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Die Grünen und Fridays for FutureDreitagebart und Anzug

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Der Spagat zwischen Klimabewegung und bürgerlicher Mitte macht die Grünen erfolgreich. Bewegungen wie Fridays for Future können zur Gefahr werden.

Die Grünen – ein bisschen rebellisch, wie Robert Habecks Stoppeln zeigen sollen Foto: Michele Tantussi/Reuters

D ie Grünen sind, anders als oft behauptet, keine Volks-, sondern eine Milieupartei. Sie repräsentiert keinen Querschnitt der Gesellschaft, sondern die in der Wissensgesellschaft wachsende Klasse von AkademikerInnen, oft urban und im öffentlichen Dienst beschäftigt. Genau deshalb sind die Grünen so erfolgreich.

Sie gewinnen Wahlen und Mitglieder, weil sie dem launischen Publikum etwas Besonderes bieten: Man ist irgendwie noch immer ein kleines bisschen rebellisch (eine Eigenart, die Robert Habecks Dreitagebart perfekt zum Ausdruck bringt), aber zugleich auch äußerst verantwortungsbewusst und als Anzugträger darauf geeicht, 2021 mit der Union zu regieren.

Das Grünen-Image ist ein perfektes Angebot für konforme Nonkonformisten. Die Grünen haben das Copyright auf Klimaschutz – und bestimmen damit derzeit einen Großteil der politischen Agenda. Doch ihre Erfolge sind schwankender, als man derzeit glaubt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Grüne nur Umfragen gewinnen.

Deshalb beobachtet die Parteispitze nervös die Absetzbewegungen am ökologischen Rand, die Proteste gegen die A 49 in Hessen, die auch an die Adresse der Grünen gehen, und die Klimaliste, die in Baden-Württemberg zur Landtagswahl antreten will.

Auch bei Fridays for Future sind nicht mehr alle AktivistInnen begeistert von den maßvollen Plänen der Grünen. Deren Projekt ist für 2021 der ökologische Umbau der Industriegesellschaft – zusammen mit Union und Konzernen. Das wird, auch mit einer Laschet-Union, eine Politik der kleinen Schritte. Daher sind die jetzigen Risse im grünen Spektrum keine flüchtige Irritation, die wieder vergeht, sondern das Wetterleuchten von Widersprüchen, die sich erst später richtig entladen werden.

Die grüne Spitze muss da die Balance halten. Die Ökoliberalen müssen einerseits glaubhaft machen, authentische Stimme der Bewegungen zu sein, die ja ihre eigene Herkunft widerspiegeln, und andererseits moderat und sehr anpassungsfähig in der Mitte um Merkel-WählerInnen ringen. Es ist ein Weg mit Absturzgefahr.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • Wie immer in der Geschichte haben die Grünen die Wahl:



    - Als radikalökologische Partei eine Randerscheinung bleiben und zusehen, wie andere Politik machen.



    - Kompromisse schließen, Mehrheiten organisieren und sich die Hände dabei schmutzig machen, aber auch kleine schritte durchsetzen.



    Was ist besser?

  • Ich denke auch, dass die Grünen gerade ihre Seele verkaufen, genauso wie die SPD ihre unter Schröder. In der derzeitig angedachten Konstellation mit CDU und Grünen wird es der Anfang vom Ende der Grünen werden. Ökologie und Klimawandel geht anders als derzeit in BaWü vorexerziert.

  • Auf diese Grünen passt die Beschreibung Tucholskys aus dem Jahr 1928, damals jedoch für die SPD:



    "Wat brauchst du Jrundsätze", sacht er, "wenn du'n Apparat hast!" Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln - es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen!"

  • wer wirkliche ökologische Politik will, sollte die Grünen nicht mehr wählen.



    Hier in BaWü z.Bspl. ist Kretschmann auch nur ein Hampellmann der Automobilindustrie. Echte Bestrebungen zum Klimaschutz finden sich nicht in der Politik, die im Ländle ankommt....

  • Der Link zur Klimaliste leitet fälschlicherweise auf den eigenen Artikel hier weiter.

    • Bruno , Moderator
      @Francine Lammar:

      Vielen Dank, geben wir weiter.

  • Grüner Robert Habeck setzt auf Freiberufler, Akademiker, Beamten, Medien, Unterhaltungs-, Wissensgesellschaft Milieupartei, wenn er Unternehmerlohn 1200 €/Monat für Soloselbstständige ohne Vermögensveranlagung vorschlägt, bei Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 bewilligt bis zu 87 % vorherigem Lohn ohne Vermögensveranlagung, von rotgrün 2003 von CDU/CSU/FDP Opposition bejubelt eingeführte Arbeitsmarktreform Agenda 2010 Hartz 4 Gesetze Leistungsbezug unverändert belässt, aktuell 424€/Monat plus Mietübernahme nach Verbrauch Restvermögens vor Schonvermögen für private Altersvorsorge zugunsten privater, staatlicher Arbeitgeber bei Lohn Aufstockung. En passant landen wir so in Drei-Klassen Gesellschaft, in der Eliten untereinander gespalten, Arbeitsplatzbesitzer, Kurzarbeitergeldbezieher, Soloselbstständige im Unterhaltungssektor; Gastronomie, Medien gehören medial empfunden zur Infoelite, im Fall von Krisen, Pandemien mit Partialinteressen vom Staat bevorzugt gegenüber Rest in Not befindlichen Gesellschaft alimentiert sein wollen, statt selber Ausgleichsfonds aus „Restvermögen“ Ihresgleichen für Ihresgleichen aufzulegen, zumindest Druck auszuüben, endlich seit 1997 durch BVG Urteil ausgesetzte Vermögenssteuer gemäß BVG Maßgabe zu aktivieren.



    Nicht vergleichbar und doch erinnert Corona Notlage schemenhaft an deutschen Funktionshochadel nach 1. Weltkrieg 1918, der 1919 abgeschafft, aber in Adels Vereinen Gift republikfeindlicher Gesinnung versprühte, als vermögensnaher Hoch Adel selbst Seinesgleichen aus Funktionen, Ämtern wilhelminischer Monarchie entlassen verarmten Etagenadel Hilfen aus ihrem „Restvermögen“ vor „standesgemäßen“ Schonvermögen verweigerten nach militärischem Schlamassel, ökonomischem Kladderadatsch, den sie in Funktionen, Ämtern, Generalstab kaiserlicher Heere, Verwaltung mit zu verantworten hatten.







    www.spiegel.de/pol...-b7a6-bc0ae0455d76

  • CDU mit ein bisschen Öko ist halt schwierig, wenn potentielle Wähler mehr wollen als das Öko-label für ein gutes Gewissen.

    Die Frage, die man sich bei den Grünen stellen muss ist ob man langfristig ein Umweltschutzprogramm durchsetzen möchte oder ob man der CDU Wähler abnehmen möchte. Beides zusammen wird schwierig und was ein fehlendes Profil gegenüber der CDU bedeuten kann macht die SPD ja gerade vor.

  • Die Grünen fühlen sich als Union ohne das C pudelwohl und vielleicht sollen sie auch genau das sein. Warum sie als Partei die Meinung selbsternannter Aktivisten im Promille Bereich repräsentieren sollen ist mir schleierhaft.

  • Seien wir mal gespannt, wie lange wir noch von "Grünen" sprechen, und ab wann sich die B90/Die Grauen als zutreffendere Bezeichnung durchsetzt. Wegen mir kann es ab jetzt losgehen!