piwik no script img

Gewerkschafter siegt vor GerichtTarim darf streitbar bleiben

Die Sicherheitsfirma Kötter kann den unbequemen Ver.di-Mann Özay Tarim nicht zum Schweigen zwingen – und zieht sich vom Flughafen Düsseldorf zurück.

Özay Tarim im Arbeitskampf am Düsseldorfer Flughafen Foto: Hartwich/Ver.di

BOCHUM taz | Die Sicherheitsfirma Kötter ist mit ihrem Versuch gescheitert, den kritischen Gewerkschafter Özay Tarim per Unterlassungsklage im Wert von 112.500 Euro mundtot zu machen. Flugblätter, in denen der Ver.di-Mann Kötter vorwarf, Fluggastkontrolleur*innen am Airport Düsseldorf einzuschüchtern und deren grundgesetzlich garantiertes Streikrecht auszuhebeln, seien „als Meinungsäußerung im Rahmen von Arbeitskampfmaßnahmen zulässig“, urteilte das Arbeitsgericht Düsseldorf jetzt in erster Instanz.

Tarim hatte dem Chef der „Aviation“-Flughafensparte von Kötter, Peter Lange, vorgeworfen, persönlich eine Mitarbeiterin instrumentalisiert und sie dazu gebracht zu haben, Kolleg*innen per SMS zum Streikbruch aufzurufen. Wer trotz Urlaubs oder zugesagter freier Tage nicht erscheine, könne eine Festanstellung vergessen – das sei der Tenor der Botschaft gewesen.

Das Essener Unternehmen mit seinen bundesweit 18.500 Beschäftigten gilt als gewerkschaftsfeindlich: Noch heute gebe es bei „Kötter Aviation“ Mitarbeiter*innen mit Arbeitsverträgen, in denen das Streikrecht einfach unterlaufen werde, bestätigte Gewerkschaftssekretär Tarim der taz. „Im Falle von Arbeitsmaßnahmen verpflichtet sich der Arbeitnehmer, an diesen nicht teilzunehmen“, heißt es darin. Zwar habe Kötter dies per Aushang am schwarzen Brett in Frage gestellt – doch neue Verträge gab es nicht.

Die Unterlassungsklage mit ihrem sechsstelligen Streitwert sei deshalb der Versuch gewesen, Tarim zum Schweigen zu bringen, glauben viele Gewerkschafter*innen. Denn der 42-Jährige hat die Rückendeckung der lange als unorganisierbar geltenden Flughafen-Sicherheitssparte: Seit 2013 haben die 1.100 Kötter-Mitarbeiter*innen am Flughafen Düsseldorf immer wieder gestreikt. Ihre Gewerkschaft konnte so eine Erhöhung des Stundenlohns um fast 50 Prozent von 12,36 auf aktuell 18,36 Euro durchsetzen – ab 2021 sollen es sogar 19,01 Euro sein.

„Politisch war das Klageverfahren ein Angriff auf die Meinungsfreiheit der Gewerkschaften“, erklärt deshalb auch Ver.di-Fachbereichsleiterin Andrea Becker: „Daher freut uns die Entscheidung des Gerichts sehr.“

Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und Berufung möglich. Kötter hat aber bereits einen massiven Rückzieher gemacht: Ab dem 1. Juni ist die Essener Firma nicht mehr Auftragnehmer am Düsseldorfer Flughafen.

Ihre Beschäftigten und Aufgaben übernimmt der „Deutsche Schutz- und Wachdienst“, der bereits für die Fluggastkontrollen in Bremen verantwortlich ist. „Wir erwarten eine konstruktive Zusammenarbeit“, sagt Tarim dazu – „und weniger Auseinandersetzungen vor Gericht“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • taz-Zitat: “(…) Noch heute gebe es bei „Kötter Aviation“ Mitarbeiter*innen mit Arbeitsverträgen, in denen das Streikrecht einfach unterlaufen werde, bestätigte Gewerkschaftssekretär Tarim der taz. „Im Falle von Arbeitsmaßnahmen verpflichtet sich der Arbeitnehmer, an diesen nicht teilzunehmen“, heißt es darin. (...)“



    Und dieses Unternehmen, Kötter Security, wirbt damit Mitglied im “Gütesiegelverband“ der Arbeitgeber, Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, BDSW e. V. zu sein. Früher oder später wird die o. a. Praxis ein Gericht beschäftigen.



    www.labournet.de/b...ete-beschaeftigte/

  • Bei solchen Firmen muss man die ganz dicke Keule auspacken.



    Z.B. den Streitwert erhöhen auf ... sagen wir mal ... eine Milliarde dann werden die Prozesskosten auch nicht mehr aus der Portokasse bezahlt.

  • Prima!

  • Ist diese No-Strike-Klausel in Arbeitsverträgen überhaupt zulässig?