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Autoländer verlangen KaufprämienKretschmann will Geld für Diesel

Die Ministerpräsidenten der Autohersteller-Bundesländer fordern Staatsgelder zum Kauf von Dieseln und Benzinern. Dabei: der Grüne Kretschmann.

Freund des Diesels: Winfried Kretschmann Foto: dpa

München/Stuttgart/Hannover dpa | Die „Autoländer“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg wollen die schwache Nachfrage mit Kaufprämien für Autos wieder ankurbeln – und sehen dabei den Bund in der Pflicht. 3.000 Euro soll es für moderne Benziner und Dieselautos ab Schadstoffklasse 6d-Temp geben, sogar 4.000 Euro zusätzlich für Plug-in-Hybride, Elektro- und Wasserstoffautos, forderten sie am Montag.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in München, er habe sich mit seinen Kollegen Stephan Weil (SPD) in Hannover und Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart am Telefon auf diesen Forderungskatalog geeinigt. Wer ein älteres Auto mit Euro-3- oder Euro-4-Norm abgibt, soll zusätzlich 1.000 Euro Abwrackprämie bekommen. Und wer einen modernen Verbrenner kauft und später auf ein E-Auto umsteigt, soll dann nochmals 1.000 Euro Umstiegsprämie bekommen. Elektro-Ladestationen solle zur Hälfte der Staat bezahlen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Dienstag mit den Chefs der Autokonzerne, der IG Metall und den Ministern für Finanzen, Wirtschaft, Verkehr, und Umwelt beraten, wie die Schlüsselbranche der deutschen Industrie mit ihren 800.000 Arbeitsplätzen wieder in Schwung kommt. VW, Daimler, BMW, Audi, Ford und Opel lassen ihre Werke in Europa nach wochenlangem Stillstand wieder anlaufen, aber viele Mitarbeiter bleiben in Kurzarbeit, die Nachfrage ist gering. Entscheidungen seien bei dem Spitzentreffen am Dienstag noch nicht zu erwarten, sagte eine Regierungssprecherin.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte in Hannover, der Automarkt in Deutschland müsse dringend angekurbelt werden, auch wegen seiner Bedeutung für vor- und nachgelagerte Arbeiten. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte Staatshilfe. „Wir brauchen jetzt Konjunkturimpulse“, sagte er bei einem Besuch im Ford-Werk Köln.

„Purer Lobbyismus“

Dagegen kritisierte die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer Kaufprämien für Neuwagen als „puren Lobbyismus“. Damit würden nur würden Autokäufe vorgezogen, die in den Folgejahren fehlten, sagte die Münchner Professorin der „Rheinischen Post“ (Montag). Allenfalls eine Prämie für Elektro-Autos, verbunden mit Investitionen in Ladeinfrastrukturen, könnte sinnvoll sein.

Der Präsident des Umweltbundesamts sprach sich ebenfalls gegen eine weit gefasste Kaufprämie für Neuwagen aus. „Von einer pauschalen Abwrackprämie für alte Autos halte ich wenig“, sagte Dirk Messner der dpa. „Selbst Neufahrzeuge mit der neusten Abgasreinigung helfen nur wenig beim Klimaschutz.“ Ihre CO2-Emissionen lägen in der Praxis im Schnitt nur wenig unter denen der Altfahrzeuge. „Eine Kaufförderung kann ich mir allenfalls für wirklich sparsame Autos mit CO2-Emissionen unter 95 Gramm pro Kilometer vorstellen“, so Messner.

Die IG Metall forderte zwar ein Signal der Politik zur Stützung der Autoindustrie, nannte aber auch Bedingungen. „Für die IG Metall kann es eine Kaufprämie nur bei einem nennenswerten Eigenanteil der Automobilbranche geben. Weiter muss damit eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes gefördert und so ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann.

„Maximal unverantwortliche Idee“

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans äußerte Zweifel. Deutschland sei noch mitten in der Krise. Viele Menschen würden „jetzt alles andere tun als sich entscheiden, ein neues Auto zu kaufen“, sagte er dem rbb. Die Klima- und Friday-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer lehnte eine Autoprämie als „maximal unverantwortliche Idee“ ab.

Die deutschen Autobauer und -händler geben dem Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer zufolge trotz Absatzflaute nur geringe Preisnachlässe auf Neuwagen. Die Rabatte seien so niedrig wie in den Vormonaten – so gering wie zuletzt 2014. „Es vermittelt sich der Eindruck, dass die Autobauer vor eigenen Rabatten erstmal auf die Kanzlerin warten“, sagte der Professor.

Die VW-Lastwagentochter Traton forderte am Montag eine europaweite Abwrackprämie auch für Lastwagen. „Es duldet keinen Aufschub bis Ende des Jahres“, sagte Traton-Chef Andreas Renschler am Montag in München: „So was muss relativ schnell gemacht werden.“ Aber wenn keine neuen Bestellungen kämen, sei der heutige Auftragsbestand in zwei, drei Monaten aufgezehrt.

Die Kunden gäben junge Gebrauchtfahrzeuge zurück, „unsere Kunden schauen sich aktuell genau an, was sie derzeit wirklich benötigen“, Sattelzugmaschinen seien kaum gefragt, sagte MAN-Chef Joachim Drees dem „Münchner Merkur“.

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16 Kommentare

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  • Gibt es auch eine Petition für den Parteiausschluß von Kretschmann und gegen einen Ausschluß von Palmer?

  • Was soll das jetzt? Die Abwrackprämie ist eine Subvention der Autoindustrie die jetzt einfach nicht angebracht ist, vor allem nach Diesel Skandal und der Weigerung auf neue Antriebe und kleinere Autos zu setzen. Es gibt bereits eine Prämie für das kaufen von Elektroautos und Plugin-Hybriden, dazu noch die steuerliche Erleichterung bei Betriebswagen.

    In 2020 Verbrennungsmotoren zu fördern ist einfach nur bescheuert.

    Daimler z.B. hat über 36 Milliarden Euro Gewinn gemacht über die letzten 5 Jahre, in dem Zeitraum über 10 Milliarden an Dividende ausgeschüttet. Hilfskredite ja, Prämien nein.

  • Um die in Deutschland zugelassenen Autos ab zu stellen braucht es grob einen 1km breiten Streifen von München nach Berlin. 90% der Zeit tun die nichts anderes als im Weg zu stehen und zu rosten. Wozu in aller Welt brauchen wir im Südwesten einen Ministerpräsidenten aus der Öko-Partei, der ein Extrageld dafür aus zu geben bereit ist, da noch mehr Autos hin zu stellen, das hätte Herr Filbinger auch noch fertig gebracht. Wenn man dann auch noch damit rechnen muss alle Ritt lang von einem Schwall verbalen Dünnschiss des Herrn Palmer besudelt zu werden macht diese Partei gar keinen Spass mehr. Kacke ist halt nicht immer nur braun, manchmal ist sie auch grünlich.

  • Hier könnte jetzt die Politik ein erstes Zeichen setzen und Förderungen an Klimafreundlichkeit koppeln.



    Jedoch bedarf es dafür scheinbar auch einer Runderneuerung in der Politik. Mit den Marionetten der Autoindustrie (Schür, Kretschmann u.v.a.) wird das nix!

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Wettbewerbsverzerrung nennt man das glaube ich.

    Man könnte ja auch VW teil-verstaatlichen, dann stimmt das mit dem V auch wieder und der Staat kann das als Investitionen betrachten. Was die 800.000 Job angeht... Muss ich als Steuerzahler also jetzt dafür bezahlen wenn eine ganze Branche ihre Hausaufgaben nicht macht ? Und morgen wird Bayer wegen dem Fail-Kauf von Monsanto das Geld eintrichtert.

    Wenn solche Prämien, dann bitte nicht nur für Autos sondern auch für Fahrräder (auch ohne E), PC/Notebooks oder andere High-Tech, Lebensmittel... Wenn es da nur eine Steuer auf alle Konsumgüter gäbe an der man rumspielen kann um den Preis zu senken...

  • Basisinvestitionen sind Umstellung der Fahrzeugflotte Bus und Bahn auf Wasserstoff. Flugzeuge auf Methan. Ausbau der Photovoltaik. Installation von Anlagen die CO2 aus der Atmosphäre entfernen, selbstverständlich Windkraft und E-Autos.

  • Da sollen die doch lieber Geld für neue Adidas für jeden oder Pedelecs mit Boschmotor ausschütten, wenn man dafür eine Dreckschleuder stilllegt.

    Die Dinger verspesten wenigstens nicht die Luft und machen keinen Lärm. Ökologisch natürlich nahezu der gleiche Unsinn.

  • Ein nicht unerheblicher Teil der Steuern und Sozialabgaben wird von der Automobilindustrie und ihren Arbeitern entrichtet. Ohne Mercedes und andere Hersteller wären Städte wie Stuttgart noch bedauernswerter. Die fairen Löhne und Arbeitsbedingungen für Hundertausende sind vorbildlich. Aktuelle Benziner und Diesel sind so effizient und sauber, dass man über die ideologische Förderung von E-Autos nur den Kopf schütteln kann. Wenn der Staat in so einer Krise nicht zu den Unternehmen steht, von denen er sonst extrem profitiert, brauchen wir ihn nicht.

    • @Laoban:

      Die aktuellen Verbrenner sind so effizient, dass damit die gesetzlichen Grenzwerte für 2020 überschritten werden. Deswegen werden doch E-Autos beigemischt. - Gut, jetzt können wir über den Gesetzgeber klagen, wir können auch über das doofe Klima schimpfen. Nutzt nur nix -.

    • @Laoban:

      Wenn der Bedarf an Autos sinkt, dann macht es keinen Sinn die Arbeit daran zu subventionieren. So ein Unsinn aber auch. Die Autoproduktion künstlich hochzupushen um die dafür nötigen Arbeitsplätze zu sichern ist ökonomischer Schwachsinn.

      • @Vollgut2000:

        Natürlich ist es sinnvoll eine hochentwickelte Industrie zu unterstützen, dass sie nach Corona wieder anlaufen kann und möglichst viele Arbeiter ihre Stellen behalten. Der Nachfragerückgang ist nur dem Virus geschuldet. Langfristig profitieren Mitarbeiter, große und kleine Anleger, Bund und Kommunen, Zulieferer und Dienstleister.

    • @Laoban:

      Müsste die Autoindustrie nur annähernd für den Kollateralschaden aufkommen, den sie mitverursacht, dann wäre sie schon längst pleite.

      Für die Allgemeinheit sind es die teuersten Arbeitsplätze, die es gibt.

      • @tomás zerolo:

        Wohlstand und Mobilität sind natürlich harte Kollateralschäden. In den letzten rd. 140 Jahren haben wir Autos, Transportern und LKW extrem viel zu verdanken.

        • @Laoban:

          Der Verkehr verursacht externe Kosten im dreistelligen Mrd-Bereich (diverse Studien dazu finden sich im Netz), sprich: die Gesellschaft trägt diese Kosten oder hat sie in der Zukunft zu bezahlen. Natur-/Klimaschäden sind nur irgendwann nicht mehr "zu bezahlen", sondern beeinträchtigen das Leben. Und da 2019 rd. 35% der PKW-Neuzulassungen Private betrafen - und somit 65% Geschäftswagen -, subventioniert die Gesellschaft bei den Verkehrskosten nicht nur "private AutofahrerInnen", sondern auch den Verkehr von Unternehmen. Ich halte es für notwendig, dass externe Kosten dem Verursacher belastet werden. Sonst ändert der sein Verhalten nicht, im Falle der Autobranche seine Produkte.

  • Beim Herrn Kretschmann fällt es schwer noch etwas Grünes zu erkennen. Für mich ein typisches Beispiel, was passiert, wenn Grüne an die Macht kommen. Dann fällt es nach kurzer Zeit schwer noch einen Unterschied zu den Schwarzen wahrzunehmen. Beispiel ist z.b. die Verschärfung des Asylrechts oder das nichts tun der Grünen im BW wenn es um den Schutz des kleinen Kiffers geht.

    • @Aymen:

      Stimmt. Palmer und Kretschmann sofort aus der Partei entfernen, damit die Wirklichkeitsfremden wieder unter sich sind und ihre Utopie von der besseren Welt mit offenen Grenzen für alle denken können.