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Grüne für Non-Profit-JournalismusHer mit dem Gemeinnutz

In den USA ist gemeinnütziger Journalismus längst Realität, in Deutschland fehlt eine gesetzliche Grundlage. Ein neuer Vorstoß kommt von den Grünen.

Diskussionsrunde mit „Correctiv“, den Pionieren gemeinnütziger Recherche in Deutschland Foto: Anja Cord/imago images

Journalismus ist ein paradoxes Geschäft. Einerseits verzeichnen gerade in den Zeiten der Coronapandemie fast alle Medien ein deutlich gestiegenes Interesse und eine entsprechend häufigere Nutzung ihrer Inhalte. Andererseits sind die Werbeeinnahmen eingebrochen und Expert*innen sagen keine baldige Erholung voraus. Die Zahlungsmoral für Onlineinhalte steigt zwar. Aber nicht in dem Maße, dass das bei den Zeitungen den Abo-Rückgang der Printauf­lagen annähernd ausgleichen könnte. Die im Bereich Regionalpresse bestens verdrahtete Beratungsfirma Schickler warnt, in den kommenden fünf Jahren seien 40 Prozent der heute noch erscheinenden Lokalteile gefährdet.

Dass Journalismus kein Fall für die rote Liste der ums Überleben kämpfenden Berufe werden darf, spricht sich mittlerweile auch in der Politik rum. Zahlreiche Bundesländer haben im Rahmen ihrer Coronahilfspakete auch Förderprogramme für Medien vorgesehen. Der Bund spendiert in den kommenden Jahren 220 Millionen Euro, um Medienvielfalt und -verbreitung sicher zu stellen.

Die Grünen gehen jetzt noch einen Schritt weiter und haben im Bundestag einen Antrag eingebracht, um Non-Profit-Journalismus in Deutschland endlich als gemeinnützig anzuerkennen. Die Debatte, ob zukünftig neben e-Sports und freiem WLAN – von schon lange als gemeinnützig anerkannten systemrelevanten Dingen wie Modellflug oder Turnierbridge ganz zu schweigen – auch bestimmte journalistische Spielarten als steuerbegünstigt eingestuft werden sollten, ist nicht eben neu.

Die Coronakrise sorgt jetzt für neuen Schub. Denn sie hat – so heißt es jetzt im als Drucksache 19/20790 eingebrachten Antrag – „die strukturelle Unterfinanzierung des Journalismus besonders sichtbar gemacht“. So werde unbestreitbar deutlich, „wie krisenanfällig der gewinnorientierte Journalismus ist“. Non-Profit-Medien sollen dabei niemandem Konkurrenz machen, sondern vielmehr „­neben den etablierten öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu einer wichtigen Säule für die Medienvielfalt und die mediale Grundversorgung werden“. Unabhängig von der Diskussion um mehr Vielfalt im Bereich der gewinnorientiert ­arbeitenden privaten Medien sei es deshalb dringend geboten, den Non-Profit-Journalismus stärker in den Blick zu nehmen.

USA als Vorbild

Eile ist geboten, denn die Abgabeordnung, in der das Bundesministerium der Finanzen und die Finanzministerien der Länder regeln, was gemeinnützig ist und was nicht, wird gerade neu gefasst. Mit der geplanten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts biete sich nun die seltene Chance, „die wichtige Funktion des Journalismus für unsere Demokratie steuerrechtlich anzuerkennen“, so die Grünen.

Dabei hinkt die Entwicklung in Deutschland hinterher. Ausgerechnet in den USA, dem Land des wohl liberalsten Kapitalismus weltweit, gehören „Not for Profit“-Medien seit über 100 Jahren dazu. Nachdem die US-Steuerbehörden ihre Anerkennungspraxis in den letzten Jahren gelockert haben, gibt es eine förmliche Non-Profit-Welle im Medienbereich. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Unternehmen sind überwiegend von der Steuerlast befreit. Außerdem dürfen sie Spenden und Zuwendungen von Stiftungen oder Einzelpersonen annehmen, die diese dann wiederum steuerlich geltend machen können. Magazine wie Mother Jones oder lokale Angebote wie The Chicago Reporter gibt es seit den 1970er Jahren.

In jüngster Zeit sind in vielen Städten, in denen die Medienkrise klassische Medienhäuser in die Knie zwang, gemeinnützige Onlinezeitungen wie die Texas Tribune (Austin), die Voice of San Diego oder die MinnPost (Minneapolis) entstanden. Auch ProPublica und andere Recherche- bzw. Investigativjournalismus-Redaktionen und Organisationen wie das International Consortium of Investigative Journalists haben gemeinnützigen Status.

Jetzt ist auch in Deutschland vorsichtiges Hoffen angesagt. Denn hierzulande hat sich eine nicht ganz alltägliche Koalition für den gemeinnützigen Journalismus gefunden. Die Linke ist nicht abgeneigt. Und schon vor dem Antrag der Grünen hatte die CDU-FDP-Koalition in NRW das Thema aufgenommen und 2019 einen entsprechenden Antrag im Bundesrat eingebracht. Der schmort seither in den Ausschüssen. Höchste Zeit, dass es auch dort weitergeht. Und die SPD sich mal ’nen Ruck gibt.

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4 Kommentare

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  • Eine Staatsfinanzierung würde das Ende des unabhängigen Journalismus bedeuten.

    Er würde dort landen wo die ÖR-Medien schon sind. Und zwar in der Abhängigkeit von politischen Entscheidungen, spätestens wenn es ums Geld geht.

    Bequem ist es natürlich schon - das Geld fließt aufs Konto ohne dass man es erwirtschaften muss.



    Das scheint für den Autor ein erstrebenswertes Ziel zu sein.

    Für kritische Leser gibt es nur ein richtiges Modell: ein freier, unanhängiger und bissiger Journalismus.

    • @Argonaut:

      Ich sag mal so: Entweder Die haben den Artikel nicht gelesen, oder aber (was ich dem Fall schlimmer fände) ganz und gar nicht verstanden, worum es geht.

    • @Argonaut:

      „Für kritische Leser gibt es nur ein richtiges Modell: ein freier, unabhängiger und bissiger Journalismus“



      Das ist aber auch nicht die ultimative Lösung, wenn Medien und Journalisten ausschließlich mit dem Verkauf der Auflage ihre Brötchen verdienen und keine weiteren Einnahmequellen haben. Dann könnte man den Anteil der Werbung erhöhen, was die Leserschaft nur begrenzt mitmacht, oder man praktiziert „freien, unabhängigen und bissigen Journalismus“ nur, solange die Auflage nicht beeinträchtigt wird. So entstand das Prinzip, nach dem viele Boulevardblätter arbeiten: „only bad news are good news“!

    • @Argonaut:

      Textverständnis: 6. Es werden zwar auch Förderungen im Rahmen von Coronahilfspaketen erwähnt, aber im Kern geht es darum, dass nicht gewinnorientierter Journalismus gemeinnützig werden soll. Es fließt dann trotzdem kein Staatsgeld aufs Konto, sondern -- wie der Text erklärt -- gibt es Steuerermäßigungen und die Möglichkeit (steuerfreie) Spenden anzunehmen.

      Ich bin nicht sicher, ob ich das gut finde, da dies auch z.B. braunen Blättern zugute kommen dürfte. Aber das Gleiche gilt ja auch jetzt schon für dubiose Vereine und Kirchen.