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Polizeieinsatz nach Antirassismus-DemoReizgas in die Nase, Knie im Nacken

Fotos belegen einen sehr robusten Polizeieinsatz am Ende der Anti-Rassismus-Demonstration am vergangenen Sonnabend.

Gezielter Einsatz: Polizist greift am Rande der Anti-Rassismus-Demo zum Pfefferspray Foto: Leo Schneider

Hamburg taz | Die beiden Bilder sprechen eine deutliche Sprache, die Polizei aber schweigt sich aus. Von der Hamburger Anti-Rassismus-Demo am vergangenen Freitag, die lange friedlich verlief und von der Polizei toleriert wurde, obwohl die Menge der Demons­trierenden zu groß war, um Abstand zu halten, tauchen immer mehr Fotodokumente auf, die ein sehr rustikales Einschreiten der Polizei dokumentieren. Die aber mag ihr Verhalten auf der Demo nicht kommentieren.

So zeigt ein Foto der Fotografin mit dem Künstlernamen Lina Leistenschneider, wie ein junger Mann am Boden liegt, das Knie eines Polizisten auf Hals und seinen Schultern. Die Szene erinnert unwillkürlich an die Festnahme von George Floyd, gegen dessen Tötung die 14.000 auf dem Rathausmarkt zusammengekommenen Menschen demonstriert haben.

„Der junge Mann saß friedlich am Straßenrand, als ihn ein Polizeitrupp gewaltsam von dort wegzerrte“, berichtet die Fotografin. „Der Mann wurde brutal zu Boden gebracht und später in Handschellen wieder abgeführt.“ Zuvor sei sie selbst von demselben Polizeitrupp aggressiv vom Rathausmarkt vertrieben und weggeschubst worden, obwohl sie den Beamten ihren Presseausweis vor die Nase gehalten habe.

Am Demotag sei es „um 19.57 Uhr zu einer Festnahme eines Tatverdächtigen nach versuchter gefährlicher Körperverletzung“ gekommen, die das vorliegende Foto mutmaßlich wiedergebe, berichtet Polizeisprecher Holger Vehren. Nähere Ausführungen zu dem Hergang der Festnahme mag Vehren „aufgrund des andauernden Ermittlungsverfahrens“ nicht geben.

Gezielt Reizgas gesprüht

„Derzeit keiner konkreten Situation zuordnen“ kann Vehren ein weiteres Foto, das zeigt, wie eine junge Schwarze, die sich von Polizeikräften abwendet, von einem Beamten gezielt mit Reizgas oder Pfefferspray besprüht wird.

Der Fotograf Leo Schneider, der diese Szene eingefangen hat, berichtet, wie Polizeibeamte unmittelbar zuvor – gegen 19.25 Uhr – am Rathausmarkt, junge Menschen, die „augenscheinlich zum Einkaufen und nicht zum Demonstrieren“ in der City waren, von den Stufen des Heinrich Heine-Denkmals „mit Zwang vertrieben. Einige der PolizeibeamtInnen begannen dann, Reizstoff auf die umstehenden und flüchtenden Personen zu sprühen.

Nachdem viele junge Menschen vom Reizgas getroffen wurden, verließen sie weinend und schreiend das Denkmal.“ Schneider weiter: „Den Sinn der Aktion verstand keine der anwesenden Personen, genauso wenig, wie die überzogene Wahl der Einsatzmittel und das aggressive Verhalten gegen friedliche Personen.“

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5 Kommentare

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  • Kann es sein, dass dort, wo Grüne mit regieren, die Polizei besonders brutal zulangt?



    In HH ist die Polizei ja besonders rabiat. Das wissen wir seit dem G20 Gipfel. Und in Berlin sieht es ebenfalls nicht viel besser aus.

    Die Vorfälle in HH sind allerdings besonders schlimm, denn hier sprüht die Polizei Kampfgas auf friedliche Zivilisten. Sieht fast danach aus, dass hier getestet wird, wie weit man gehen kann mit unkontrollierter Gewaltanwendung.

    Ich wünschte mir mehr PolitikerInnen wie z.B. Saskia Esken, die für einen besseren Schutz der BürgerInnen gegen Polizeigewalt eintritt.

    • @Rolf B.:

      Das ist nicht seit dem G20-Gipfel so, sondern seit ~2002. Damals ist Ronald Schill mit seiner Partei Rechtsstaatlicher Offensive an die Regierung gekommen. Exekutive und Judikative in Hamburg zu radikalisieren. Er hat die Hamburger Polizeiführung ausgetauscht und u.A. Hartmut Dudde zum Großeinsatzchef gemacht. Schill ist schnell wieder verschwunden - Dudde und Schills andere Kettenhunde sind geblieben und haben weiter Karriere gemacht. Seitdem gibt es in Hamburg die sog. "Hamburger Linie", die bei Großveranstaltungen statt auf Deeskalation auf frühzeitige Polizeigewalt mit Abschreckungswirkung setzt.

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      ähem, was ist eigentlich mit der mehrheit der spd in beiden städten?



      wer hat z.b. auch rosa luxemburg auf dem gewissen?



      mehr saskia eskens wären gut, schon immer gewesen.

      • @90118 (Profil gelöscht):

        ähem, die SPD in HH war IMMER die konservativste Sozialdemokratie. Man kann auch reaktionär sagen. Die Grünen haben da nichts verbessert. Sie sind quasi unsichtbar.



        Und Berlin? Da bin ich sogar von den Linken brutal enttäuscht.

  • Is doch klar, worum es geht. Deeskalation durch präventive Drohungen gegen potenzielle Demonstranten. Die Botschaft lautet: “Das blüht euch, wenn ihr das Maul aufmacht.“