IT-Protest in Belarus: Cyber-Partisanen greifen an
Computerfachleute stellen sich gegen Lukaschenko und werden dabei kreativ. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 5.
D er ehemalige belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat Belarus in seinen Reden mehrmals stolz ein IT-Land genannt. Bis vor kurzem bekam der IT-Sektor in Form niedriger Steuern Unterstützung vom Staat. Er war eine der bevorzugten Wirtschaftsbranchen und Zentrum des Outsourcing in Osteuropa. Davon abgesehen gibt es Erfolgsgeschichten von Start-ups, wie Viber, Wargaming (World of Tanks), MSQRD и Flo. Die Arbeit der rund 54.000 IT-Spezialisten ist in Belarus sehr prestigeträchtig, ihr Monatsgehalt ist fünfmal höher als das Durchschnittseinkommen von Arbeitern in anderen Branchen.
Der Beitrag der IT-Branche zum Bruttoinlandsprodukt liegt bei 5 Prozent, bei Dienstleistungen sind es 10 Prozent. Das bedeutet, dass die IT-Beschäftigten dem Staatshaushalt nicht nur zu Millionen Dollar verhelfen, sondern ihr Geld auch noch im Land ausgeben, indem sie Lebensmittel, Wohnungen und Autos kaufen.
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Doch die Repressionen im Land betrafen auch bisher „Unantastbare“. Der Gründer der Firma PandaDoc Mikita Mikado gab bekannt, er werde ein Projekt zur Unterstützung von Angehörigen der Sicherheitskräfte ins Leben rufen, die ihren Job wechseln wollen. Daraufhin fand bei PandaDoc eine Hausdurchsuchung statt. Vier Mitarbeiter wurden festgenommen. Der Vorwurf lautet auf Diebstahl von Mitteln aus dem Budget und darauf, dem Staat Schaden zugefügt zu haben.
Andere Kollegen des IT-Sektors riefen zu einer Solidaritätskundgebung auf. In der vergangenen Woche griffen Hacker eine Reihe von Seiten staatlicher Behörden an. Der Montag dieser Woche begann damit, dass die Arbeit des Ministerium für Steuern lahmgelegt wurde.
Und da sie sich „Cyber-Piraten“ nennen, empfahlen die Hacker der Bevölkerung bis auf unbestimmte Zeit von der Zahlung von Steuern Abstand zu nehmen. Zuvor waren unabhängigen Nachrichtenkanälen Datenbanken mit Informationen über Mitarbeiter des KGB, OMON (Sicherheitstruppen) sowie des Innenministeriums zugespielt worden. Nebst dem Versprechen, diese Angaben zu veröffentlichen.
Dann wandte sich der digitale Widerstand auch direkt an Lukaschenko, der zu einem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin nach Sotschi geflogen war. „Wie ist es in Sotschi? Mit Freude sind wir die dritte Partei bei diesen Gesprächen. Wenn innerhalb der nächsten 24 Stunden nicht alle politischen Häftlinge und festgenommenen Demonstranten freigelassen werden, fangen wir an, Informationen und Propaganda zu veröffentlichen. Alexander Grigorjewitsch, sind Sie bereit, auch ohne die staatlichen Medien auszukommen?“
ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
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