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Fehlende NiederschlägeStaubtrockener April

Die Hoffnungen auf ein Ende der Dürre sind zerstoben. Den Bäumen hilft nur noch Gießen – durch die Bezirke und die BürgerInnen.

Bei jedem Schritt staubt's: Trockener Waldweg in Köpenick Foto: dpa

Man hört die Frage immer wieder, halb im Scherz, halb ernsthaft besorgt: „Wird es überhaupt irgendwann noch mal regnen?“ Angesichts von so viel Unfassbarem scheinen manche nicht mehr auszuschließen, dass jetzt auch beim Wetter nichts mehr sein wird wie vorher.

Bezogen auf die langen Entwicklungen des Kimawandels stimmt das ja auch. Und wäre dieses rekordverdächtig trockene Frühjahr nicht schon das dritte in Folge, müsste man sich darüber nicht allzu viele Gedanken machen. Tatsächlich ist in Berlin aber den ganzen April über fast kein Tropfen Regen gefallen. Der private Dienst „WetterKontor“ meldete für Tegel bis Dienstagmittag die bisherige Monatssumme von 1,6 Litern Niederschlag pro Quadratmeter – quasi eine schwarze Null.

Zwar kann es bis Donnerstag noch ein paar Schauer geben, mehr als 10 Prozent des langjährigen Monatsmittels dürften es aber nicht mehr werden. Damit ist ein optimistisch machender Trend schon wieder zu Ende: „In der ersten Winterhälfte hatten wir viel Regen“, sagt der Sprecher und Naturexperte der Senatsumweltverwaltung, Derk Ehlert. „Und auch wenn er die vorangehenden Verluste nicht wettgemacht hat, war der Februar tatsächlich ein nasser Monat.“ Jetzt ähnelt das Wetter schon wieder dem der vergangenen Dürrejahre: „Wir kommen aus dem Defizit nicht raus“, so Ehlert.

Von grünem Rasen ist vielerorts schon nichts mehr zu sehen. Dramatischer ist die Entwicklung jedoch für den Baumbestand. Der speist seinen Wasserbedarf Ehlert zufolge meist nicht aus dem noch stabilen Grundwasser, sondern aus dem sogenannten Schichtenwasser. „Und das ist extrem von Niederschlägen abhängig.“ Die oberen Bodenschichten seien gerade bei den für die Region typischen Sandböden schon knochentrocken.

Dabei ist der fehlende Regen nicht das einzige Problem, erklärt Ehlert: Hinzu kämen viel Wind und eine hohe Sonneneinstrahlung. „Die führen zusammen zum Austrocknen der Pflanzen, manchmal sogar zu Verbrennungen an den jungen, noch nicht ausgehärteten Blattstrukturen.“

Was hilft gegen Trockenheit, wenn es nicht regnet? Gießen. Nicht allerdings in den Berliner Wäldern – dafür sind diese viel zu groß. Hier setzt der Senat auf den langfristigen Umbau zu widerstandsfähigen Mischwäldern und auf naturnahe Bewirtschaftung: Würden Totholz und Laub nicht entfernt, werde die Feuchtigkeit im Waldboden länger gespeichert, erklärt Ehlert. Die rund 300.000 Stecklinge, die von den Berliner Forsten im Herbst gepflanzt wurden, hätten im Übrigen vom feuchten, frostarmen Winter profitiert: Sie hätten ausreichend Haarwurzeln gebildet, um die aktuelle Durststrecke besser zu bewältigen.

Ein paar Eimer Wasser am Tag

Anders liegt der Fall bei den Straßenbäumen: Sie stehen einerseits unter größerem Stress als ihre KollegInnen im Wald, dafür können sie zur Not gegossen werden. Es muss nur jemand tun. Die Senatsverwaltung und die Bezirksämter, aber etwa auch der BUND rufen alle BürgerInnen dazu auf, sich an dieser gesellschaftlichen Aufgabe zu beteiligen, und sei es nur mit ein paar Eimern Wasser am Tag.

Dabei sollten die Jungbäume im Mittelpunkt stehen, die im Rahmen der Stadtbaumkampagne des Senats gepflanzt wurden. Sie benötigen den Nachschub am dringendsten. Andererseits ist es beim oberflächlichen Gießen hier auch am einfachsten, die Wurzeln zu „treffen“: Das Wurzelwerk ausgewachsener Bäume erstreckt sich meist analog zur Krone in die Breite, weit unterhalb versiegelter Flächen.

Natürlich kann das bürgerschaftliche Gießen nur eine Unterstützung sein, wie der Baumexperte des BUND, Christian Hönig, betont: Rot-Rot-Grün habe den Bezirksämtern im aktuellen Haushalt zusätzlich 14,8 Millionen Euro im Jahr für die Pflege des Baumbestandes zugeteilt, dazu weitere 7 Millionen für die Pflege der Grünanlagen. „Diese Gelder müssen jetzt dringend eingesetzt werden“, so Hönig.

Die Umweltorganisation hat eine Anfrage an alle Bezirke gestellt, ob und wie diese Mittel schon verwendet werden. „Von allem, was ich sehe und höre, passiert zu wenig bis gar nichts“, sagt Hönig. Er wartet aber die Informationen der zuständigen Straßen- und Grünflächenämter ab. Sein Verdacht: In den Corona-Wirren ist die dringend notwendige Baumpflege ins Abseits geraten.

Hilfe für 2.700 Jungbäume

Zumindest für Friedrichshain-Kreuzberg gibt die grüne Umweltstadträtin Clara Herrmann Teilentwarnung: „Wir schaffen mit den zusätzlichen Mitteln zum Teil noch eigene Geräte an. Aber schon jetzt sind Firmen beauftragt, rund 2.700 Jungbäume regelmäßig zu gießen.“ Diese seien von den rund 40.000 Bäumen im Bezirk am bedürftigsten. Es würden aber auch Grünanlagen bewässert, wovon die dortigen Bäume profitierten.

Für Herrmann sind die auf rund 80 Euro verdoppelten Mittel pro Baum ein guter und wichtiger Schritt – angesichts der klimatischen Ausnahmesituation reiche es aber nicht: „Das ist das absolute Minimalprogramm.“ Schließlich müsse bei Trockenstress nicht nur gegossen werden, auch die Herstellung der „Verkehrssicherheit“ – in erster Linie Kontrolle und Beseitigung toter Äste – werde aufwändiger und damit teurer.

Alle Gesprächspartner verweisen auf die Notwendigkeit eines besseren „Wassermanagements“, vor allem die verstärkte Speicherung von Regenwasser. Dieses kann dann nicht nur an die städtischen Pflanzen abgegeben werden, es trägt auch zu einem verbesserten Mikroklima bei. Tatsächlich hat die Senatsumweltverwaltung schon eine „Regenwasseragentur“ geschaffen, um Bauträger und Privatleute zu beraten – die Maßnahmen stehen aber noch immer ganz am Anfang.

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3 Kommentare

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  • Es ist schon fast nett, dass die Natur gerade jetzt wo es um den Verteilung des Corona Subventionskuchen geht, an ein paar Lebensgrundlagen erinnert. Natürlich wird hier niemand hungern müssen da wir mit unserer Kaufkraft erst andere Länder leerkaufen können. Aber schon der Konflikt Borkenkäfer versus Insektenvielfalt zeigt uns auch mit vollem Magen das Dilemma.

    Der Verlauf der jährlichen Niederschläge über 100 Jahren (Günter) sagt im Gegensatz dazu gar nichts aus. Temperatur, Windgeschwindigkeiten, Bewuchs, Jahresverteilung u.a.m. bestimmen regional wie sich der Wasserhaushalt im durchwurzelten Boden, langfristig aber auch in den tieferen Wasserspeichern verändert. Dazu kommt steigende Bevölkerung und der kommunale und private Wasserbedarf, der dem Angebot angepasst werden müsste.

    Dies gelingt vielerorts schon längst nicht mehr. U.a. weil wir uns der Wiederverwendung von Abwässern zur Erhöhung der produktiven Verdunstung und damit der Wahrscheinlichkeit einer Kondensation, aus "Kostengründen" verweigern.



    Noch ist Grundwasser für die Klospülung so schön billig. Und auf die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten zu verweisen stösst bei unseren um Boni und Ansehen bedachten Ökonomen auf genauso taube Ohren wie er Verweis in der Klimadebatte.

    Ich fürchte wir werden Verschrottungsprämien und eine neue app für die Klospülung bekommen aber keine Hinwendung zu einer Kreislaufwirtschaft.

  • Das beunruhigt mich in der Tat mehr als jede corona-Krise...