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Trump erwägt Verschiebung der US-WahlSpiel mit dem Feuer

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Der US-Präsident weiß, dass er die Wahl nicht verschieben kann, und stiftet Chaos. Viele haben Angst vor einem Bürgerkrieg.

Er hat gemerkt, dass er verlieren könnte Foto: Andrew Harnik/ap

E s war zu befürchten. Zum ersten Mal hat US-Präsident Donald Trump am Donnerstag ernsthaft eine Verschiebung der für den 3. November geplanten US-Wahl ins Gespräch gebracht. Mit demonstrativen drei Fragezeichen zwar, aber doch eindeutig in der Intention. Und die zielt nicht darauf, tatsächlich die Wahl zu verschieben.

Trump wird selbst wissen, dass das kaum möglich ist, denn eine Verschiebung müsste vom Kongress beschlossen werden, und das Zeitfenster dafür wäre denkbar knapp, weil sowohl der Ablauf der Legislaturperiode des Kongresses am 3. Januar als auch das Ende der Präsidentschaft am 20. Januar seit 1845 in der Verfassung festgeschrieben sind. Verschieben könnte man also bestenfalls um wenige Wochen, was keines der durch die Coronapandemie bestehenden Probleme lösen würde.

Trump will etwas vollkommen anderes: Er hat gemerkt, dass er verlieren könnte. Und in dem Weltbild, dass er selbst zeichnet, kann das nicht mit rechten Dingen zugehen, sondern muss dunklen Machenschaften geschuldet sein. Selbst 2016, als er die Wahl gewonnen hatte, aber landesweit 3,5 Millionen Stimmen weniger bekommen hatte als Hillary Clinton, sprach er von Wahlbetrug durch „Millionen Illegale“.

Jetzt baut er den gleichen Popanz wieder auf. Sollten die Wahlen größtenteils als Briefwahl stattfinden, schreibt er, wären das die „ungenauesten und betrügerischs­ten“ Wahlen aller Zeiten. Ergo: Wenn ich verliere, dann kann das nur Wahlbetrug sein. Das ist neu: Selbst bei wirklich umstrittenen Wahlen wie im Jahr 2000 erkannte schließlich einer – damals der Demokrat Al Gore – seine Niederlage an und garantierte einen zivilen Übergang.

Die Leier, die Trump anschlägt, kennt man aus sehr vielen fragilen Demokratien, vornehmlich, aber nicht nur in Ländern des globalen Südens und von rechten wie linken Despoten. In ­Westeuropa und den USA wäre so eine Haltung bislang eher ein Fall für den Therapeuten gewesen.

Aber dreieinhalb Jahre Trump-Präsidentschaft mit einer ständigen Propagandabeschallung gegen die Opposition im Kongress, die Medien, die Gewaltenteilung und den „Deep State“ haben unter Trump-Anhänger*innen eine zivile Armee bewaffneter Militanter herausgebildet, auf die die jüngsten Tweets des Präsidenten wie ein Ruf zu den Waffen wirken dürfte. Es klingt vollkommen überzogen – aber noch nie seit den 1960er Jahren haben so viele Menschen in den USA Angst vor einem neuen Bürgerkrieg gehabt.

Trump spielt mit dem Feuer. Und man sollte nicht glauben, dass er einfach zu dumm ist, das zu begreifen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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13 Kommentare

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  • Armin Nassehi hat in seinem Kursbuch-Blog zuletzt vor der falschen Hoffnung gewarnt, Trump werde sicher verlieren. In der Tat haben Trump und seine Klientel das öffentliche Diskussionsklima in den USA völlig mit ihrer Lügen- und Fakepropaganda verseucht und durch das tägliche Sammelsurium von schwachsinnigen Äußerungen und gezielter Hetze die Basis für kommunikativen Ausgleich mit der Opposition definitiv zerstört, womit in der Tat die Basis für gewalttätige Auseinandersetzungen um das Wahlergebnis gelegt ist: die US-Waffenlobby frohlockt schon angesichts der bevorstehenden Konjunktur von Waffenverkäufen.

  • Nicht „Spiel mit dem Feuer“, sondern das Mittel von Diktatoren. Bei den US-Amerikanern und auch uns sollten alle Alarmglocken läuten.

  • Hab ich mir schon vor einiger Zeit gedacht, dass das kommt: Umfragewerte schlecht, Corona, Wirtschaft Talfahrt - am besten die Wahl auf die lange Bank schieben, bis sich die Lage wieder beruhigt. So denkt dieses Ungetüm, aber diese Lage bekommt er nicht mehr in Griff ... und sein Nachfolger?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ziemlich schlau von Trump. Da diskreditiert er Briefwahlen und wird diese tatsächlich fälschen lassen.



    Das Ergebnis legitimiert sich durch seine vorherige Warnung.



    Ein Fuchs, da er weiß, selbst wenn die Gegenseite nur eine tote Oma wählen lässt, hat er gewonnen.

  • ...das war zu erwarten.

    Sowohl, was diesen Kommentar anbelangt, und auch dessen Kommentierung durch Leser*innen, wie auch, was Trump selbst anbelangt.

    Wir alle wissen: bereits im Wahlkamp 2016 sprach Trump davon, dass die Wahlen "ein großer Beschiss" seien.

    Kurz: Präsident Trump weiß, wovon er spricht.

  • 8G
    80198 (Profil gelöscht)

    In einer Gesellschaft gibt es unterschiedliche Kräfte, Trump hat wie jeder Mächtige auch Gegner in der eigenen Staatsverwaltung, die alles versuchen ihn loszubekommen. Das ist völlig normal und keine Verschwörung.

  • Der Herr Trump weis genau, wie er Presse, Funk und Fernsehen an der Nase durch den Ring führt. Er twittert etwas und sogar die taz bringt es auf die Titelseite. Genau das will er erreichen.



    Und was war sonst noch? Ach ja: in Bremen bellt grade ein Hund.

    • @weidedammer:

      Ich finde es schon berichtenswert, dass der Anführer der sogenannten freien Welt sich anschickt, seine Anhänger auf einen Bürgerkrieg gegen die Demokratie anzustacheln.

      • @Motzkopf:

        ...die Deutschen wissen, wie das geht: der Reichstagsbrand am 27./28. Februar 1933 und seine Folgen...

  • Trump wird nun bis zu den Wahlen nur noch auf die Kacke hauen, damit diese themenmäßig nach seinem Geschmack bis in die letzte Medienecke spritzt.

  • Ja, beunruhigend. Das treibt mich schon eine Weile um. Sollte Trump verlieren (und derzeit sieht es danach aus), gibt es in USA genug durchgeknallte, die sich dazu berufen fühlen, "Amerika zu retten". Die haben nicht nur Waffen, sondern sind der Meinung, dass diese für dieses edle Unterfangen das richtige Instrument sind.

  • Die Wahl verschieben benötigt da sicher noch eine Menge Trickserei und Falschbehauptungen, die als Wahrheit angenommen werden.

    Doch was ist, wenn es gelingt? Wieviele aufeinanderfolgende Wahlverschiebungen sind dann theoretisch möglich?

  • In ­Westeuropa und den USA wäre so eine Haltung bislang eher ein Fall für den Therapeuten gewesen.



    #



    Cut = "wäre", paste= "ist", wenn nicht sogar für die Justiz in einen funktionierenden Rechtsstaat!



    The trump irrlichtert durch die nächsten, knapp 100 Tage. Er hat > 3 Jahre "Porzelan zerschlagen", Zwietracht gesät, Leute aufgehetzt, gelogen das sich "die Balken im Oval Office bogen" (ein Wunder, dass dort die Decke noch hängt) nur an sich selbst & sein eigenes Ego gedacht.



    Ernst nehmen kann man den Persildenten & seine Crew nicht mehr, aber gefählich bleiben sie leider doch!



    Was bliebt? Hoffen & "beten". UND dabei "glauben" das in U-RsA, selbst oder gerade nach > 3 Jahren the trump, noch so viel Wissen, politischer Instinkt usw. übrig ist, das ER, der GröPaZ, krachend aus dem Amt fliegt.



    Es wird nach 4 Jahren schon eine Arbeit von Jahrzehnten sein, die Scherben die er schaffte wieder einigermassen zu kitten! Aussen- & innenpolitisch.



    Wenn er wider erwarten von den Wählern noch eine Amtszeit bekommt, kann man das, was die U-SA einmal war, vergessen.



    Danach muss man dieses Land neu Erfinden, es aus fast so schlimmen Trümmern wie nach dem WKII wieder aufbauen.



    Und mit IHM fürchte ich, auch den Rest der Welt! Wenn Imperien so verfallen, trifft es auch die Kleineren/Anderen!



    .



    Gr Sikasuu