piwik no script img

Waldbrände in den USAAlle mal wegschauen

Die Bilder der Waldbrände in den USA erinnern an apokalyptische Filme. Trotzdem ist die Gesellschaft nicht sehr beunruhigt – leider erwartbar.

Der Rauch der Brände in Kalifornien und Oregon verhüllt die Sonne: San Francisco in rotem Zwielicht Foto: Winni Wintermeyer/Redux/laif

Es sind Bilder, wie man sie sonst nur von Filmplakaten kennt: Rauchende Ruinen und Baumskelette ragen aus von rußiger Luft vernebelten Landschaften. Die US-amerikanischen Weltmetropolen wie Los Angeles liegen unter einem beige-bräunlichen oder rötlichen Schleier dunstiger Schwaden. Wie auf einem ziemlich übertrieben gephotoshopten Symbolbild hebt sich die Golden Gate Bridge in San Francisco von einem giftorangefarbenen Himmel ab – beim Orange County dachte man bislang eher an einen sonnenverwöhnt-paradiesischen Landstrich in Kalifornien, nun bekommt der Begriff eine ganz neue Bedeutung.

Als wäre der Schrecken in Orange noch nicht groß genug, reiste nun Donald Trump in das Krisengebiet. Alles, was ihm zu der Apokalypse einfällt, ist einmal mehr, dass die Demokraten halt nicht für ausreichend Law and Order im Wald sorgen, den man nur mal ordentlich durchfegen müsste. Klimawandel? Ach was!

Verheerende Großbrände in den USA, in Sibirien und Australien, eine Häufung zerstörerischer Wirbelstürme und Überschwemmungen, durch Wetteranomalien ausgelöste Heuschreckenplagen biblischen Ausmaßes, das Abschmelzen der Polkappen und immer neue Temperaturrekorde, ob im Tal des Todes oder dem des Rheins – genau diese Szenarien, die wir inzwischen im Vierteljahrestakt in allen Ecken der Welt erleben, wurden von der Wissenschaft seit Jahrzehnten angekündigt, falls die vom Menschen verursachte Erderwärmung nicht deutlich gebremst würde.

Nun zeigt sich: stimmt genau. Und die Realität entwickelt sich eher entlang der pessimistischeren Modelle.

Die Beunruhigung in der Bevölkerung hält sich dennoch in Grenzen. In Deutschland scheint die Sorge eher der Frage zu gelten, wann wieder wie viele Zuschauer in die Bundesligastadien dürfen und ob die Verbrennungsmotor-Industrie bloß keinen Coronaschaden erleide. Und in den USA will immer noch rund die Hälfte der Menschen Trump zum Präsidenten wählen, dem zum Klimawandel nichts anderes einfällt als: „Ich glaube nicht, dass die Wissenschaft das wirklich weiß.“

Immerhin, ein Fortschritt ist erkennbar: Während bei uns immer noch abgehalfterte Lungenärzte, Zausel aus selbst ausgedachten Forschungsinstituten, gezuzelt werden, die dann behaupten, die Wissenschaft sei sich nicht einig, bestreitet Trump das gar nicht – er glaubt ihr nur nicht.

Fehlt es an Bildern?

Ein beliebter Erklärungsansatz lautete stets, es fehle den Menschen an Bildern. Die Klimakatastrophe käme schleichend und unsichtbar daher, deswegen fiele es schwer, adäquat auf sie zu reagieren. Von wegen. Würde man die Katastrophenbilder der vergangenen drei Jahre hintereinander schneiden, käme ein Eins-a-­Hollywood-Weltuntergangsschocker dabei herum, sogar ganz ohne Special Effects.

Am Ende helfen keine Bilder, sondern hilft wohl nur beharrliche Aufklärung

Auch der Erklärungsansatz, der Wandel sei von den Menschen nicht erfahrbar, dürfte sich erledigt haben. Ob im Münsterland oder in Brandenburg – überall hört man Klagen über die stetig zunehmende Trockenheit, und dass es das so früher nicht gegeben habe. Die großen Umwälzungen sind längst Alltagserfahrung.

Dagegen scheint am Ende nur eine Mischung aus Beschwichtigung und blankem Wunderglauben zu helfen. „Es wird wieder kälter werden, du wirst sehen“, sagte Trump in Kalifornien. Eine Prognose, so fundiert und vertrauenseinflößend wie seine Versicherung, das Coronavirus werde schon ganz von selbst sehr bald wieder verschwinden. Offensichtlich reicht das, damit wir die von den Rauchschwaden brennen Augen vor der Bedrohung schließen. Andererseits: Was will man erwarten von einer Gesellschaft, in der die Leute ernsthaft an kindersaftsaugende Eliten, Impf- oder jüdische Weltverschwörungen, an Globuli, Jungfrauengeburt, Fegefeuer und göttliche Belohnungen für Märtyrer glauben?

Da helfen am Ende keine Bilder, da hilft wohl nur beharrliche Aufklärung. „United behind the Science“ – höchste Zeit, dass die Fridays-for-Future-Kids wieder aus dem Lockdown kommen und den kindischen Wunderglauben der Alten unter Feuer nehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Wir brauchen uns über mangelndes Entsetzen wegen der Bilder in den Medien nicht zu wundern:

    Hollywood hat uns seit Jahren mit Filmen à là Apokalypse für die Welt bestens versorgt. wir sind also theoretisch ziemlich 'well prepared'. Und so lehnen wir uns gelassen in unsere Sessel zurück und genießen im TV eine Öko-Reality-Show nach der anderen, während wir unsere gekühlten Getränke schlürfen und darüber völlig vergessen, dass wir in den Schulfächern "Medienkompetenz" und ziemlich Viele auch in "Öko-Konsequenzen" leider seit Langem ein Totalausfall sind....

  • Der Amerikanische Präsident vertritt ja nicht in erster Linie sich selbst sondern die Interessen und die Ideologie der konservativen Republikanern in USA und ihren finazillen Unterstützern. Sie haben ihn ja neulich auch erneut ihren Vertrauen bestätigt. Konservative in USA wie auch in Europa haben eben kaum ein ernsthaftes Interesse an Umweltschutz und Klimaschutz. Und so handeln sie auch und verhindern eine wirkungsvolle Umwelt- und Klimapolitik.

    • @Nilsson Samuelsson:

      ...traurig und wahr!

  • "Einige Wenige - im Verhältnis - leben bereits klimakonform - kaufen Second Hand, leben vegetarisch/vegan, haben kein Auto, eine kleine Wohnung, machen keine Flugreisen - aber die alleine reichen nicht, um das Ruder rumzureißen."

    von diesen wenigen in den reichen ländern sind viele oder die meisten arm-und beteiligen sich allenfalls durch den kauf von "Billigfleisch" UND/ ODER billigen milchprodukten und "Billig-Klamotten "freiwillig an der destabilisierung des klimas des planeten.ein kleines oder "grosses Auto" eine "grosse Wohnung " und "Urlaube " und insbesondere solche für die "Flugreisen" erforderlich sind,weil es keine anderen verkehrsmittel gibt,können sie sich nicht leisten.

    da im kapitalismus der sozialstatus vom konsum abhängt wird sich am unverantwortlichen verhalten der meisten leute in den reichen ländern nichts ändern.

    ein bekennender grünen-wähler in meiner bekanntschaft protzt zuweilen damit wieviele fernreisen er schon gemacht hat.



    er weiss ganz genau dass er damit das klima des planeten destabilisiert,aber er hört trotzdem nicht damit auf-weil ihm das reisen in ferne länder und wohl auch das protzen damit soviel spass macht..

    er bewundert mich weil Ich elf sprachen verstehe -und viel mehr bücher gelesen habe als er .er hält sich aber trotzdem für etwas besseres weil er viel mehr geld hat-,aber da er eine fahrkarte hat mit der er jemanden mitnehmen kann gehen wir manchmal zusammen wandern ,aber obwohl wir oft über die probleme der welt diskutieren konnte Ich ihm das fliegen nicht austreiben.immerhin hat er sich aber vom fleisch-essen verabschiedet und insofern einen fortschritt gemacht



    innereuropäische reisen will er jetzt mit der eisenbahn machen-



    das problem ist nur dass er am liebsten auf allen kontinenten unterwegs ist.



    das beispiel dieser person zeigt dass Sie recht haben.



    Was es braucht, sind Gesetze. Weltweit."

    • @satgurupseudologos:

      Beeindruckend geschildertes Beispiel aus der "Kategorie der bewussten Handlungsverweigerer", welche meiner schlimmsten Befürchtung nach, eine Mehrheit aller "Inaktiven" darstellt. Genau so verhält es sich.



      Allerdings werden Gesetze, welche einen abprupten und radikalen Sytemwechsel (sich z. Bsp. als allererstes vom ewigen Wachstum zu verabschieden) erforderlich machten, nicht innerhalb des dafür zwingend einzuhaltenden Zeitfensters, erlassen und konsequent umgesetzt werden. Zumindest nicht bevor es auch in Mittel- und Nordeuropa zu verheerenden Katastrophen wie aktuell in Kalifornien, Bangladesh, etc., gekommen ist. Bis dahin werden längst eine Reihe von (weiteren) Kipppunkten überschritten sein und die Menschen (und Naturräume) in den Entwicklungsländern unendliches Leid und Zerstörung ertragen haben müssen. Mit politischem Handeln wird (in der EU), wenn überhaupt, erst zu rechnen sein, wenn es zu spät ist. Für eine "Rebellion" aus der Gesellschaft heraus, mangelt es (zumindest bis dato) unter Anderem aufgrund des von Ihnen geschilderten Beispiels, aufgrund von bloßer Bequemlichkeit Vieler, sowie aufgrund immer noch weit verbreiteter Unkenntnis Vieler über die wahre Dramatik der Situation, an der dafür nötigen "Masse an Menschen". DAS ist der traurige Ist-Stand. In allen Industrieländern - weltweit.

  • Mit der Analyse kann ich mitgehen. Aber der vorletzte Absatz verreißt die Qualität dann doch beträchtlich.

    "United behind science" ist zwar 'ne nette Parole, bietet aber im Kontext des Artikels genau keine relevanten Lösungsansätze.

    Es ist nämlich mitnichten so, dass die möglichen und nötigen technischen Schritte nicht bekannt sind oder nicht "geglaubt" werden, sondern dass das ganze eine soziale Problematik ist, die ohne radikale gesellschaftliche Umwälzungen nicht anzupacken geht.

    Und davor haben alle Beteiligten (wenn vielleicht auch nur intuitiv) zu Recht große Angst. Und ich habe auch noch keinen Journalisten, Politiker oder Wissenschaftler getroffen, der fähig war, diese Angst nur im Mindesten abzuschwächen. Alle radikalen gesellschaftlichen Ereignisse haben in der Menschheitsgeschichte nämlich immer Massen an Verlierern erzeugt.

  • "... das Coronavirus werde schon ganz von selbst sehr bald wieder verschwinden."

    Und da (wir haben's amtlich) hat er auch wissentlich gelogen.

    Ich wünsche mir, eines Tages, all die vor Gericht zu sehen, die einem kurzfristigen Gewinn zuliebe gelogen, verdrängt, unterdrückt haben.

  • Nicht die ganze Gesellschaft ist so verblödet, dass sie das Corona-Leugener-Geschwurbel glaubt. Das ist eine Minderheit.

    Der Großteil des Rests will einfach weiter konsumieren - großes Auto, große Wohnung, ständig neue Billig-Klamotten, Billig-Fleisch, Urlaube - und zieht deshalb keine Konsequenzen aus dem Offensichtlichen.

    Einige Wenige - im Verhältnis - leben bereist klimakonform - kaufen Secenod Hand, leben vegetarisch/vegan, haben kein Auto, eine kleine Wohnung, machen keine Flugreisen - aber die alleine reichen nicht, um das Ruder rumzureißen.

    Mehr informieren muss man nicht, die Infos gibts allüberall, man muss sie nur wahrnehmen WOLLEN.

    Was es braucht, sind Gesetze. Weltweit.

    • @sujall:

      Das Bewusstsein und die Wahrnehmung der Welt von Milliarden von Menschen müssen sich ändern, damit sie nicht nur Informationen wahrnehmen wollen, sondern auch Schritte unternehmen, um bestimmte Probleme zu lösen.



      Ich stimme zu, dass weltweite Gesetze notwendig sind.

    • @sujall:

      Ich sehe das auch so. In den TAZ-Kommentaren schimmern ja auch immer mal wieder Verdrängungsmechanismen durch, um nichts ändern zu müssen. Wie Othering: DIE 'Anderen' (Setze beliebigen Staat ein wie 'USA', 'China', 'Indien') seien ja insgesamt gesehen noch schlimmer. Oder der Verweis auf Populationswachstum, um den eigenen tatsächlich großen ökologischen Fußabdruck verdecken zu können. Oder der Verweis auf technologische Fortschritte/Projekte, die tatsächlich im hier und jetzt keine Lösungen darstellen.



      Dann gibt es auch seitens der TAZ selbst regelmäßig Artikel, die einen Bezug der Notwendigkeiten und an radikaler Kritik vermissen lassen. Oder - wie die TAZ-Journalistin Simone Schmollack (zumindest ehrlich und offen) gar davon schreibt, dass sie einmal pro Jahr in den Urlaub fliegen müsse.



      ...

  • Es ist schon auch der Mensch an sich, die einen angeborenen Reflex zur Verdrängung "schlimmer Dinge" in sich trägt. Noch viel mehr jedoch findet die Verdrängung auf medialer Ebene statt. DAS ist es auch, was FFF und Frau Thunberg insbesondere anmahnen bzw. kritisieren. Zurecht!! (aktuell z. Bsp. Feuer in Galicien) Und wenn doch berichtet wird , dann sind für verheerende Feuerinfenos linksradikale Brandstifter verantwortlich. Die Masse soll eben so dumm wie möglich gehalten werden. Bei vielen klappt's ja auch ganz gut...

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Stimmt, die Leute, also wir, schauen zu gerne weg. Gibt ja auch so viel Ablenkung immer. Hinschauen allein reicht aber auch nicht, müssten auch über Perspektiven nachdenken, die Folgen abwägen und dann noch Verhalten ändern. Wie schwer das fällt zeigen die vergangenen Monate. Puh! Hilft wirklich nur helle Panik, wie von G.Thunberg angemahnt?

    • @90946 (Profil gelöscht):

      Ich lebe zwar sehr umweltfreundlich, aber ich sehe auch, dass es zuwenige sind umd das Ruder herumzureissen. Durch meinen vielen Ausdauersport habe ich eine extrem hohe Sauerstoffaufnahmekapazität und werde, wenn der atmosphärische CO2 Gehalt steigt und der O2 Gehalt sinkt, zu den letzten gehören, die Atemprobleme bekommen.



      Die Leute, die sich nie bewegen und alles mit dem Auto machen, werden zuerst leiden.