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Mehr Baugenehmigungen in BerlinBauen trotz Mietendeckel

Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen steigt massiv an. Auch sonst bestätigen sich die Befürchtungen der Immobilienbranche nicht.

Trotz Mietendeckel: Alle wollen bauen Foto: dpa

Berln taz | Drei Jahre lang ist die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Berlin gesunken, zuletzt auf 22.534 im Jahr 2019. Im ersten Halbjahr 2020 hat sich dieser Trend dagegen umgekehrt. 12.788 neue Wohnungen wurden laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg von den Bezirken genehmigt, ein Plus von satten 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die überwiegende Mehrheit der genehmigten Wohnungen – 11.346 – entsteht durch Neubauvorhaben, der Rest etwa als ausgebaute Dachgeschosswohnungen in bestehenden Gebäuden.

Wie schon in der Vergangenheit gibt es die meisten Baupläne in Treptow-Köpenick. Hier ist die Zahl mit 2.604 nahezu unverändert. Das Plus resultiert insbesondere aus mehr Baugenehmigungen in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf. In Marzahn-Hellerdorf gehen etwa 2.000 der geplanten 2.228 Wohnungen auf Projekte landeseigener Wohnungsbaugesellschaften zurück. Das größte Projekt in Lichtenberg ist ein 22-geschossiges Gebäude in der Frankfurter Allee, in dem die Howoge knapp 400 Wohnungen errichten will. Mit lediglich 189 neu genehmigten Wohnungen bleibt das CDU-geführte Reinickendorf das absolutes Schlusslicht.

Als im Herbst vergangenen Jahres die Genehmigungszahlen noch sanken, war sich die Immobilienbranche sicher, dies sei eine Auswirkung des – damals noch gar nicht in Kraft getretenen – Mietendeckels. Nun zeigt sich, der Deckel, der bei nach 2014 gebauten Wohnungen nicht zur Anwendung kommt, hat die Neubaubestrebungen der Branche keineswegs abgebremst.

Derselbe Effekt ist auch an den Zahlen zu fertig gestellten Wohnungen abzulesen. Im Juni hatte das Amt für Statistik gemeldet, dass 2019 insgesamt 19.063 neue Wohnungen fertiggestellt wurden – das Ziel des Senats von 20.000 neuen Wohnungen jährlich wurde damit erstmals annähernd erreicht.

Mehr Umsatz bei Verkäufen

Einen Rekord gab es 2019 auch beim Immobilienkauf. Wie aus dem am Montag vorgestellten Immobilienmarktbericht 2019 des Gutachterausschusses hervorgeht, wurden bei annähernd 27.000 Verkäufen insgesamt 21,7 Milliarden Euro umgesetzt, trotz eines Rückgangs bei Baugrundstücken für den Geschosswohnungsbau. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, sagte dazu: „Der Berliner Immobilienmarkt war 2019 noch weitgehend unbeeindruckt von dem für 2020 angekündigten Mietendeckel.“

Unbeeindruckt zeigt sich die Branche zudem bei den verlangten Mieten. Laut einem Bericht des Immobilienforschungsinstituts F+B ebenfalls vom Montag, rufen Vermieter neben der gesetzlich gültigen Höchstmiete bei Neuverträgen massenhaft sogenannte Schattenmieten auf, die nach Vorstellung der Vermieter gelten sollen, sobald der Deckel nicht mehr gilt.

Bei 3.100 untersuchten Inseraten lag die gedeckelte Durchschnittsmiete bei 7,05 Euro pro Quadratmeter; die nicht wirksame Zweitmiete dagegen bei 13,63 Euro. Der Mieterverein hält diese Praxis für rechtlich unzulässig und geht auch davon aus, dass etwaige Nachzahlungsforderungen der Differenzmiete keinen Bestand haben werden.

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7 Kommentare

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  • Seit Inkrafttreten des Mietendeckelgesetzes: 48 % weniger Mietwohnungen im Angebot, 17 % höhere Mieten bei Wohnungen, die nicht dem Deckelgesetz unterfallen. Vorwärts Genossen, vorwärts, ihr kriegt auch den Sand in der Wüste knapp. Ein Mietendeckel bei Wohnungsknappheit wirkt wie ein Brandbeschleuniger zur weiteren Verknappung des Mietwohnungsangebotes. Kaufen wird das neue Mieten in Berlin u das ist auch gut so.

  • Das im Artikel erwähnte plus von 20% an Genehmigungen entspricht ca. 2400 Wohnungen.



    "Das Plus resultiert insbesondere aus mehr Baugenehmigungen in ... . Etwa 2.000 der Wohnungen auf gehen auf Projekte landeseigener Wohnungsbaugesellschaften zurück".

    Kann es also sein, dass lediglich die Stadt ihrer Aufgabe nachgekommen ist, Wohnungen zu bauen, aber sonst niemand? Als Erfolg würde ich das nur bedingt werten.

    Auch der Rekord bei Immobilienverkäufen liegt wohl eher an der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohungen.

    Irgendeine Verbesserung der Situation durch den Mietendeckel kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

    • @Horst Horstmann:

      Insgesamt sind es sogar min. 2.400 Einheiten (Marzahn Hellersdorf + 400 Einheiten der Howoge). Insgesamt sind Genehmigungen für Wohnungen (ohne Dachgeschossausbauten) seit 2017 rückläufig. So wird man auf die Jahreszahlen 2020 und 2021 warten müssen, um eine klare Richtung zu erkennen. Auch da Bauvorhaben mit Grundstückskauf, Planung und dann mit dem Erreichen eines Bauantrags einen gewissen VOrlauf haben. Bis dann die Baugenehmigung erteilt wird, dauert es insbesondere in Berlin ja auch nochmal eine gewisse Zeit. Weder für Jubel- noch für Trauermeldung ist es derzeit zu früh, aber wie gesagt, der bisherige Trend ist seit dem Hoch rückläufig.

  • Wieviele dieser Neubauwohnungen entfallen auf die staatlichen Genossenschaften? Wieviele werden Eigentumswohnungen?

    Und weshalb sollten Schattenmieten unzulässig sein? Wenn das Verfassungsgericht entscheiden sollte, dass das Land Berlin nicht zuständig sein sollte, dann ist das Gesetz nichtig und es kann keine Rechtswirkung entfalten.

    • @DiMa:

      Es ist ja noch viel besser, es wurde vom Verfassungericht ausdrücklich erlaubt, sich eine höhere Miete für den Fall der Verfassunsgswidrigkeit versprechen zu lassen.

      Und ständig zu schreiben, dass diese 'Schattenmiete' rechtlich unzulässig ist, führt doch eher dazu, dass man einen Mietvertrag trotzdem unterschreibt, selbst wenn man sich die 'Schattenmiete' nicht leisten kann.



      Eine unzulässige Klausel kann man immer unterschreiben, da folgt ja nichts draus.

      Als Mieterverein wäre ich da vorsichtig, meine Mitglieder zu einer Unterschrift von Verträgen mit 'Schattenmiete' zu motivieren, weil die eh nicht gilt.



      Wenn die doch fällig werden sollte, fällt das ansonsten auch auf den Verein zurück.

  • Sind das Miet- oder Eigentumswohnungen? Wie hat sich das das Verhältnis entwickelt?

    • @TheBox:

      Beides ist derzeit im Neubau in Berlin rentierlich.



      Während die Bestandsmieten und das Bestandsangebot sinken, steigen die Neubaumieten und das Neubauangebot erheblich und schneller als zuvor.