piwik no script img

Offener Brief an Berliner SenatMehr Geflüchtete aufnehmen

Mit der Aufnahme von Flüchtlinge von den griechischen Inseln geht es nicht voran. Initiativen fordern den Berliner Senat zu konkreten Schritten auf.

Zurückgelassene Schuhe als Protest gegen die Flüchtlingspolitik in Berlin Foto: reuters

BERLIN taz | Mit einem offenen Brief fordern mehr als 40 Organisationen und Initiativen den Senat auf, ein Landesprogramm zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland zügig umzusetzen. Der Brief richtet sich an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) sowie die Fraktionen des Abgeordnetenhauses. Unterzeichnet haben ihn Pro Asyl, GEW, AWO Mitte, Flüchtlingsrat und Seebrücke sowie Kiezbündnisse und Willkommensinitiativen aus zahlreichen Stadtteilen.

„Der Brief ist aus einer gewissen Verzweiflung heraus entstanden, weil sich nichts tut“, sagt Mitunterzeichner Herbert Nebel vom Verein Respekt für Griechenland der taz. „Unser Verein ist dauerhaft mit zehn bis fünfzehn Mitgliedern vor Ort in Griechenland, in Athen und Lesbos, daher kennen wir die Situation vor Ort gut und wissen, wie schlecht es den Menschen in den Lagern geht“, sagt er.

Dass nun 47 Kinder und Jugendliche nach Deutschland geholt worden seien, sei nur ein Anfang, die Aufnahme von Geflüchtete müsse „umgehend fortgeführt“ werden, heißt es in dem Brief. Berlin müsse „mit Nachdruck“ die Zustimmung des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) „einfordern“.

„Der Brief, den Innensenator Geisel kürzlich an Seehofer geschrieben hat, scheint mir sehr brav“, sagt Nebel. „Wenn jemand etwas fordert, holt er eigentlich anders aus.“ Mit ihrem Schreiben wollen die Unterzeichner*innen nun ihrerseits Druck machen.

Noch nichts vorbereitet

„Wir sind davon ausgegangen, dass Berlin eine Aufnahme längst konkret vorbereitet“, sagt Anne Brulez, die den Brief mit initiiert hatte. Dass bisher gar nichts in diese Richtung passiert sei, habe sie empört. „Der Senat könnte jetzt schon tätig werden, denn die Menschen, die herkommen, müssen in Griechenland ausgewählt werden“, sagt Brulez.

„Dazu braucht es Kriterien, wer kommen darf, und Kontakte zu den Organisationen vor Ort.“ Denn Berlin müsse bei einer Zustimmung des Bundesinnenministeriums entsprechend vorbereitet sein, um die Aufnahme direkt zu beginnen.

„Die Zusagen, dass Berlin Jugendliche aufnehmen will, gibt es schon seit Dezember“, sagt Nebel. „Dass die Pandemie eine Aufnahme verzögert, kann mir keiner erzählen: Wenn es möglich ist, 80.000 Erntehelfer*innen nach Deutschland zu holen, kann man auch ein paar Tausend Flüchtlinge aufnehmen.“

Die Unterzeichner*innen begründen ihre Ungeduld auch damit, dass ein Antrag für ein Landesaufnahmeprogramm vom Bund bisher noch nie abgelehnt worden sei. Wenn der Bund das Gesuch ablehne, sollte Berlin bereit sein, dagegen zu klagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Für mich zeigt dieses Armutszeugnis vor allem die Heuchelei der "Unteilbar"-Front. Über 150.000 demonstrierten vor 2 Jahren in Berlin, 4.500 Organisationen und Promis unterschrieben den Aufruf - und jetzt: FAST NICHTS?!

    Ein Armutszeugnis:



    1) In die Berliner Lokalnachrichten abgedrängt ist nun das Thema der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln mit 13.000 Mädchen und Jungen.



    2) Sage und schreibe 47 unbegleitete Kinder (davon fünf Jugendliche) aus solchen Lagern hat Deutschland kürzlich aufgenommen - d. h. rund 1 Kind pro Organisation, die den aktuellen offenen Brief unterzeichnet.

    Wo ist die Flüchtlings-freundliche, antirassistische Linke, wenn es drauf ankommt?

    Ein Bündnis FÜR ETWAS kann "Unteilbar" also nicht sein. Sollte dieses Bündnis vor allem GEGEN den "Aufbruch", gegen Sahra Wagenknecht und gegen die Absicht gerichtet gewesen sein, die Linke in Deutschland wieder auf eine soziale Grundlage zu stellen?!

    "Unteilbar" ist falsch aufgestellt. Es wird höchste Zeit, dass "Unteilbar" die Front gegen die sozial-orientierte Linke aufgibt.



    Oder wird es sich - ähnlich wie sein Vorgänger, der "Aufstand der Anständigen" 1992 mit den Lichterketten unter Richard von Weizsäcker - leider in NICHTS auflösen?