Österreich führt Pauschal-Ticket ein: Mit Bus und Bahn in die Zukunft
Österreich rettet mit viel Steuergeld die Fluglinie Austrian Airlines – und verbindet den Schritt mit ökologischen Maßnahmen.
In Wien und Vorarlberg haben die Grünen schon vor Jahren ein 365-Euro Jahresticket durchgesetzt. Die Auslastung von U-Bahn, Bus und Straßenbahn hat sich seither deutlich erhöht. Jetzt wird diese Idee auf ganz Österreich ausgedehnt. Förderungen von 240 Millionen Euro seien fest zugesagt, so Gewessler. Das Jahresticket wird 1.095 Euro kosten. Die Variante, die unbegrenztes Reisen in einem oder zwei Bundesländern für 1 Euro beziehungsweise 2 Euro täglich vorsieht, muss noch warten.
Die Tarifreform geht einher mit einer Offensive, die das Bahnreisen attraktiver machen soll. So wird die ÖBB eine halbe Milliarde Euro in zusätzliche Nachtzüge investieren. Ab 2024 sollen jährlich weitere 10 Millionen Euro für Investitionen bereitstehen. Die ÖBB zeigen sich in einem Tweet erfreut über neue Nachtzugverbindungen und das 1-2-3-Ticket: „Ziel ist, Menschen für Bus und Bahn zu begeistern und mit Nachtzügen klimafreundliche Alternative zu Flugreisen bieten zu können.“
Schnelle Städteverbindungen spielen auch eine Rolle bei dem Paket, das mit der Lufthansa über die AUA ausgehandelt wurde. So sollen Flüge in Destinationen, die in „deutlich unter drei Stunden“ mit der Bahn erreichbar sind, nicht mehr angeflogen werden. Namen werden zwar keine genannt, doch sind die Landeshauptstädte Linz (circa 180 Kilometer von Wien) und Salzburg (300 Kilometer) die ersten Kandidaten. Nach Eröffnung von zwei Tunnels werden auch Graz und Klagenfurt über die Schiene schneller erreichbar sein. Dagegen protestiert die rechte FPÖ: „An unseren heimischen Flughäfen hängen Aberhunderte Arbeitsplätze“. Man fürchte um die Industrie- und Zulieferunternehmen im Grazer Umland.
Das Besäufnis auf Mallorca wird teurer
Gleichzeitig will die AUA ökologischer und leiser werden. Bis 2030 ist eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent zum Vergleichsjahr 2005 vereinbart worden. Der Fluglärm ist bis dahin um ganze 60 Prozent zu drosseln. Das soll vor allem durch technische Verbesserungen bei der Landung erreicht werden. Umweltministerin Gewessler hat auch ein Antidumpinggesetz durchgesetzt, das verhindern soll, dass Fluglinien ihre Tickets unter den gesetzlichen Gebühren und Abgaben anbieten. Das sind derzeit rund 40 Euro. Der Unfug, für ein Besäufnis über den Samstag nach Mallorca zu fliegen, würde damit aufhören. Eine zusätzliche Ticketsteuer von 12 Euro, die in naher Zukunft erhoben werden soll, würde vor allem die Kurzstrecke belasten.
Anders als die deutsche Bundesregierung haben die österreichischen Amtskollegen keine Beteiligung am Lufthansa-Konzern ausgehandelt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte als Ziele der Verhandlungen, „die Masse der Arbeitsplätze retten, eine Garantie fürs Drehkreuz Wien und notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz“.
Das ist der Republik immerhin 450 Millionen Euro wert. 150 Millionen sind ein Zuschuss, weitere 300 Millionen werden von einem Bankenkonsortium als Kredit vergeben. Für 90 Prozent davon haftet die Republik. Sollte das Unternehmen nicht zahlen können, fiele es ins Eigentum der Republik, wie Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verkündete. Gesichert wird das Darlehen mit Flugzeugen und Aktien. Ursprünglich hatte die AUA fast 800 Millionen Euro an Staatshilfe beantragt. Schon im Mai wurde mit dem Betriebsrat vereinbart, dass die Belegschaft zeitweise auf bis zu 15 Prozent ihres Gehalts verzichtet. Damit sollen bis 2024 mindestens 300 Millionen Euro eingespart werden.
10 Jahre Sicherheit
Die Lufthansa verpflichtete sich ihrerseits, 150 Millionen in ihre Tochter zu investieren. Obwohl die Lufthansa-Aktie seit dem Tiefststand im April wieder um 70 Prozent zugelegt hat, rechnet Konzernchef Carsten Spohr, der zur Vertragsunterzeichnung nach Wien kam, nicht damit, dass das Vor-Corona-Niveau in weniger als drei Jahren erreicht wird.
Trotzdem geht der Konzern die Verpflichtung ein, nicht nur den Markennamen Austrian Airlines beizubehalten, sondern auch den Hub Wien zehn Jahre lang nicht anzutasten. Des Weiteren sieht das Abkommen vor, dass das Drehkreuz Wien gegenüber den Hubs Frankfurt, München und Zürich nicht benachteiligt wird.
Der linke Wirtschaftswissenschaftler Stephan Schulmeister bemängelt, dass die ökologischen Auflagen mangels internationaler Schiedsgerichtsbarkeit nicht einklagbar seien: „Der Kauf aus der Konkursmasse wäre billiger, dann hätte die Republik gestalten können.“ Nämlich als Eigentümer. Jetzt darf sie lediglich einen Posten im AUA-Aufsichtsrat besetzen und zwei Vertreter in den Stiftungsvorstand der Luftverkehrsholding entsenden.
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