Hongkong unter Chinas Sicherheitsgesetz: Polizei schreibt Geschichte um
In Hongkong macht die Polizei Opfer prochinesischer Schläger zu Tätern. Sie nimmt zwei Abgeordnete der demokratischen Opposition fest.
Die Ereignisse vom Mittwoch stellen eine weitere Runde systematischer Verhaftungen im Rahmen von Pekings nationalem Sicherheitsgesetzes dar: Mehr als ein Dutzend Hongkonger wurden festgenommen, darunter neben Lam auch der Abgeordnete Ted Hui, ebenfalls aus dem prodemokratischen Lager.
Hui war bei eskalierenden Protesten mehrmals als Schlichter zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften aufgetreten. Nun wird er offenbar genau dafür strafrechtlich verfolgt.
Besonders Lams Fall wird in den sozialen Medien debattiert: Der Abgeordnete wird nämlich für ein Ereignis vom Juli 2019 belangt, das durch Videoaufnahmen gut dokumentiert ist. Deutlich ist darauf zu sehen, wie ein Mob in weißen T-Shirts die Yuen Long U-Bahn-Station betritt und mit Holzlatten auf Aktivisten einschlägt.
Pekingfreundliche Angreifer blieben unbehelligt
Der 43-jährige Lam befand sich innerhalb der angegriffenen Gruppe und wurde im Gesicht verletzt. Laut eigener Aussage war er dort, um die Demonstranten vor der Gefahr zu warnen. Nun macht ihn die Polizei vom Opfer zum Täter. Gegen die Schläger war die Polizei damals nicht vorgegangen. Ein Peking-naher Abgeordneter wurde damals gefilmt, wie er einigen von ihnen grüßte.
Zum 1. Juli hatte Pekings Staatsführung Hongkong ein hartes Gesetz für die nationale Sicherheit aufgezwungen: Chinas Kommunistische Partei hatte das Dekret weder zur Abstimmung vom Hongkonger Parlament passieren lassen, noch die Lokalregierung überhaupt konsultiert. Der Gesetzestext stellt weitläufige Formen des politischen Protests und zivilen Ungehorsams unter drakonische Strafen.
Was die Protestbewegung, die seit April 2019 massiv gegen Pekings totalitäre Einflussversuche auf die Straße zog, schon damals befürchtet hat, ist eingetreten: Demokratieaktivisten können jetzt jederzeit verhaftet werden, auch für rückwirkende Delikte, die damals zu Hongkongs bürgerlichen Freiheiten gehört haben.
Das gesellschaftliche Klima hat sich stark verändert
Dabei verstößt das nationale Sicherheitsgesetz gegen internationale Verträge, die Hongkong bis 2047 – 50 Jahre nach der britischen Übergabe an Festlandchina – weitreichende Autonomie zugesichert haben.
Das gesellschaftliche Klima hat sich seither stark verändert: Viele Hongkonger haben ihre Profile in sozialen Medien gelöscht, Professoren reden nicht mehr mit ausländischen Medien, Bibliotheken und Schulen werden von kritischen Inhalten gesäubert und vor den Häusern von Regierungskritikern wurden Überwachungskameras installiert.
Immer mehr ähnelt Hongkong jetzt einer gewöhnlichen Stadt in Festlandchina, wo die Kommunistische Partei die Meinungsfreiheit beschränkt und die Justiz dirigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal