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Milliardenhilfen für Europa nach CoronaNoch ist nichts gewonnen

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Mit Hunderten Milliarden Euro soll die EU nach der Coronakrise wieder auf die Beine kommen. Gefordert ist dabei vor allem Kanzlerin Angela Merkel.

Merkels Herkulesaufgabe: Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft der EU am 1. Juli Foto: Michael Kappeler/dpa

B rüssel hat einen Plan. Er heißt „Next Generation EU“, kostet schlappe 750 Milliarden Euro auf Pump – und soll den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft nach der Corona­krise sichern.

Nach wochenlangem planlosem Gezerre ist das eine gute Nachricht. Zu Beginn der Krise ließen sich die 27 EU-Staaten von Egoismus und Nationalismus leiten. Nun wird wieder über Solidarität geredet.

Doch wird diese Solidarität auch gelebt? Das ist die Frage, die die nächsten Wochen in Brüssel beherrschen wird und die über das Schicksal der EU entscheidet. Denn wenn die Union diesen Solidaritätstest nicht besteht, dann wird sie untergehen. Jetzt hat die „Stunde der Wahrheit“ geschlagen, die Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seit Wochen beschwört. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel muss Widerstände überwinden und Mehrheiten organisieren.

Atemberaubende Kehrtwende

Warum kommt es auf die Kanzlerin an? Nun, weil sich Macron seiner Verbündeten sicher sein kann. Er war es, der schon im März ein Bündnis von neun Staaten organisiert hat, die für mehr Solidarität stritten – damals hieß der Schlachtruf noch „Coronabonds“.

Macron war es auch, der Merkel zu ihrer atemberaubenden Kehrtwende in der Finanzpolitik bewegt hat. Die Kanzlerin dagegen steht noch ganz am Anfang. Sie hat keine Bündnisse auf europäischer Ebene geschmiedet, die eine schnelle Einigung sichern könnten. Sie kann sich nur auf Kommissionschefin Ursula von der Leyen stützen. Der Rest ist Schweigen – oder offene Ablehnung. Das Problem sind nicht nur die viel zitierten „Frugal Four“ – also die geizigen Vier um den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz. Sie denken und reden immer noch wie Merkel vor der Coronakrise; die Kanzlerin hat sie nicht mitgenommen.

Das Problem sind auch die Visegrád-Staaten, die bisher von vollen EU-Töpfen profitiert haben und nun plötzlich teilen sollen. Polen und Ungarn müssen sogar mit Kürzungen rechnen, wenn die Finanzhilfen künftig an Rechtsstaatlichkeit gebunden werden.

Mit beiden Gruppen hat sich Merkel bisher gut verstanden, es gab auch manche Kungelei. Nun muss sie sie zum Umdenken bewegen. Das dürfte nicht einfach werden. Allerdings zeichnen sich auch schon mögliche Kompromisse ab. So könnte der Wiederaufbaufonds von den geplanten 750 Milliarden Euro auf 500 Milliarden zusammengestrichen werden. Wir wären dann wieder bei der Summe, die Merkel und Macron vorgeschlagen hatten.

Merkel muss liefern

Außerdem können die Staats- und Regierungschefs bei den nun anstehenden Verhandlungen den „Mix“ zwischen Transfers und Krediten verändern. Am Ende könnte ein „50:50“ stehen – die eine Hälfte wird als rückzahlbare Kredite vergeben, die andere Hälfte als Zuwendungen.

Merkel kann auch noch an den EU-Beiträgen drehen – und durchsetzen, dass die umstrittenen Beitragsrabatte bleiben. Dies würde Kurz und dem niederländischen Premier Mark Rutte entgegenkommen. Sie könnten sich doch noch als Sieger ­präsentieren.

Allerdings würden derlei Kompromisse den Zusammenhalt der EU schwächen und die Solidarität untergraben. Wenn Merkel als künftige EU-Ratspräsidentin an zu vielen Schrauben dreht, dann steht nicht nur weniger für den Wiederaufbau zu Verfügung. Dann könnte auch das Geld in der Gemeinschaftskasse knapp werden.

Schon jetzt ist das EU-Budget auf Kante genäht. Der EU-Beitrag von rund 1 Prozent der Wirtschaftsleistung reicht hinten und vorne nicht. Er muss spürbar erhöht werden, wenn die EU die Krise wirklich meistern will.

Wichtig wäre es auch, der EU neue Eigenmittel – also Steuern und Abgaben – zu sichern, um sie von den Staaten unabhängiger zu machen und die Rückzahlung der Schulden zu sichern. Bisher war Bundeskanzlerin Merkel dagegen. Auch sie wird sich noch bewegen müssen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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8 Kommentare

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  • Sparen tötet.



    Das Propagandawort "Schulden" vernebelt, dass man nun eben Geld in die Hand nehmen muss, um das Leben wieder anzukurbeln. Die wenigen Geizhälse sollten per Mehrheitsprinzip in die Schranken gewiesen werden. Das überkommene Einstimmigkeitsprinzip ermöglicht Sparschlitzen wie Kurz unnötiges Erpressungspotenzial.



    75 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus brauchen wir eine Befreiung von der Schuldenbremse.

    • @Linksman:

      Für die Opfer des Faschismus muß dieser unverschämte Vergleich wie ein Schlag ins Gesicht sein. Vielleicht sollten ein paar Müßiggänger dazu gebracht werden, nicht auf Kosten ihrer Kinder die Zukunft zu verprassen und etwas nachhaltiger Leben.

  • Stimmt, die nächste Generation muss die Schulden bezahlen. Haushaltskommissar Hahn sollte sich mal die Art. 310, 311,312 AEUV (Lissabon-Vertrag) genauer anschauen: Das steht nichts von den Recht der Union drin, Kredite aufnehmen zu können. Das Wort „Kredite“ erscheint gar nicht in den Bestimmungen. Der im Spiegel Bericht zitierte Satz (Art. 311 Abs. 1 AEUV) bezieht sich auf das in den Finanzvorschriften dieses Vertrages festgelegte System der EU Eigenmittel. Wenn man der EU mehr Geld „zur Erreichung ihrer politischen Ziele“ geben will, muss man die Eigenmittel (1% Satz) deutlich erhöhen. Im Übrigen legt Art. 310 Abs. 1 Satz.3 fest: „ Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.“ Nirgends ist in dem Vertragstext von einem Recht auf Kreditaufnahme die Rede. Wer das will, will,muss erst dafür erst die rechtlichen Grundlagen schaffen.Was halten Sie davon, dass es in Italien kaum Erbschaftsteuer (4% ohne Progression mit einer Million Euro Freibetrag!) gibt?



    Wie kann man es gutheißen, dass Italien Finanzhilfen in dreistelliger Milliardenhöhe von Ländern mit teilweise extrem hoher Erbschaftsteuer erhält, während dort für ein Erbe von zwanzig Millionen Euro eine Steuer von lächerlichen 760.000 Euro anfällt, in Deutschland jedoch; dem Land das die Finanzhilfen für Italien hauptsächlich finanzieren muß; fast 5,5 Millionen? Italien, Spanien und vor allem Frankreich hatten schon vor der Krise enorme Schulden, Haushaltsdefizite. Deren Misswirtschaft wird nun noch mit Milliarden Steuergeldern von uns Bürgern belohnt. Das kann nicht sein.

  • Ob es überhaupt eine europäische Solidarität geben kann, wenn Eigennutzinteressen dominieren; bezogen auf die jeweiligen Nationalökonomien und damit dem Wohlstandversprechen für die Wählerschaften? Zweifel sind angebracht, die nur durch geschicktes Polit-Marketing zerstreut werden können. Ob es hilft, bleibt abzuwarten. Außerdem: Welchen Wert eine Solidarität hat, die erkauft werden muss, soll jeder für sich entscheiden. Von den unterschiedlichen nationalen Vorstellungen über den Wert von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mal ganz abgesehen.

    Über die Frage, wofür die Milliarden ausgegeben werden sollen, hören wir nichts. Die Rede vom "Wiederaufbau" ist keine Rede von Veränderung oder Erneuerung; ist keine Rede von Chance nutzen für eine andere Ökonomie, die ihre Prioritäten auf Zukunftsverantwortung richten will. Im Gegenteil, dominieren wird die Unterstützung alter/bestehender Strukturen und ein paar wenige Öko-Nischen-Projekte, die das Klima- und Umweltgewissen beruhigen sollen und die genügend Wachstumspotential haben.

    Für die großen Geldmengen gibt es nicht genügend "andere" Projekte/Strukturen und nicht genügend Lobbyisten, dass die sich durch die Krise bietende Chance für eine grundsätzliche Kurskorrektur genutzt werden wird. Es bedarf keines "Wiederaufbaus", denn die Fabriken liegen nicht in Schutt und Asche! Vom Ansatz her ist dies gleichbedeutend mit einem "weiter so!"



    Es bedarf eines Umbaus, der aber durch den "Goldrausch" für die alten Strukturen, Industrien, Unternehmen und Investoren langfristig unmöglich gemacht wird. Während eines "Goldrausch" sieht niemand die Notwendigkeit für Veränderungen, nur den eigenen Vorteil und Gewinn.

    • @Drabiniok Dieter:

      Der Witz ist doch, dass Geld ohne Ende da ist, nur wurde und wird es in den entsprechenden Staaten und deren Firmen nicht investiert, aus mannigfaltigen Gründen. Diese Gründe bleiben ja auch mit dem Investitionspaket bestehen. Das wird das größte Strohfeuer der europäischen Geschichte.

  • "Er war es, der schon im März ein Bündnis von neun Staaten organisiert hat, die für mehr Solidarität stritten – damals hieß der Schlachtruf noch „Coronabonds“.

    Solidarität bedeutet also, daß man eine möglichst große Menge an Geld fordert und dies zu den eigenen Bedingungen. Für mich bedeutet es nicht "Solidarität" sondern "Erpressung". Und wenn es dann Staaten gibt, die bei dieser Erpressung nicht mitspielen wollen ( "Frugal Four" bedeutet nicht die "Geizigen Vier" sondern die "Genügsamen Vier"), dann sollen diese mit der moralischen Keule auf Kurs gebracht werden.

    • @Puky:

      Ausnehmerei und Missbrauch

      Volle Punktzahl für diesen treffenden Kommentar!

      Es geht im Klartext darum, dass Schuldenstaaten andere Staaten ausnehmen. Würde ich anderen Stelle ja auch versuchen... Das tarnt sich dann mit dem Wort "Solidarität". Es wird hier missbräuchlich verwendet.

  • Unverantwortlich

    Schrankenlose Schuldenmacherei, die Schlimmes befürchten lässt - unverantwortlich und völlig von der Leine gelassen.



    Es kommt schnell der Tag der Rückzahlung (der Abrechnung).



    So mancher wollte schon auf Pump gut leben...