Wohnungsbesichtigung undercover: Mietendeckel? Hält sich keiner dran
Um den Mietendeckel zu umgehen, lassen sich Vermieter viel einfallen. Ein Nutzungsvertrag statt eines Mietvertrages? Schauen wir es uns an.
Einen Tag und mehr als 5.000 Likes später, stehen Tom und sein neuer Bekannter, also ich – für diese Besichtigung aber Henri, der Startup-Mitarbeiter – vor einem Haus in der Agnes-Wabnitz-Straße 6, einem Neubauviertel an der Landsberger Allee, südöstlichster Zipfel von Prenzlauer Berg. Hier also liegt sie, unsere „charmante und grosszügige Dreizimmerwohnung“. Kaltmietpreis 1.395 Euro.
Der Makler wartet bereits rauchend vor dem grauen, irgendwie gesichtslosen Viergeschosser, der im Prospekt als „Stadtjuwel mit Metropolen-Flair“ beschrieben ist. Der etwa 50-Jährige mit dem bodenständig-karierten Hemd stellt sich vor, in diesem Text soll er Herr Schuster heißen. Er braucht keine Minute, die Zigarette glüht noch, um auf den Nutzungsvertrag zu kommen: „Das machen wir einfach, um den Mietendeckel zu umgehen. Streng genommen könnte sie ja nur 1.000 Euro kosten.“ Wir nicken. Er hat es ja so gesagt, als wäre es auch in unserem Interesse.
Wirklich streng genommen dürfte die Wohnung nach dem seit Mitte Februar gültigen Mietendeckelgesetz kalt 1.095 Euro kosten: 9,80 Euro als Höchstwert bei einer 2009 fertiggestellten Wohnung, plus einen Euro für die gute Ausstattung mal 101 Quadratmeter. Angeboten wird sie uns für 300 Euro mehr. Hinzu kommen verpflichtende 140 Euro für den Tiefgaragenstellplatz. Tom hat immerhin ein Motorrad.
Ich habe nur den Hinweis eines bekannten Juristen, der mir zuvor schrieb: „Jeder Mietvertrag ist von rechts wegen ein Nutzungsvertrag.“ Den Mietendeckel umgehen, weil man es nicht Mietvertrag nennt, sei unmöglich: „Ein vollkommen hilfloser, untauglicher Umgehungsversuch.“ Man könnte also einfach einziehen und nur die Mietendeckel-Miete überweisen.
Ein Traum von einer Wohnung
Herr Schuster bläst den Rauch in die Luft, wir folgen ihm ins Haus, erste Etage rechts. Beim Blick in die großen, sonnendurchfluteten Räume, auf die Einbauküche, das Parkett und die bodentiefen Fenster könnte man sich fast knauserig vorkommen. Klar, dass so ein Traum nicht für die sozialistisch festgesetzte Fünf-Jahres-Plan-Miete vergeben wird.
Da kann man als Mieter auch in Kauf nehmen, dass es sich um einen befristeten Sieben-Jahresvertrag handelt. „Und danach?“, will ich wissen: „Dann wird die Wohnung wahrscheinlich verkauft“, sagt Herr Schuster. Aber sie sei wirklich ein „faires Angebot“. Ich denke darüber nach, dass Tom und ich je unser eigenes Badezimmer hätten. Wollen wir es vielleicht zusammen versuchen?
Eigentlich ist diese Wohnung nicht für Mieter gebaut worden. Schon in der Bauphase war das Projekt als „Anlageimmobilie“ gelistet; die Eigentumswohnungen wurden paketweise verkauft. Unser Eigentümer, der Auftraggeber von Herrn Schuster, hat hier 15 Wohnungen. Gegenüber habe er gerade eine vermietet, also zur Nutzung überlassen, erzählt Herr Schuster. Ob ein Nutzungsvertrag irgendwie von Nachteil für uns wäre, will Tom wissen. „Na, es gibt dann nicht so einen tollen Schutz vor Zwangsräumung, wenn der Eigentümer pleite geht“, sagt Herr Schuster. Na dann.
Keine Klagen gegen Deckel-Brecher
Herr Schuster erzählt uns noch, dass Mieter ja „klagen“ könnten – die Gänsefüßchen macht er mit seinen Fingern –, wenn eine Miete über den Mietendeckel-Oberwerten liege. Aber das mache keiner, im Gegenteil, es liefen ja die Klagen gegen den Deckel. „Experten sagen, er wird im Sommer gekippt.“
Bei einem Blick in den Keller – „den könnten wir untervermieten“, sagt Tom – treffen wir auch das nachfolgende Interessentenpaar. Vielleicht hat Herr Schuster mit ihnen mehr Glück.
Tom wird sein Glück woanders suchen. Einziehen und die Miete einfach auf den gültigen Höchstwert drücken, will er nicht: „Ich habe keine Nerven für einen Rechtsstreit vom ersten Tag an“, sagt er. 15 Wohnungen habe er schon gesehen, zu noch mehr Angeboten seine Bewerbungsunterlagen geschickt. Der Mietendeckel sei „lieb gemeint“, helfe ihm in der Praxis aber nicht. Anderswo legten Vermieter gleich zwei Verträge vor, einen rechtskonformen und einen mit der tatsächlichen Miete. Frustrierend.
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