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Prozess um Vergewaltigung in FreiburgZehn Haftstrafen und ein Freispruch

Der Prozess zur Gruppenvergewaltigung in Freiburg ist nach fast zwei Jahren zu Ende gegangen. Der Haupttäter muss für über fünf Jahre ins Gefängnis.

Zehn zum Teil langjährige Haftstrafen, ein Freispruch – 11 Männer waren in Freiburg angeklagt Foto: Patrick Seeger/dpa

Freiburg taz | Am Ende redet der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin den jugendlichen Angeklagten ins Gewissen. Sie sollen das Urteil als Chance nehmen, ein anderes Leben zu beginnen. „Sonst verbringen Sie einen Großteil Ihrer Zeit in Deutschland im Gefängnis“.

Elf Angeklagte und zehn zum Teil langjährige Haftstrafen, dazu ein Freispruch, so lautet die Bilanz nach 46 Verhandlungstagen in einem Verfahren, das in der Presse als Freiburger Gruppenvergewaltigung bekannt wurde. Es sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, weil die meisten der Angeklagten, die zur Tatzeit zwischen 18 und 30 Jahre alt waren, Geflüchtete sind. Einige von ihnen waren bereits vorbestraft, manche auch schon wegen Gewaltdelikten.

Der Prozessauftakt im vergangenen Jahr war noch von Demonstrationen begleitet gewesen, die Urteilsverkündung fand unter Corona-Bedingungen in einem Gemeindesaal statt. Mit leichter Verzögerung verkündete Richter Bürgelin nun das Urteil der Jugendstrafkammer. Der Hauptangeklagte Majid H. muss wegen Vergewaltigung für fünf Jahre und sechs Monate in Haft.

Er hatte die alkoholisierte und unter Drogeneinfluss stehende Miriam W. in das Wäldchen nahe einer Diskothek geführt, um ihr angeblich eine Tätowierung zu zeigen. Danach hat er sie auf den Boden geschubst, festgehalten und vergewaltigt. Er habe die 18-Jährige dann alleine liegen gelassen und die anderen Männer geholt. Es folgte ein stundenlanges Leiden für die junge Frau.

Keine Strafe für den „Retter“

Sein Freund Ibrahim M., der der Frau eine Ecstacy-Tablette verkauft hatte, muss für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Auch er habe die Frau sexuell missbraucht und andere aufgefordert, das Gleiche zu tun.

Die anderen jungen Männer, denen das Gericht eine Vergewaltigung nachweisen kann, erhalten Haftstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bis zu vier Jahren. Zwei Angeklagte erhalten eine Strafe von vier und sechs Monaten wegen unterlassener Hilfeleistung.

Nur Mohammad M. wird von allen Vorwürfen freigesprochen und muss sich nur noch wegen eines Drogendelikts verantworten. Er war derjenige, der der Frau half und ihr zusammen mit ihrer Freundin in der Nacht eine Möglichkeit zur Übernachtung gab. Ihn hatte die 18-Jährige in ihrer Aussage als „Retter“ bezeichnet. Insgesamt folgte das Gericht mit seinem Urteil im Wesentlichen den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Der Abend im Oktober 2018 hatte für die 18-Jährige diesen dramatischen Verlauf genommen, nachdem sie Majid H. in der Diskothek kennen gelernt und eine hochdosierte Ecstacy-Tablette eingenommen hatte. Der psychologische Gutachter und Drogenexperte Torsten Passie bescheinigte der Frau, die vorher keine Erfahrungen mit Drogen hatte, während der Vergewaltigung in einem „psychoseähnlichen“ Zustand, gewesen zu sein, der eine Gegenwehr unmöglich gemacht habe. Sie selbst hat in ihrer nichtöffentlichen Aussage, die das Gericht in der Urteilsbegründung zitiert, nur noch von bloßen „Erinnerungsinseln“ an die Tatnacht gesprochen.

Keine glaubhaften Gegendarstellungen

Alle Behauptungen der Angeklagten, die Frau habe Sex mit den Männern gewollt, nannte das Gericht – gestützt auf psychologische Gutachten – „eine Standardeinlassung von Angeklagten bei Vergewaltigungsprozessen“ und nicht glaubhaft. Eventuelle Rufe von ihr, die die Männer ermuntert haben könnten, seien dem offensichtlichen Drogeneinfluss geschuldet, den auch die Täter bemerken mussten. Die junge Frau hat bis heute mit schweren gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.

Für die Angeklagten falle die lange Prozessdauer mildernd ins Gewicht, erklärte die Jugendkammer. Der Prozess dauerte fast zwei Jahre und wurde durch den Corona-Lockdown zusätzlich verzögert. Außerdem stellte das Gericht bei den Angeklagten Flucht- und Gewalterfahrungen in ihrer Jugend in Rechnung, betonte aber auch, dass Vorstrafen bei Einzelnen zur Strafverschärfung geführt haben. Übrigens auch bei dem einzigen Angeklagten mit deutschem Pass, Timo B., der zu drei Jahren wegen Vergewaltigung verurteilt wurde. Auch er ist bereits wegen Raubes vorbestraft und muss nun für 3 Jahre in Haft.

Die Anwältin von Miriam W. die im Prozess als Nebenklägerin aufgetreten war, äußerte sich zufrieden zu dem Urteil. Sie hoffe, dass ihre Mandantin mit dem Geschehenen abschließen könne.

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4 Kommentare

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  • Eine Gegenwehr ist auch im nüchternen Zustand oft nicht möglich, es handelt sich um einen Gewaltakt. Die zitierte Einschätzung des Gutachters ist verheerend u impliziert, dass das Opfer eine Pflicht zur Abwehr habe U die Tat deshalb zu verurteilen sei, weil sie diese aufgrund von Drogen - und Alkoholkonsum nicht mehr habe leisten können. Auch wenn die Verurteilung richtig ist, wirft das zitierte Gutachten ein Zerrbild auf, dass das Opfer nur deshalb eines sei, weil sie der Gegenwehr nicht mehr habe nachkommen können. Die Täter sind Vergewaltiger und die Frau hat grosses Leid erlitten, für das sie keine Verantwortung trägt!

  • Doch ein recht überschaubares Strafmaß. Meetoo und "Nein heißt nein" zum Trotz.

    • Benno Stieber , Autor des Artikels, taz-Korrespondent BaWü
      @TazTiz:

      Was veranlasst sie zu dieser juristischen Einschätzung? Ein Teil der Angeklagten wurde nach jugendstrafrecht verurteilt.

      • @Benno Stieber:

        Die Höhe der Strafen beruht im Wesentlichen auf den jeweiligen Vorstrafen. Das Jugendstrafrecht wird hier doch für Männer angewendet, die sich in Clubs und Bars rumtreiben und nicht für Jugendliche, die sich auf dem Schulweg im Gebüsch betätigt haben. Aber im Zweifel für den Angeklagten ...