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Thailands Monarch in BayernDer Kunde ist König

Der thailändische König lässt es sich in Oberbayern gut gehen. Gilt für ihn die Corona-Einschränkung von Bewegungs- und Reisefreiheit nicht?

Der thailändische König Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun, auch Rama X genannt Foto: Chaiwat Subprasom/imago-images

Garmisch-Partenkirchen taz | Es ist Samstagabend, der 4. April 2020, und der Flugverkehr auf der ganzen Welt liegt fast vollständig lahm. Nur wenige Flugzeuge sind auf dem Radar zu sehen. Darunter eine Boeing 737 mit der Registrierung „HS-HMK“, die von München nach Zürich fliegt. Es ist die private Boeing des thailändischen Königs, der seit einigen Jahren mehr in Bayern als in Thailand lebt.

Von Zürich aus fliegt am Sonntagnachmittag dann eine Maschine der Thai Airways mit der Flugnummer TG971 nach Bangkok, die Montag früh ankommt und Montagnacht wieder zurückfliegt. Der Flughafen in Bangkok ist seit Tagen komplett gesperrt. Der internationale Flugbetrieb von Thai Airways ist wegen der Corona-Epidemie vollständig eingestellt.

Warum also flog TG971 überhaupt, und wer saß in dieser Maschine? Jemand mit viel Geld, Wichtigkeit oder Diplomatenpass? Gar der König Maja Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun selbst? Und kam er nach seinem Thailand-Tagestrip anschließend wieder nach Deutschland?

In der EU herrscht derzeit striktes Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger. Ausnahmen sind lediglich ein „längerfristiges Aufenthaltsrecht in der EU“ oder ein „dringender Einreisegrund“ wie Beerdigung oder Gerichtstermin. Sollte König Vajiralongkorn Anfang der Woche also tatsächlich einen Ausflug nach Thailand unternommen haben, hätte er von der Einreise nach Deutschland abgehalten werden müssen. Es sei denn, für ihn gelten andere Regeln.

Der König lebt gern in Bayern

Der 67-jährige Monarch besitzt in Bayern unter anderem zwei Villen am Starnberger See, weshalb er hier auch den Spitznamen „Thai-Kini von Tutzing“ trägt. Eine Anspielung auf den „Kini“ genannten, berühmtesten König von Bayern, Ludwig II., der ebenfalls an diesem See ein Refugium fand.

Der Thai-Kini hätte einigen Grund gehabt, am Montag zu Hause zu sein. Also in Thailand. Denn am 6. April ist dort Chakri-Tag, der Geburtstag der thailändischen Monarchie, an dem Rama I. gedacht wird.

Rama X., wie der offizielle Titel von Vajiralongkorn alias Thai-Kini lautet, hätte dafür allerdings seinen Aufenthalt im Grand Hotel Sonnenbichl im südbayerischen Garmisch-Partenkirchen unterbrechen müssen. Dort residiert der schräge Vogel bereits seit einigen Jahren immer wieder mit seinen über hundert Dienern, Leibwächtern und Konkubinen. Seit Corona mit Sondergenehmigung vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen.

Dienstag, 10 Uhr: In einer halben Stunde etwa soll Flug TG 971 mit Vajiralongkorn an Bord in Zürich landen. Unterdessen herrscht in Garmisch-Partenkirchen, der Stadt mit Hitlers Olympiaschanze, gähnende Leere. Vor einem Bäcker stehen ein paar Menschen. Niemand von ihnen hat den König schon mal gesehen. Eine 32-jährige Studienrätin erzählt, dass niemand hier ein Problem damit habe, dass er das Sonnenbichl belege. Schließlich gehöre ihm doch das Hotel. „Stimmt nicht“, entgegnet der 80-jährige Klaus, der sich als „Hobbyphilosoph“ vorstellt und auf einer Bank vor der Alten Apotheke sitzt, die im imposanten „Empirestil“ gebaut ist. „Das Sonnenbichl gehört einem Scheich“, sagt Klaus.

Der sehr beredte Picassomützenträger hat noch mehr Royal News auf Lager: „Der Thai-König führt sich auf wie König Ludwig XIV.“ Dann zitiert er noch Kant, Demokrit und den russischen Zukunftsforscher Leo Nefiodow, bevor er seine Buddha-Statue erwähnt und mir einen Tipp gibt, wie man an der Hotelrezeption des Sonnenbichl gut ankommt: „Sagen Sie ‚sawat di kha‘, wenn da eine Frau sitzt, und ‚sawat di khrap‘ für alles andere.“

Gegen 10.45 Uhr am Flughafen Zürich: Ein von Bild beauftragter Fotograf, der Vajiralongkorns Ankunft dokumentieren soll, wird von der Schweizer Polizei festgenommen.

Gegen 12.30 Uhr: Vor dem Sonnenbichl, das am nördlichen Ende von Garmisch liegt, haben RTL und Bild ihre Kameras aufgebaut. Der Himmel ist königsblau, die Sonne scheint. Das 4-Sterne-Hotel sieht nicht sehr royal aus: ein schlichter gelber, fünfgeschossiger Bau mit einem an ein Puffschild erinnernden blauen Schriftzug „Grand Hotel Sonnenbichl“. Nur der Blick von hier aus auf die Alpen ist majestätisch.

Den Bichl hoch

Einen kleinen Hügel, einen Bichl eben, muss hoch, wer zur Rezeption des Hotels möchte. Ein Mann in schwarzer Funktionskleidung und Schnurrbart kommt mit eiligen Schritten herunter. Kurz bevor ich „sawat di khrap“ sagen kann, sagt er zu mir: „Ich muss Sie bitten, das Gelände sofort zu verlassen.“ – „Ich bin Journalistin von der taz und habe eine Frage.“ – „Ich beantworte keine Fragen. Gehen Sie.“ – „Arbeiten Sie für das Hotel oder für den König?“ – „Für das Hotel. Gehen Sie jetzt!“

Vajiralongkorn ist der reichste Monarch der Welt, seinen Zwergpudel Fufu ernannte er zu einem General der Luftwaffe, er heiratete Kellnerinnen und Stewardessen, machte seine Leibwächterinnen zu Nebenfrauen, und wenn eine Ehe scheitert, wird die Familie der Verstoßenen aus dem Land gejagt oder ins Gefängnis geworfen. Auf Majestätsbeleidigung stehen bis zu 15 Jahre Haft.

70 Jahre lang war Vajiralongkorns Vater, König Bhomibol, als Monarch tätig. Kurz vor seinem Tod 2016 wurde sein Thronfolger auf dem Flughafen in München fotografiert: bauchfreies Tanktop, Schlabberbauch, Schlabberjeans, Trekkingsandalen, tätowierte Arme und tätowierter Rücken. Eine Münchner Thai-Restaurantbetreiberin, die ich abends beim Essenholen nach Rama X. frage, schüttelt den Kopf. „Um König zu sein, muss man früh aufstehen“ und fasst sich dabei ans Herz. Rama X. genieße lieber seine Freizeit.

Dem sowieso schon recht ramponierten Image von Vajiralongkorn dürfte der Aufenthalt in Bayern zu Coronazeiten nicht förderlich sein: Thailands Wirtschaft droht wegen des ausbleibenden Tourismus ein Kollaps.

Er geht gern in Gartencenter

Nach allem, was man so weiß, pflückt Vajiralongkorn in Bayern aber nun mal sehr gern Erdbeeren, fährt Fahrrad und besucht Gartencenter und Flohmärkte. Im Münchner Flughafenhotel Hilton hatte er jahrelang 130 Zimmer gemietet, im Sonnenbichl angeblich seit 2016 nicht nur die König-Ludwigs-Suite, sondern über 100 von 150 Zimmern.

Derzeit ist es keinem Hotel in Bayern erlaubt, Zimmer an Touristen zu vermieten. Der Pressesprecher des Landratsamts teilte der taz mit, dass die Sondergenehmigung für den König nur erlassen worden sei, weil „davon auszugehen ist, dass sich der König von Thailand zu geschäftlichen und/oder nicht privat touristischen Zwecken im Grand Hotel Sonnenbichl aufhält“. Dass sich der Thai-Kini hier allerdings seit Jahren aus privaten Gründen aufhält, ist für niemanden ein Geheimnis.

Hält sich Vajiralongkorn also privat in einem Hotel auf, das er derzeit nur für Geschäftszwecke nutzen dürfte? Und wie kann es sein, dass seine private Boeing trotz Ausgangsbeschränkungen in den letzten Wochen kreuz und quer durch Deutschland und in die Schweiz flog? Die unklare Lage, was den Status von Rama X. betrifft, deutet darauf hin, dass der König in Bayern einige Narrenfreiheit zu besitzen scheint, während die Bürger in diesem Bundesland um die Freiheit kämpfen, auf einer Parkbank sitzen und ein Buch lesen zu dürfen.

Gegen 12.45 Uhr: Vor dem Sonnenbichl taucht eine ältere Frau mit weißem Haar und Hundeleine um den Hals auf. Sie ist völlig aufgelöst: „Haben Sie einen weißen Hund gesehen? Ich hab den doch nur zur Betreuung, und jetzt ist er mir weggelaufen.“ Ist es des Königs Pudel? „Ich hab den König schon gesehen, ja. Aber heut noch nicht“, sagt sie und geht.

Gegen 12.50 Uhr: Während einer Erkundungsrunde ums Sonnenbichl werde ich von einem orangefarbenen Peugeot verfolgt und beobachtet. Des Königs Sicherheitspersonal?

Hubschrauber über der Stadt

Gegen 13 Uhr: Nördlich des Hotels ist ein Helikopter zu hören. Bald darauf fliegen vier Hubschrauber hintereinander am Hotel vorbei und landen auf der anderen Seite der Stadt, etwa auf Höhe der Olympiaschanze. Des Königs Hubschrauber? Auf dem Flugradar sind sie nicht verzeichnet. Zu erkennen sind die Farben Blau und Silber. Bayerische Polizeihubschrauber? Oder die ebenfalls blau und silbernen Helikopter der Royal Thai Airforce?

Gegen 14 Uhr: Der seit Stunden vor dem Sonnenbichl stehende und Patrouille fahrende schwarze Mercedes-Van mit den getönten Scheiben und einer Ladung schwarz gekleideter asiatisch aussehender Menschen mit Mundschutz, Sonnenbrille und Headset schleicht vorbei. Er hält. Ein Ablenkungsmanöwer? Tatsächlich fährt jetzt ein zweiter dunkler, größerer Van mit getönten Scheiben die Hotelauffahrt hoch und kommt nicht mehr runter. War er da drin?

Es werden an diesem Tag noch ein Müllschlucker, ein Sattelschlepper, diverse Handwerksbetriebe und ein Polizeiauto die Auffahrt hochfahren. Sonst niemand.

Gegen 14.15 Uhr: Zwei Polizisten fahren vor. „Guten Tag. Gegen Sie liegt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs vor. Wir müssen Ihre Personalien feststellen.“ Die Beamten berichten, dass der Besitzer des Hotels offenbar kein Verständnis für die Arbeit der Journalisten habe und ständig anrufe, was sie auch nicht lustig fänden. Wenig später zieht der Besitzer die Anzeige gegen mich zurück, erklärt aber sämtliche taz-Mitarbeiter*innen auf seinem Hotelgelände für unerwünscht.

Gegen 14.30 Uhr: Die vier Helikopter steigen auf der anderen Seite der Stadt auf, fliegen am Sonnenbichl vorbei und verschwinden am Horizont. Das Polizeipräsidium Bayern Süd bestätigt der taz, dass an diesem Tag keine Polizeihubschrauber über oder in Garmisch waren.

„Er ist wieder da“

Ein Fahrradfahrer kommt vorbei, erzählt, dass die Securitys ihn von seiner Strecke hinter dem Hotel verscheucht haben. „Scheinbar ist er wieder da“, sagt er wütend.

Ist er wirklich wieder da? War er überhaupt weg? Ist er illegal eingereist? Eine Anfrage zu den Reisetätigkeiten und dem Aufenthaltsstatus des Thai-Kinis in Deutschland beim Bundesministerium des Innern wird mit einem einfachen Satz beantwortet: „Unserem Haus liegen dazu keine Erkenntnisse vor.“

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15 Kommentare

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  • 0G
    01054 (Profil gelöscht)

    Der König sollte sich lieber in Thailand um die Coronakrise vor Ort kümmern, anscheinend ist ihm "seine" Bevölkerung ziemlich egal. In D ist die medizinische Versorgung eben besser, wenn es einen erwischt nach dem Motto, jeder ist sich selbst der nächste. Bayern sollte klar machen, das es jetzt nicht die Zeit ist für Luxusvergnügungen im Oberbayerischen, sondern den Aufenthalt schnellst möglich beenden, bevor der Virus sich dort wieder ausbreitet .

  • Der Mann sollte wieder zurück geschickt und die Villen enteignet werden.Was ist das für ein Staatsoberhaupt, welches sich im Ausland vergnügt, während zuhause die Coronakrise tobt? Wenn Herr Söder dort eine Ausnahme von den Corona-Regeln zuläßt, wird es nicht nur unglaubwürdig, sondern auch ein Risiko, das der Virus sich ungehindert wieder verbreiten kann. Hier ist vor dem Gesetz jeder gleich, ob König oder Bettler, oder doch nicht? Nebenbei, die Coronaregeln gelten doch wohl auch für Diplomaten oder dürfen die den Virus ungehindert verbreiten?

  • Nur eine Kleinigkeit: Eine Frau begrüßt mit Sawati Kha, eine Mann mit Sawati Khrap, der Zusatz Khrap wird immer vom Mann benutzt, wie bei Khob Khun Khrap für Danke.

  • Schön zu sehen, wie ernst es die Bayern mit ihren eigenen Corona Regeln halten, wenn eine verzogene Monarchengöre angeflogen kommt.



    Da weiß ich doch wieder, warum mir das alles am Hintern vorbei geht!

  • Unser Bundespräsident ist auch rechtlich gesehen immer im Dienst. Und ein König, der in Thailand ein viel mächtiges Staatsoberhaupt ist, und sich überwiegend in Deutschland aufhält, ist wohl nicht nur rechtlich sondern auch tatsächlich nicht einfach als Tourist da. Dass er es sich beim Verwalten seiner Pflichten und seines Millardenvermögens gut gehen lässt ändert daran nichts.

    • @Balder :

      Nach der selben Logik könnte ich als selbstständiger Programmierer etc. ja auch in jedes beliebige Land der Welt einreisen, weil ich dort meine Arbeit verrichten möchte. Der König von Thailand muss ganz bestimmt nicht nach Bayern, um Thailand zu regieren. Entsprechend sehe ich auch nicht wirklich, was die Bundesregierung daran hindern sollte, dem ganzen einfach einen Riegel vorzuschieben.

  • Viele Thai würden gerne einwandern, aber nur einer darf es.



    Er ist kein Diplomat und sollte freundlich ausgewiesen werden

    • @SUSANNE FRIEDLICH:

      Sorry, was soll das? Natürlich ist er kein "Diplomat". Er ist König.

  • Wenn man dieser obszönen Monstrosität nicht verzweifelt, woran denn sonst?

    Vajiralongkorn haust dort mit seinen Konkubinen?

    Wenn er keinen Bock auf ein Mädchen hat, wird deren Familie ins Gefängnis geworfen?

    Wieviel Schmerz ist denn ein demokratischer Bürger bereit zu ertragen?

    Endet unsere staatliche Souveränität bei einer schleimigen Verbeugung?

  • Latent skandalös wären die Vorgänge, wenn es sich um einen gewöhnlichen Milliardär handeln würde. Hier geht es aber - egal wie strange der Typ ist (und Vajiralongkorn hat mich schon in den achtziger Jahren genervt) - um das Staatsoberhaupt eines imndiplomatisi Sinn normalen Landes. Klar gelten da andere Regeln.



    Und daher war die Anfrage beim BMI auch sinnlos, man hätte im AA fragen sollen. Außer, man wollte unbedingt mit dem "keine Erkenntnisse"-Satz schließen, um maximal ominös zu sein.

  • Vielen Dank für den gut recherchierten Artikel.

    Eine Korrektur sei aber erlaubt, denn der Philosoph hatte das nicht ganz richtig erklärt. Frau sagt am Ende des Satzes "kha" als Höflichkeitspartikel, während Mann "khrap" sagt. Es hängt also vom Geschlecht der Sprechenden ab und nicht vom Geschlecht des Angesprochenen. Sie hätten also "sa wat dii kha" sagen müssen.



    Aber keine Sorge, die Thai sind sehr nachsichtig mit uns "Farang" (von Thai für "Franzosen", also Europäer, nicht abwertend zu verstehen), in Anbetracht der unzähligen Fettnäppfchen, in die wir gegenüber Thai treten können.

  • RS
    Ria Sauter

    Der König ist Kunde trifft es wohl besser.



    Wer will schon einen Reichen verschrecken! Die Politiker keinesfalls, schon gar nicht in Bayern.

  • Schräge Geschichte. In Bayern sind halt einige gleicher.

    • @Konrad Ohneland:

      In der Schweiz anscheinend auch. Meistens dir mit sehr viel Geld.

  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    Danke für dieses schöne Stück investigativen Journalismus. (Keine Ironie.)