Anders grüßen in Belarus: „Passen Sie auf sich auf!“
Die Belarussen ändern Sprache und Verhalten. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 3.
E s gefällt mir und es erstaunt mich, dass die Belarussen seit Beginn der Proteste so höflich und aufmerksam zueinander sind. Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse sagen wir nicht mehr „Guten Tag“. Stattdessen klingen Begrüßungen jetzt so: „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Und zum Abschied sagt kaum noch jemand „Auf Wiedersehen“. Stattdessen hat sich „Passen Sie auf sich auf!“ etabliert. Und dieses Sorgen und Kümmern gibt es nicht nur in den großen Städten, wo die Verhaftungen von Menschen durch Sicherheitskräfte schon zum Alltag gehört, sondern auch in kleineren Orten.
Mein Freund hat auf dem Markt des Dorfes, in dem er sein Wochenendhaus hat, das folgende berührende Gespräch gehört und mir davon erzählt.
Записи из дневника на русском языке можно найти здесь.
„Guten Tag, Tantchen. Geben Sie mir bitte zehn Hühnereier.“
„Oh, guten Tag. Und, wie ist es bei euch in Minsk? Was hört man? Ist es bald so weit?“
ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.
„Wir gehen hier auch mit Flaggen auf die Straße, ja. Nicht so viele, drei, vier Leute, aber immerhin! Und außerdem hat bei uns jemand auf die Straße geschrieben: ‚Halte durch, Hauptstadt. Es lebe Belarus!‘ Am nächsten Tag kamen Arbeiter und haben die Aufschrift mit Bitumen übergossen.“
„Oh, was tun sie bloß? Neulich kam ein junger Mann zu uns ins Dorf, den sie grün und blau geschlagen hatten, er war gerade aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ich hab ihm ein Stück Schweinespeck geschenkt und gesagt: ‚Das musst Du nicht bezahlen‘.“
„Geben sie mir bitte die Komsomolskaja Prawda (Eine Zeitung, die über die realen Ereignisse im Land berichtet. Staatliche Verkaufsstellen weigern sich oft, sie zu verkaufen. Aber fürsorgliche Bürger kaufen sie oft direkt vom Verlag und geben sie kostenlos an ihre Nachbarn weiter, deren einzige Informationsquelle sonst der Fernseher wäre, dessen Programme aber oft durch Propaganda verzerrt sind, Anmerkung der Autorin), wir werden sie lesen, vielen Dank!“
„Wissen Sie, gestern hat eine Familie bei mir Lebensmittel gekauft, und ihre Oma ist zu mir gekommen und hat mir ins Ohr geflüstert: ‚Es lebe Belarus!‘“
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!