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Klopapier-Mangel in Corona-ZeitenNicht komplett im Arsch

Nirgends mehr Toilettenpapier bekommen? Kein Problem. Ob mit Bidet oder Podusche – wir stellen Alternativen zum Papier vor.

Ach du Schreck: Kein Klopapier in Sicht! Foto: Frank Muckenheim/plainpicture

Für Menschen mit chronischen Darmerkrankungen, Muslim_innen oder Menschen aus Ländern, in denen es ohnehin eine übliche Waschpraxis ist, gehört das Reinigen der Genitalien und des Anus mit Wasser nach jedem Toilettengang zum Tagesgeschäft. Doch es gibt auch Menschen ohne sauberen Hintergrund: Menschen, die sich auf dem Klo ausschließlich mit trockenem oder feuchten WC-Papier sauber machen. Und die sorgen sich derzeit um ihren Vorrat, denn Klopapier gehört zu den Produkten, die während der Coronakrise schon morgens weggehamstert werden. Endlich ein Problem, hinter dem sich wirklich eine dornige Chance verbirgt.

Kein Papier oder wenig davon zu verwenden ist nicht nur nachhaltiger, günstiger und effektiver, sondern auch viel angenehmer für den Po. Außerdem scheuert exzessives Reiben mit WC-Papier die empfindliche Haut am Anus auf.

Man muss nicht mal auf spontanes Rimming (sogenanntes Arschlecken) stehen, um sich für die Po-Dusche zu begeistern. Egal ob im Alltag unterwegs, bei einem Date oder zu Hause: Wer zwischendurch mal kacken muss, bleibt locker, denn der kühle Wasserstrahl wird den Po reinigen und man fühlt sich wie neugeboren. Bremsspuren in der Unterhose? I don’t know it! Bockt übrigens auch, wenn man seine Tage hat und Blutreste abwaschen will.

Wenn die Pandemie überstanden ist, erhoffe ich mir vieles: laute Arbeitskämpfe, erfolgreiche Mietstreiks, generell mehr Solidarität, eine kommunistische Gesellschaftsform, und dass alle, auch Sie, zu einem schambefreiten Verhältnis zu ihrem Hintern und ihrer Scheiße finden können.

Lieber Hämorrhoiden als Waschung

Hören Menschen ohne sauberen Hintergrund zum ersten Mal vom Konzept, reagieren sie häufig mit Abwehr und Ekel. „Meinen Arsch soll ich anfassen? Nachdem ich gekackt habe??“ Diese hygienischen Bedenken vermengen sich in manchen Fällen mit antimuslimischen Ressentiments: Lieber Volkskrankheit Hämorrhoiden als islamische Waschung.

Wer Kinder oder Haustiere hat und sich um deren Körperausscheidungen kümmert, sagt ständig: Bei dem eigenen Baby/Hund/Katze/Chinchilla ist es nicht so schlimm, man liebt dieses Lebewesen ja und tut es gerne. Ich wünsche mir, dass Leute dies auch über sich selbst sagen und denken. Die Offenheit für die Podusche fehlt letztlich auch deshalb, weil man es nirgendwo richtig lernen kann. Klar, man könnte sich im Internet Anleitungen anschauen, aber was, wenn genau in dem Moment jemand ins Zimmer kommt? Die Scham sitzt zu tief.

So muss es nicht bleiben. Ich nehme Sie an die Hand, damit Sie in Zukunft Ihre Hand an Ihren Arsch nehmen. Eine Hand wäscht die andere, beide Hände waschen das Gesicht, eine davon jedoch auch den Arsch, beide danach wiederum mit Seife, mindestens 20 Sekunden lang, zum Refrain von „Chabos wissen, wer der Babo ist“ von Haftbefehl, von „Hit Me Baby One More Time“ von Britney Spears oder von „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea Berg. Zunächst einmal müssen Sie sich für eine Wasserquelle entscheiden.

Folgende Optionen gibt es

Die Minibrause

Haben Sie sich auch immer gefragt, wofür dieses Miniwaschbecken gut ist? Foto: Frank Muckenheim/plainpicture

In jedem Baumarkt, aktionsweise auch mal im Supermarkt oder online erhältlich ist der Mini-Duschschlauch. Diese Lösung ist in vielen Badezimmern umsetzbar, die einen Wasserhahn oder -anschluss in Toilettennähe aufweisen. Diese Bidetbrause gibt es ab 8 Euro, der Anschluss funktioniert bei einem Wasserhahn recht unkompliziert und ist langfristig die beste Lösung. Durch den hohen Wasserdruck des Schlauchs lässt sich der Po am leichtesten reinigen. Auch gut für alle, deren Dusche nicht im selben Raum wie die Toilette ist.

Bidet

Dieses französische Sanitärsprodukt gibt es in einigen Badezimmern, ich selbst besaß noch nie eins. Sieht aus wie ein niedriges Waschbecken in meist ovaler Form. Man hockt sich zum Waschen drüber und dreht den Hahn auf.

Japanisches Klo

Luxusvariante, aber geil. In japanischen Klos gibt es integrierte Brausen, die auf Knopfdruck angehen und den Po sauberspritzen. Manche Modelle haben sogar eine Trocknerfunktion, die warme Luft an den Anus pustet, also ganz ohne Hände und Klopapier. Aber Achtung, wer strenge Gerüche im gesamten Raum vermeiden will: erst die Brause, dann den Trockner. Im Internet gibt es Aufsätze für bestehende WCs zu geringeren Preisen als komplett neue Toiletten (die kosten 1.000 Euro aufwärts). Ähnliche Toiletten gibt es etwa auch in der Türkei.

Gießkanne

Der Klassiker aus der Diaspora. Idealerweise sollte sie nicht zu groß sein (also die 10-Liter-Gießkanne aus dem Garten wäre eher Over-Achievement), doch auch nicht zu winzig (das hippe Minikännchen mit 0,2-Liter-Volumen würde nicht reichen), und einen langen Hals haben. Meine eigene Gießkanne umfasst etwa 1,5 Liter, ich verbrauche pro Klogang maximal die Hälfte. Stellen Sie am besten vor dem Klogang sicher, dass die Gießkanne gefüllt ist.

Flasche

Wie die Gießkanne, aber to go. Eigentlich funktioniert jede Flasche, aber ich empfehle eine PET-Flasche mit einem Volumen von 0,7 Litern und einem dieser Aufsätze, an denen man zum Trinken saugen muss. Drückt man nämlich in die Flasche rein – Menschen mit Wasserschlacht-Erfahrung lieben oder hassen diesen Trick, je nachdem, ob sie bei der Wasserschlacht Tops oder Bottoms sind beziehungsweise wie gern sie nass gespritzt werden –, spritzt ein starker Strahl aus ihr heraus, was für die Untenrumhygiene der perfekte Wasserdruck ist.

Handbidet

Sieht aus wie eine elektrische Zahnbürste mit interessanten Proportionen, ist aber eine fancy Version der beschriebenen Wasserflasche. Der dazugehörige Behälter wird mit Wasser aufgefüllt, das durch Druck herausspritzt.

Haben Sie sich für ein Mittel entschieden? Dann geht es wie folgt:

Sind Sie fertig auf dem Klo, nehmen Sie 1 bis 2 Stück Klopapier (je nach Lagen) und wischen sich einmal den Po ab. Das Gröbste ist jetzt weg. Dann nehmen Sie, wenn Sie Rechtshänder_in sind, in die rechte Hand ihre Wasserquelle und waschen sich bei laufendem Wasser mit der linken erst die Genitalien, dann den Hintern. Normalerweise spürt man an den Fingerspitzen, wann es sauber ist. Beginner_innen empfehle ich, sich danach mit einem Stück Klopapier abzutrocknen. Ein Blick auf das Papier hilft dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob man wirklich sauber ist. Wer komplett auf Klopapier verzichten möchte, kann es irgendwann gegen ein regelmäßig wechselndes Handtuch austauschen, ich persönlich bleibe jedoch bei der Kombination aus Gießkanne und Klopapier.

Waschen Sie sich gründlich mit Seife die Hände. Weder Ihr Hintern noch Ihre Hände werden Anzeichen von dem tragen, was sich eben zwischen ihnen ereignet hat. Am Anfang ist es eine Frage der Übung. Hat man den Dreh raus, ist es nur noch eine Frage des Lebensgefühls.

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6 Kommentare

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  • »Wenn die Pandemie überstanden ist, erhoffe ich mir vieles: laute Arbeitskämpfe, erfolgreiche Mietstreiks, generell mehr Solidarität, eine kommunistische Gesellschaftsform, und dass alle, auch Sie, zu einem schambefreiten Verhältnis zu ihrem Hintern und ihrer Scheiße finden können.«

    Das hoffe ich auch! Auch wenn ich in Diskussionen neuerdings gerne den Klopapiermangel als Beispiel dafür verwende, dass es mit der Ressourcenallokation im "freien Markt" eben nicht so gut bestellt ist.

  • Danke für die sehr anschaulichen Tipps. Die ersten Versuche sind recht erfolgversprechend verlaufen.

    Jetzt brauchen wir noch Anleitungen zur Herstellung von Desinfektionsmitteln ohne Ethanol. Weil der kostet mittlerweile soviel wie ein guter Cognac.

  • Das ist das erste Mal dass ich mich für Hengamehs Kolumne einfach nur bedanken kann! :-)



    Ich benutze auch nur noch ein oder zwei Blatt Toilettenpapier, dann geht’s sofort unter die Dusche! Klappt bei mir ganz gut, da ich vorher noch den Morgenkaffee im Bett trinke und folglich dann eh noch nicht angezogen bin...ansonsten, bei selten-mal-zwischendurch: Einfach kurz die Oberkörperbekleidung vor dem Duschen hochraffen, ganz ausziehen ist nicht notwendig. Stuhlgang ohne Wasser kann ich mir inzwischen kaum noch vorstellen, ein Bidet wäre daher natürlich ein Traum, leider habe ich keins...bin übrigens ein heterosexueller Mann, falls soviel Reinlichkeit hierzulande dem „normalen starken Geschlecht“ nicht zugetraut werden sollte, und habe keinen (mir bekannten) Migrationshintergrund. Ach ja, die betreffende Körperregion je nach Haarwuchs ab und zu rasieren, das kommt auch gut...

  • Es gibt auch die simple Methode, sich auf den Badewannenrand zu setzen und den normalen Duschkopf zu verwenden. Mit ein bisschen Übung geht es ohne Überschwemmung ab.



    Auf utopia.de gibt´s da gerade auch einen Artikel dazu. Mit Bildern der vorgestellten Gerätschaften.



    DANKE für den Artikel!

    • @Fezi:

      Genau so verfahre ich seit jahren. Und anschließend mit einem auf ein viertel gefaltetem blatt toilettenpapier die endkontrolle auf - sehr selten vorhandene - reste. Das verbleibende wasser wische ich mit einem frotteewaschlappen ab. Und zur beruhigung: am waschlappen hatte ich noch nie kotspuren.

  • War aj klar, das etwas- was für 80% der weltbevölkerung normal ist- hier zu ener Grundsatzdiskussion führt: Das Reinigen des Analbereiches mit Wasser, statt den Dreck erst mit Papier gleichmässig zu verteilen.