piwik no script img

Reaktionen auf Kontaktsperre in BerlinAusnahmsweise rausgehen

Die Umsetzung der bundesweiten Kontaktsperre in Berlin trifft in der Koalition auf Zustimmung. Michael Müllers Kurs sei „besonnen und konzentriert.“

So viel Platz für RadlerInnen war selten: am Montag auf dem Potsdamer Platz Foto: picture alliance/Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Seit Montag gilt in Berlin eine Kontaktsperre – beziehungsweise eine Ausgangssperre mit einigen Ausnahmeregelungen. „Im Stadtgebiet von Berlin [...] befindliche Personen haben sich, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen dieser Verordnung, ständig in ihrer Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft aufzuhalten“, heißt es in der Verordnung, die der Senat noch am Sonntagabend nach einer Telefonkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder erlassen hat.

In der rot-rot-grünen Koalition wird dieser Kurs gegen die Ausbreitung des Coronavirus, der weniger hart ist als etwa in Bayern oder Sachsen, weitgehend akzeptiert. „Ich bin froh, dass es keine harte Ausgangssperre gibt“, sagte Katina Schubert, Landesvorsitzende der Linken, der taz. Ein „Minimum an sozialem Leben“ sei so noch möglich – was insbesondere für allein lebende Menschen wichtig sei, die sich immerhin mit noch einer weiteren Person draußen treffen könnten.

Die wichtigsten Ausnahmen der Kontaktsperre: Man darf raus zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen, auch zum Notar oder zu Behörden. Dabei darf man mit maximal einer weiteren Person unterwegs sein. Ist man mit Familie oder WG draußen, ist auch mehr Begleitung erlaubt.

Die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Regina Kittler betonte: „Wir müssen auch über eine Exit-Strategie reden: Wo definieren wir den Punkt, dass wir sagen, jetzt werden die Maßnahmen wieder zurückgenommen?“

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) warb um „Vertrauen und Verständnis“ für „diesen schmalen Grat“, den der Senat mit der Verordnung vom Sonntag beschreite. Das Virus sei eine „große Herausforderung“, doch der Rechtsstaat bleibe handlungsfähig. Schwere Gewaltdelikte, Inobhutnahme von Kindern wegen häuslicher Gewalt oder auch drohende Stromsperren würden trotz Notbetrieb auch in der Justizverwaltung weiter bearbeitet.

Grünen-Fraktionschefin: „Härter geht nicht“

Der CDU-Vorsitzende Kai Wegner hatte gefordert, eine komplette Ausgangssperre dürfe für Berlin kein Tabu sein.

Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek betonte, sie als Grüne sei „kein Freund von Grundrechtsbeschränkungen, und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellt sich hier permanent“. Allerdings habe sie den Eindruck, dass die Botschaft zum Abstandhalten und Zu-Hause-Bleiben am Wochenende bei den BerlinerInnen angekommen sei. „Noch mal schärfere Maßnahmen sind nicht nötig, und noch härter geht auch gar nicht“, sagte sie der taz.

Ausdrücklich lobte Kapek den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), „der hier einen richtig guten Job“ mache und „besonnen, aber konzentriert und fokussiert“ agiere.

Die SPD-Abgeordnete Maja Lasić sagte, man habe erfolgreich „Lock-down-Fantasien“ verhindert. Der CDU-Vorsitzende Kai Wegner hatte am Sonntagmorgen gefordert, eine komplette Ausgangssperre dürfe für Berlin „kein Tabu“ sein.

Kapek betonte, der Senat sei jetzt vor allem gefordert, wirtschaftliche Härten insbesondere auch für die Soloselbstständigen und Kulturschaffenden in Berlin abzufedern. „Ich fürchte, das Kulturleben wird auch nach Corona für lange Zeit nicht mehr dasselbe sein. Wir werden da ein völlig anderes Berlin haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Es tut mir leid, aber das Agieren des Berliner Senats weckt bei mir weder "Vertrauen" noch "Verständnis". Warum muss ausgerechnet ein rot-rot-grün regiertes Bundesland, dessen linker Regierung der Wert der Grundrechte doch wohl bewusst sein sollte, den ohnehin schon krassen Beschluss von Bund und Ländern noch überbieten und neben "Kontaktbeschränkungen" auch noch "Ausgangsbeschränkungen" verhängen? Befinden wir uns in einem Wettbewerb mit Bayern und Sachsen um die möglichst schnelle, möglichst umfassende Abschaffung der Bürgerrechte?

  • Wie schön, die Parteien der Berliner Regierungskoalition dürfen sich alle selber loben. Obwohl die vorherigen Einschränkungen weitestgehend befolgt wurden, kommt nun trotzdem eine praktische Ausgangssperre, nur mit anderem Namen. „Vertrauen und Verständnis“ sieht anders aus. Niemand hinterfragt, ob diese verschärften Regelungen überhaupt einen Sinn machen. Niemand weiß, welche Regeln wann wieder rückgängig gemacht werden - oder eben nicht. Nein, ich habe weder Vertrauen noch Verständnis.

  • Ich darf nach dieser Berliner VO nichtmal mehr meine Freundin besuchen, solange ich nicht verheiratet und an einer anderen Adresse gemeldet bin. Etwas anderes gilt nur, wenn meine Freundin ein "alter oder kranker Mensch" ist. Was daran bitte soll "besonnen" sein?

    • @stadtlandmensch:

      Du wirst das mal ein paar Wochen aushalten.



      Immerhin ist so sichergestellt, dass du sie nicht ansteckst.



      Ansonsten: es sind Treffen zu zweit erlaubt!