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Medienstaatsvertrag und OnlinemedienNeue Medien, neue Räte?

Journalistische Onlinemedien gelten nicht so recht als Presse. „Correctiv“-Gründer David Schraven wünscht sich eine ergänzende Instanz zum Presserat.

Zeit für was Neues Foto: imago

Im Oktober tritt der neue Medienstaatsvertrag in Kraft. Besonders ist an ihm schon allein, dass der nicht mehr wie früher „Rundfunkstaatsvertrag“ heißt, obwohl es natürlich weiterhin vor allem um ARD, ZDF, Privatsender und Landesmedienanstalten geht. Es handelt sich also um einen großen Sprung zurück in die Zukunft. Also die mediale Realität.

Noch wichtiger ist, dass dieser Medienstaatsvertrag erstmals auch konkrete Spielregeln für Streamingdienste, Onlineplattformen und die allseits beliebten „Intermediären“ wie Google, Youtube oder Instagram enthält. Das ist dann mal wirklich ein großer Wurf.

Zu Recht haben die „klassischen“ Sender und Medienunternehmen in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert, dass sie extrem eng beaufsichtigt und reguliert werden. Wer als neuer Player am Markt dagegen in den gewundenen Paragrafen des Rundfunkstaatsvertrags nicht vorkam, war fein raus. Nun soll das „Level Playing Field“, also gleiches Recht für alle, Realität werden. Und bevor das Ganze jetzt wieder zerredet wird, sollten wir besser mal abwarten, ob und wie sich diese Regelungen in der Praxis bewähren.

An einer neuen Vorschrift scheiden sich allerdings schon jetzt die Geister. Dabei geht es in der gar nicht um die großen Anbieter. Schon gar nicht um die bislang kaum regulierten Gafa-Konzerne (Google, Apple, Facebook, Amazon). Sondern um Angebote wie netzpolitik.org, Correctiv und alle anderen journalistischen Spielarten im Netz, die keine reinen Ableger einer Zeitung oder Zeitschrift sind. Denn die sind in der Sprache des Medienstaatsvertrags „journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, in denen regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen enthalten sind“. Und diese müssen sich demnächst inhaltlich stärker einer Kontrolle ihrer Sorgfaltspflichten unterwerfen.

Das kann zum einen über den Deutschen Presserat geschehen. Die von den Journalistengewerk­schaften und Verlagen getragene Selbstkontrolle der deutschen Zeitungen und Zeitschriften wacht über die Einhaltung des Pressekodex und kümmert sich seit einigen Jahren auch um Online-only-Angebote. Daneben macht der neue Staatsvertrag noch einen anderen Weg auf: „ Anbieter […], die nicht der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegen, können sich einer […] anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen“, heißt es im Medienstaatsvertrag.

Verfahren kaum zu stemmen

Für Correctiv-Gründer und Publisher David Schraven liegt allerdings genau hier die Krux: „Wir lehnen das Prinzip natürlich überhaupt nicht ab. Dass man sich zu sauberer Arbeit verpflichtet und journalistische Standards einhält, versteht sich von selbst.“ Schraven sieht aber Probleme in den jetzt vorgesehenen Vorschriften zur Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten.

„Die Verfahren beim Presserat sind gerade für kleine Organisationen, geschweige denn zum Beispiel für eine einzelne Blogger*in, kaum zu stemmen. Das ist ein ungeheurer formaler Aufwand, der für große Redaktionen und Verlagsjustiziariate geschaffen wurde.“ Kleinere Einheiten wären da nur nicht mit dem Beschwerdeverfahren beschäftigt – „die brauchten dann auch eine juristische Abteilung“, so Schraven. Außerdem sei der Presserat mit netzspezifischen Verfahren wie Crowd-Recherchen nicht vertraut. „Die konzentrieren sich, wie der Name Presserat schon sagt, auf ihre Kernkompetenz. Und das passt auch.“

Die bestehenden anderen Selbstkontrollorganisationen im Netz wie die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) sind laut Schraven aber auch keine Alternative. „Das wäre ein recht grober Kamm, der den einzelnen Angeboten nicht gerecht wird.“ Um der Vielfalt der im weitesten Sinne journalistischen Spielarten im Netz gerecht zu werden, gibt es für den Correctiv-Frontmann daher nur eine Lösung: „Wir müssen eine eigene Selbstkontrolle gründen.“ Eine Liste mit Kriterien dafür steht ebenfalls im neuen Medienstaatsvertrag – Paragraf 19, Absatz 4.

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