piwik no script img

Hupen in Kolonne bleibt GrauzoneAutokorso für alle

Hochzeit mit Autokorso findet das Verkehrsministerium okay. Es beruft sich auf den Schutz der Ehe durchs Grundgesetz. Grüne kritisieren das.

Protestautokorso: Für die Haftentlassung des ehemaligen taz Journalisten Deniz Yücel 2018 in Berlin Foto: bildgehege/imago

Berlin taz | Autokorsos bleiben eine rechtliche Grauzone. Auch eine Petition an das von Andreas Scheuer (CSU) geführte Bundesverkehrsministerium, die hierfür den Entzug des Führerscheins forderte, ändert daran nichts. Teil der Begründung im Schreiben eines Ministerialdirektors an den Petitionsausschuss, das der taz vorliegt: Ein gänzliches Verbot von Autokorsos sei „jedoch gerade zur Feier der Eheschließung, auch unter Berücksichtigung des normativen Schutzes der Ehe im Grundgesetz und des Schutzes von kulturellen Gebräuchen, nicht nachvollziehbar“.

Verkehrsteilnehmer:innen müssten „zu jeder Zeit mit einer spontanen Staubildung rechnen, unabhängig davon, ob dies durch einen Autokorso oder eine andere plötzlich im Verkehr auftretende Situation bedingt ist“. Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Kühn fragte an, ob die Bundesregierung die Auffassung des Ministeriums teile. Die Antwort des Verkehrsministeriums, die der taz vorliegt, teilt die Einschätzung, dass kein Anlass für ein Verbot bestehe. Von „kulturellen Gebräuchen“, „Schutz der Ehe“ und Bezug auf das Grundgesetzt ist aber in der schriftlichen Antwort nicht die Rede.

Der Autoverkehr sei „Scheuer heilig“, sagt Kühn, „auch penetranteste Formen des Autoverkehrs genießen im Verkehrsministerium vollen Bestandsschutz“. Scheuers Ministerium sei sich „noch nicht einmal zu schade, das Grundgesetz für aufdringliche Hupkonzerte zu bemühen. Scheuer ist gleichzeitig gegen Tempolimits und für aufdringliche Autokorsos, die die Straßen blockieren – das versteht kein Mensch mehr“.

Die pauschale Argumentation mit Ehe und Grundgesetz, so Kühn, würde der Realität auf den Straßen nicht gerecht. Das Bundesverkehrsministerium gab zu den Vorwürfen Kühns keine Stellungnahme ab.

Autokorsos als Mittel politischer Solidarisierung

In Autokorsos sahen Demonstrant:innen 2017 und 2018 auch ein Mittel der Solidarisierung mit dem inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Auch während des Corona-Lockdowns im April fanden in Berlin Autokorsos statt, teils mit rechtlichen Konsequenzen.

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) verbietet eigentlich unnützes Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaften sowie vermeidbare Abgas- und Lärmbelästigungen. Autokorsos werden nicht explizit erwähnt, der Bußgeldkatalog sieht jedoch milde Strafen vor. Fünf bis zehn Euro werden bei Missbrauch von Hupe oder Warnblinklicht fällig. Für die Belästigung Dritter durch unnötiges Hin- und Herfahren innerorts sind seit der StVO-Novelle im April immerhin 100 Euro vorgesehen. Verkehrsdelikte wie Autokorsos werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst.

Mit Autokorsos werden gerne Hochzeiten oder Siege bei Fußballspielen gefeiert. Sie bieten Autofahrenden die Möglichkeit, vermeintlich ohne Sanktion die Hupe ihres Fahrzeugs auch in der Stadt zu betätigen. „Schallzeichen“ sind sonst nur bei Überholvorgängen außerorts und in Gefahrensituationen erlaubt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - “Ja mei -

    Grüüünes Tröööötttt! So geht`s doch auch. (s. Anlagen) Zufällig heute im Städtchen Melle am Else-Uferweg entdeckt.



    www.stadtmarketing...ochzeitsallee.html



    Bäume mit Schildchen der Spender:innen. Die Himalayabirke hatte ich ausgewählt, weil das so ein schöner Baum ist.



    Einige Bäume sind nicht mehr mit Schildern versehen. Vermutlich geschieden.







    ps. Ich hupe immer, wenn ich aus dem Auto einen Hochzeitskorso sehe.“

    kurz - Vermutlich zur Warnung -



    gem § 1 StVO - 😱 - wg Verkehr - 🤫 -

  • Beachtlich, dass Scheuer ausgerechnet den antiquierten "besonderen Schutz der Ehe" anführt. Dieser besondere Schutz muss endlich in einen "besonderen Schutz der Kinder" umgewandelt werden. Eine Ehe an sich ist nicht schützenswert, im Gegensatz z.B. zur Nachtruhe.

  • Ich finde, Hupen sollte was kosten. Ein Münzautomat im Auto: 1 EUR rein, 1x hupen, dann muss nachgelegt werden.

    Natürlich muss ein Auto jederzeit hupbereit sein, sonst gibt's nach StVO Strafe.

    Ergo: immer Münze drin, immer Kleingeld dabei.

    Die Erlöse gehen dann an alle, die unter den Folgen des Verkehrslärms zu leiden haben.

    Mensch: merkt Ihr noch nicht, dass wir (a) zu viele, (b) zu dicke und (c) die falschen Autos haben?

    Wo kommt die viele Dummheit her?

    [1] de.wikipedia.org/w...om_brennenden_Haus

  • Dr. Andreas Scheuer -soviel Zeit muss sein !



    Oder doch schon "Dr. ex" ?

    • @Bolzkopf:

      Nö. Dr. un(ge)ütz B'Scheurle - 😂 -

      unterm——-

      Scheuer habe laut weiterer Untersuchungen der Universität zwar drei Textpassagen ohne die notwendige Kennzeichnung übernommen, dies stelle jedoch keine systematische Täuschungsabsicht dar: „Im Kontext der gesamten Arbeit betrachtet die Kommission diese Abschnitte jedoch eher als eine Zusammenfassung und nicht als schwerwiegenden Verstoß gegen Ethik-Regeln.“ Scheuer teilte in diesem Zusammenhang mit, dass er weiterhin auf das Führen des PhDr. bzw. Dr. verzichten werde.…“ wiki

      kurz - Schlagmer uns 'n 🥚 drüber - 🍳 -



      Voll Panne • - 🤑 -

      • @Lowandorder:

        Sie haben ganz Recht.



        Die Dissertation mit dem Thema "Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns" ist natürlich von schier unschätzbaren wissenschaftlichen Wert. Da kommt es auf so ein paar Textpassagen nicht wirklich an ...

  • So beScheuert der real existierende Verkehrt-Minister auch ist: Die Etepetete-Sauertöpfigkeit der Grünen hier ist es genauso.



    Hochzeits-Korsos bestehen i.d.R. darin, dass grad mal a bisserl häufiger gehupt wird - aus Freude am Ereignis halt. Ein "unnötiges Hin- und Herfahren" habe ich da noch nie registriert.



    Grüne, macht Euch mal locker, aber nicht Eure Schrauben!

  • Ja wie? Wer Sorgen hat - hat auch Likör

    “ Die pauschale Argumentation mit Ehe und Grundgesetz, so Kühn, würde der Realität auf den Straßen nicht gerecht. Das Bundesverkehrsministerium gab zu den Vorwürfen Kühns keine Stellungnahme ab.“ Fein.

    Denn. Zu recht. Es derf scho aach wg ⚽️



    & Gellewelle - B‘Scheuerle - zweng nicht eingetragnLebensgemeinschaft' - Sei!🤫



    & Da schau her Grundgesetz Art 2 - 😱 -



    & VersammlungsMeinungsfreiheit



    Paschd alldieweil - Gelle da aach fei nei!

    kurz - Immergriins a weng arg breit! 🥂



    A weng zuviel 🛑🛑 - letzte Zeit! - 👹 -

  • Jeder macht in der Stadt Lärm, wie er will - ob Laubbläser, Gegröhle, laute Motoren oder gleich die Dauerhupe. Dass nur ein Popelspiel gewonnen wurde und nicht die WM - kein Grund, nicht stundenlang hupend im Kreis zu fahren.



    Wie wäre es, wenn wir Schichtarbeiter*innen, und insebsondere unserem schichtarbeitenden Pflegepersonal, mal die Möglichkeit geben würden, auch tagsüber auszuschlafen, wenn es sich mal wieder die Nacht für uns um die Ohren geschlagen hat?

  • Siehste die Grünen sind doch spießig!



    Die wollen das Hupen von Autokorsos verbieten. Wie im Kurort.

  • Dabei sind die Autokorsos eine gute Gelegenheit das Auto stehen zu lassen... Kann da auch nichts schlimmes dran finden