker.

Kein Kleinflughafen, trotzdem wenig los: Der Berliner Flughafen BER und Verkehrsminister Scheuer Foto: dpa

Berlin taz | Trotz Kritik hält Verkehrsminister Andreas Scheuer an seinem Plan fest, alle von der Coronakrise bedrohten Flughäfen in Deutschland zu retten. „Es geht darum, die Infrastruktur in Deutschland zu erhalten“, sagte Scheuer bei einem digitalen „Luftverkehrsgipfel“ am Freitag.

Die Passagierzahlen seien pandemiebedingt derzeit um 80 Prozent geringer als im vergangenen Jahr, etwa 25 bis 30 Prozent der 180.000 Arbeitsplätze in der Branche seien in Gefahr, so der CSU-Politiker. Die Deutschen seien „Reiseweltmeister“, deshalb schätze „jeder einen Flughafen in seiner Nähe“.

Bund und Länder mit Airports sollten sich je zur Hälfte an den Hilfen beteiligen. Bislang war von 1 Milliarde Euro die Rede. In zwei Wochen sollen konkrete Pläne vorliegen. Ob es – wie von der Branche und Scheuer gefordert – zu einem Rettungspaket kommt, ist noch offen. „Da sind wir jetzt am Arbeiten“, sagte Scheuer. Das Bundesfinanzministerium äußerte sich skeptisch. Dafür seien keine Mittel im Etat vorgesehen, sagte ein Sprecher.

Flughäfen und Airlines ringen nach dem Teillockdown im Frühjahr und den Reiseeinschränkungen in der Virus-Pandemie mit der Existenz. Die Lufthansa muss mit neun Milliarden Euro Steuergeldern gerettet werden, der weltgrößte Tourismuskonzern TUI bekommt drei Milliarden Euro Staatshilfe. „Der Branche und vor allem den Flughäfen geht es katastrophal“, sagte der Präsident des Airportverbands ADV, Stefan Schulte.

Subventionen nur für nicht defizitäre Airports

Die Branche fordert die Hilfen vor allem für Kosten im Lockdown, als die Airports trotz des weitgehend stillgelegten Flugverkehrs am Netz blieben. Der Luftfahrtkoordinator des Bundes, Thomas Jarzombek, betonte, dass der Staat hier helfen müsse. „Da würde ich mir mehr Bewegung vom Finanzminister wünschen“, sagte Jarzombek.

Unrentable Regionalflughäfen dürften nicht weiter subventioniert werden, forderte dagegen der Linken-Verkehrsexperte Jörg Cezanne. „Die Perspektive der betroffenen Beschäftigten muss in der Krise geschützt werden, aber nicht die Vielzahl schon seit Jahren defizitärer Klein- und Kleinstflughäfen. Flughäfen wie Paderborn-Lippstadt oder Kassel-Calden belasten das Klima und die öffentlichen Haushalte, verkehrlichen Nutzen haben sie nicht.“

10 der 14 Regionalflughäfen in Deutschland seien „dauerhaft von staatlichen Subventionen abhängig“ und hätten „keine Verkehrsfunktion für die regionale Wirtschaft“, betonte Bund-Verkehrsexperte Werner Reh.

„Diese Zombie-Flughäfen dürfen nicht durch Subventionen wiederbelebt werden“, das verschärfe zudem die Klimakrise. Die EU-Kommission habe Subventionen nur unter der Bedingung genehmigt, dass die Airports nicht schon im Dezember 2019 rote Zahlen schrieben, so Reh. Nun versuche Scheuer in Brüssel, doch Beihilfen durchzudrücken.

Lufthansa mit Corona-Schnelltests

Kritischer zeigte sich Luftfahrtkoordinator Jarzombek. Er verwies darauf, dass viele in der Branche mit einem auch langfristig geringeren Luftverkehr rechneten. Da müsse man schauen, was das für jeden einzelnen Regionalflughafen bedeute. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wollte von Schließungen einzelner defizitärer Flughäfen nichts hören. Er sei in der Krise ein „Infrastruktur-Erhaltungsminister“.

Die Lufthansa will indes auf ersten Flügen in Deutschland Corona-Schnelltests als Zugangsbedingung für Fluggäste einsetzen. Zwischen München und Hamburg soll ab 12. November erprobt werden, wie die Antigen-Tests in den Ablauf am Flughafen eingebaut werden können.

„Testen ganzer Flüge kann der Schlüssel zum Wiederbeleben des internationalen Flugverkehrs werden“, sagte Lufthansa-Vorständin Christina Foerster. Die Airline habe 250.000 Tests erworben, diese zeigen nach 30 bis 60 Minuten Ergebnisse.

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23 Kommentare

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  • "Unrentable Regionalflughäfen dürften nicht weiter subventioniert werden, forderte dagegen der Linken-Verkehrsexperte Jörg Cezanne."

    Das ist doch mal ein klares unerwartetes kaltes kapitalistisches Statement von der Linkspartei.

    Was hat die Linkspartei noch so auf der Streichliste der infrastrukturellen Unrentabilitäten aufgrund von Corona?

    • @Rudolf Fissner:

      Also das Statement ist nun nicht unerwartet, sondern schon länger auf der Programmliste. Nicht nur bei der Linkspartei. Das ist im Gesamten ein Teil einer überlegten Haushaltspolitik. Wer Geld/Ressourcen ausgeben will, muss es auch irgendwo einsparen - am besten dort wo es vergebene Liebesmüh ist. Die entsprechende Krise untermauert nur und gibt den Anlass bewährte Appelle erneut anzubringen.



      Während die herrkömmlichen Parteien am Weiter so wie bisher festhalten und sich beleidigt fühlen wenn EU Subventionen wegfallen.



      Aber nochmal schnell kurz vor Bausubventionsschluss bauliche Fakten schaffen und Schuldenbremse/Schirm unterlaufen - solange es noch irgendwie geht. Bestes Beispiel ist da sicher Calden. Da wird dann gerne von werdenden Parteigrössen von "Synergieffekten" geredet. Während es da nichts daneben gibt, keine AB, keine Umgehungstrasse, keine Bahn, keine Tram wo man Synergieeffekte erhalten könnte. Letztendlich geht es oftmals um eine Fehlplanung, die am Wissen und dem Willen der Bevölkerung vorbeigeht. Aber man hat ja jetzt 3km daneben einen leeren Flughafen, wo sich Industrie ansiedeln oder bleiben könnte. Würde sie nicht sowieso schon am abwirtschaften sein. Vielleicht hilfts ja aus diesem Personenflughafen ohne Passagiere einen Frachtflughafen zu machen ? Dann könnte man doch wenigstens noch Pakete ausliefern. Ganz durch Kassel-Stadt (mit so schon Grenzwert überschreitenden Luftwerten) hindurch zur AB und den Verteilzentren von Post und Amazon ?



      Schliessen ist die einzig resolute Handlungsoption, die nicht zur weiteren Last der Bevölkerung wird!

  • Während die Autobranche richtigerweise an der kurzen Leine gehalten wird, ist für die Luftfahrt keine Milliarde zu schade. Kerosin ist dank Steuerbefreiung fast geschenkt, klamme Airlines werden mit 9 Milliarden gepampert und unsinnige Provinz-Flughäfen dürfen jetzt auch in den Fördertopf greifen. Umweltschädliches Fliegen muss billig bleiben, da widersprechen die Grünen keinesfalls. Wie gut, dass sich im Südwesten die Klimaliste gegründet hat.

    • @Zugpferd:

      Autobranche an der kurzen Leine ?



      ... dachte erst ich hätte mich verlesen.

  • Es gab schon viele Initiativen, die unrentable Flughäflein in der Pampa durch Streichung der Subventionen auf ein gesundes Maß zurückstutzen wollten. Regelmäßig gescheitert an wichtigtuenden Provinzfürsten, denen die paar symbolischen internationalen Verbindungen pro Woche so wichtig sind, dass ein enormer Aufwand betrieben wird, um mehr zu sein als so ein popeliger Verkehrslandeplatz, der es für Business und General Aviation genauso gut tun würde. Blechen darf natürlich der Steuerzahler.

    • @Luftfahrer:

      Na die paar Businessman und der Landrat kennen sich ja meistens schließlich auch.

  • Theoretisch könnte die pandemiebedingte Krise der Flugbranche dazu genutzt werden, umzustrukturieren - Umschulungen garantieren, sozial-ökologische Arbeitsplätze bspw. in ÖPNV, Krankenhäusern und Pflege schaffen und dortige Löhne anheben. Gleichzeitig sollten zumindest Preise für Dienstleistungen/Waren wie Flüge reale Kosten bspw. bezogen auf das Klima widerspiegeln, wenn nicht gerechterweise Allen Flüge verboten/kontingentiert werden müssten.

  • Minister Scheuer: Die Deutschen seien „Reiseweltmeister“, deshalb schätze „jeder einen Flughafen in seiner Nähe“.

    Mit dieser "Reiseweltmeisterschaft" haben die Deutschen den Klimawandel wohl noch mehr verstärkt. Was will der Deutsche eigentlich machen, wenn man den Klimawandel endlich mal ernst nimmt und diese unnötigen Flüge nach Mallorca etc. einschränkt?

    taz: "Die Lufthansa muss mit neun Milliarden Euro Steuergeldern gerettet werden, der weltgrößte Tourismuskonzern TUI bekommt drei Milliarden Euro Staatshilfe."

    Der Mindestlohn für ca. 10 Millionen Niedriglohnempfänger steigt ab dem 1. Januar 2021 auf kümmerliche 9,50 Euro und Hartz IV Empfänger bekommen ab Januar 2021 lächerliche 14 Euro mehr im Monat - so sieht soziale Gerechtigkeit in diesem Land aus. Momentan hat man einen Rettungsfonds im Volumen von 600 Milliarden Euro für mittlere und größere Unternehmen bereitgestellt, aber das wird sicherlich noch mehr werden, damit die CO2-Emissionen (momentan 418 ppm CO2) auch weiterhin durch klimaschädliches Wirtschaftswachstum und sinnlose Flüge steigen kann, und Manager weiterhin ihr schönes Gehalt und ihre Boni bekommen.

    taz: "„Testen ganzer Flüge kann der Schlüssel zum Wiederbeleben des internationalen Flugverkehrs werden“, sagte Lufthansa-Vorständin Christina Foerster."

    Dann kann man der Lufthansa-Vorständin Christina Foerster ja nur die Daumen drücken, dass die Corona-Schnelltests auch funktionieren und die "Fliegerei" weitergehen kann, damit Frau Foerster ihr üppiges Vorstandsgehalt auch weiterhin bekommt. Der Klimawandel wird für die "Sorgen" der Menschheit, dass es mit der Wirtschaft bergab gehen könnte, sicherlich Verständnis haben und sich für die nächsten 1000 Jahre in eine Höhle zurückziehen.

  • Mehr von dem Mann !

    Täglich zwei Berichte damit auch der letzte Hinterwäldler begreift wo das Kreuzchen auf dem Wahlschein hin muss - und wo nicht !

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Zitat: Trotz Kritik hält Verkehrsminister Andreas Scheuer an seinem Plan fest, alle von der Coronakrise bedrohten Flughäfen in Deutschland zu retten.

    Mal ganz nüchtern betrachtet, auf der Prioritätenliste sollten die bedrohten Flughäften weit unten stehen - ganz oben hingegen die Kulturbetriebe und zwar v.a. diejenigen, die massiv vor dem Abgrund stehen. Dazu zählt nicht unbedingt die Staatsoper etc..

    Im übrigen nimmt doch niemand mehr Herr Scheuer für voll, oder?

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Dieser Typ verschendet Millarden, und das schon seit Jahren! Eine Blüte des Systems, oder?

  • Zombie-Airports



    und



    "Zombie-Minister"



    -passt doch!

  • Das muss dieser "gut[e] Job in der Corona-Pandemie" der Bundesregierung sein, von dem Udo Knapp (Baujahr 1945) im taz-Magazin "für Zukunft und Politik" uns die Hucke vollschwärmt.

    Zu wünschen übrig ließe aber, so Knapp, die Kooperation des Bürgers, dieser nimmersatten Spaßbremse. Wäre es dann nicht nur gut und gerecht, wenn dieser Bürger sein Scherflein in den Kasten wirft - all die Kleingastronom*innen, Pflegekräfte, Kulturschaffenden, Ich-AGs und anderweitig grenzprekär Beschäftigten, die Lieferandos, Lehrer*innen und Kindergärtner*innen, und natürlich die mit bezahlten Überstunden üppig versorgten TAs der Probenlabore -, damit zwar nicht die Seele der Nation, aber doch immerhin der Silberkranich und die fliegenden Sardinenbüchsen dieses fidelen Iren "im Huy", wie es bei Freund Tetzel hieß, wieder in den Himmel springen können?

    Letztens wollte ich Lack kaufen gehen. Nix, Aus, Vorbei.



    Horter? Ach wo. Alles ausgesoffen.



    Dieser schreckliche Lockdown macht unser Volk noch total fertig.

    Ach ja: der BER freut sich auch über eine kleine Spende.

    Also los, den Gürtel enger geschnallt, in die Hände gespuckt, und auf geht's, das Bruttosozialprodukt steigern!

    • @Ajuga:

      Ich-AGs gibt es schon seit Mitte 2006 neu nicht mehr.



      Der nachfolgend gewährte (aus ehemaligem Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss bestehende) Gründungszuschuss is seit 28.12.2011 keine Pflichtleistung mehr.

    • @Ajuga:

      Völlig unzusammenhängende Verzitierungen:



      "Ach das bissl Lockdown schafft das Volk schon allein."



      "Mein Mann machts den Ba-Ba- Staatsüberfall"



      "Und sind sie nicht willig, dann gibt es Krawall!"

  • Ich glaube, ein Scheuer ist die neue Maßeinheit für genau das tun, was angesichts der Klimakrise richtig wäre. Das Rasen auf der Autobahn verteidigen, Bäume fällen lassen für eine Autobahn und nun das Retten von unrentablen und klimaschädlichen Flughäfen. Wie viele Bahnhöfe hätte man für 500 Millionen Euro renovieren können?



    Ich glaube, man sollte eine Bundestagspetition starten, Andi Scheuer zum Chef des Ausschusses für die Bundesgartenschau zu befördern. Hauptsache, er ist nicht mehr Verkehrsminister.

  • Bei Scheuer kann man sich ja schon fast sicher sein, dass er es verbockt. Egal was er anpackt, wenn man das komplette Gegenteil von dem tun würde, was er tut, läge man fast immer richtig. Dass der immernoch Minister ist

    • @Ralf Eckstein:

      ... liegt wohl daran, dass Menschen glauben, Wahlen würden einen Unterschied machen.

  • Es geht beider Rettung dieser „Zombie-Airports“ auch um Arbeitsplätze. Das wird irgendwie immer vergessen.

    • @Der Cleo Patra:

      Satire ? OK . Aufrechnen von Arbeitsplätzen gegeneinander ist normalerweise nicht meins.



      Unterhaltungs- /Veranstaltungsbranche



      ca. 1,3 Mill. .



      Flughafen direkt nicht mehr als 100 pro Platz indirekte max. 1000 . Höchstens ; Theoretisch sind die Zahlen sogar noch niedriger.



      Jetzt die Frage wieviele dieser Flughäfen gibt es denn ?

    • @Der Cleo Patra:

      Um wieviele?

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Der Cleo Patra:

      Fliegen wird wieder Luxus. Ich hoffe, dass dieser Trend noch etwas anhält.



      Was die Flughäfen betrifft, die sind alle viel zu gross und fuer Cheap Charlies ausgelegt.



      Dieser Trend sollte endlich enden und die jetzigen - die sollten entsprechend verkleinert werden und die frei werdende Infrastruktur entsprechend für medizinische, sportliche, kulturelle, soziale und ähnliche Belange aufgebaut werden. Es wird ziemlich sicher kein NACH COVID geben. Also zurueck in die 70er und 80er