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Die CDU und ihr Verhältnis zur AfDKein Messias, nirgends

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Egal wer Vorsitzender wird: Entscheidend für die CDU ist ihr Verhältnis zur AfD. Und hier bahnt sich ein grundlegender Konflikt an.

Merz’ Hybris ist offenbar größer als seine analytischen Fähigkeiten Foto: Christoph Soeder/dpa

F riedrich Merz ist nicht der Messias, der die CDU retten wird. Der Heilsglaube, den viele Christdemokraten hegen, ist ein grandioses Missverständnis. Merz, so denken seine Anhänger, verhelfe der CDU mit markigem Konservatismus zu alter Größe, indem er die AfD schrumpfe. Er selbst behauptet, er werde die Rechtsradikalen „halbieren“. Aber wie soll das eigentlich gelingen?

Merz’ Hybris ist offenbar größer als seine analytischen Fähigkeiten. Denn sehr viele AfD-WählerInnen, das zeigen Befragungen, teilen das Weltbild der AfD. Sie sind nicht aus Protest dabei, sondern aus Überzeugung. Sie sehnen sich nach autoritären Strukturen, halten Menschen mit Migrationshintergrund für gefährlich und Europa für eine böse Krake. Bei der AfD finden Rassisten eine Heimat, die sich selbst für bürgerlich halten und zuvor mangels Alternative gar nicht oder andere Parteien wählten.

Auch ein CDU-Vorsitzender Merz könnte solchen Leuten kein Angebot machen, weil sich das für eine Volkspartei verbietet, die fest auf dem Boden von Grundgesetz und Rechtsstaat steht. Merz grenzt sich jetzt schon offensiv gegen die AfD ab, und er würde es weiter tun. Warum aber sollten AfD-WählerInnen einen konservativen Demokraten gut finden, der das ihnen verhasste System repräsentiert?

Zudem ist erwiesen, dass sich die AfD nicht schrumpfen lässt, indem man ihre Sprüche kopiert. Markus Söder betätigte sich vor der bayerischen Landtagswahl 2018 als Westentaschenpopulist. Erst als ihm die WählerInnen scharenweise wegliefen, zur AfD, aber vor allem zu den Grünen, schaltete er auf den modernen, ökologisch angehauchten Konservatismus um, mit dem er bis heute gut fährt. Söder hat erkannt, dass eine nach rechts gerückte CSU in der Mitte mehr verliert, als sie am Rand gewinnt.

Eine Spaltung ist nicht ausgeschlossen

taz am wochenende

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In Ostdeutschland verfügt die AfD über ein besonders stabiles Fundament, auch deshalb, weil hier Jahrzehnte bundesrepublikanischer Demokratieerfahrung fehlen, weil Kränkungsgefühle verbreitet sind und die Menschen praktisch erlebt haben, wie schnell Systeme wechseln können. Die Vorstellung, dieses Fundament mit einem im Sauerland gelernten, westdeutschen Konservatismus zu zertrümmern, ist weltfremd. Viele ostdeutsche AfD-WählerInnen „sind eher Ost- als WesteuropäerInnen, eher Orbán als Seehofer“, stellte die Zeit kürzlich zu Recht fest. Dem ist mit Marktliberalismus und Mackertum nicht beizukommen. Diese Leute wollen keine Steuersenkungen, sondern ein anderes Land.

Die bittere Wahrheit lautet deshalb: Die CDU wird mit der AfD leben müssen, egal ob der Vorsitzende Merz, Laschet, Spahn oder Röttgen heißt. Und das Problem, das sie hat, ist dramatischer als die Frage, wer das Rennen um den Chefposten macht. Der entscheidende Konflikt ist ein inhaltlicher. Abschottung zur AfD oder Umarmung? Nationalismus oder nicht? Im Bund ist die Haltung klar. Aber in ostdeutschen Landesverbänden fänden es viele richtig, mit der AfD zu kooperieren. Abgeordnete des rechten Flügels halten den Berliner Unvereinbarkeitsbeschluss für falsch. Und sie müssen sich daheim im Wahlkreis anhören, wie verrückt das Kooperationsverbot sei.

Das Thüringen-Debakel war auch Ausdruck dieser Denkströmung in der ostdeutschen CDU. Und es hat gezeigt, wie schwach die Bundespartei im Zweifel ist. Was passiert nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nächstes Jahr? Teile der CDU sind in der Koalition mit den Grünen sehr unglücklich, Spitzenleute warben offen für den Dia­log mit der AfD.

Es ist ein Streit, der sich eigentlich nicht lösen lässt. Durch keine Personalie, keinen Kompromiss. Der CDU droht eine jahrelange Hängepartie mit einem Konflikt, der immer wieder aufbricht. Auch das Szenario einer Spaltung ist nicht ausgeschlossen, in eine konservative Kraft der Mitte und eine rechtsnationale AfD light. Man muss kein CDU-Fan sein, um das für eine sehr schlechte Nachricht zu halten. Für die Union, das Land und die Demokratie.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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10 Kommentare

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  • Dem muss ich so wiedersprechen…



    Als Thüringer habe ich zwangsläufig mit dem ein oder anderen AFD (als auch Linke) Wähler kontakt. Als einen Grund, dass die AFD so erstarkt ist, höre ich immer wieder „die CDU unter Frau Merkel sei zu weit nach links gerutscht“. D.h. sehe ich schon die Chance, dass Herr Merz einige CDU-Wähler zurückgewinnen kann. ¼ aller Ostdeutschen sollte man auch nicht pauschal in einen Topf werfen, wie es in diesem Artikel geschieht. Das wäre dasselbe, wenn die Behauptung im raum stände. „Wer die Linke wählt ist ein verkappter Kommunist oder zumindest Sozialist“. Wird Herr Ramelow doch hier für seinen konservativ sozialdemokratischen Kurs vom Wähler unterstützt.



    Politik ist nun mal nicht nur schwarz und weiß, bzw. Rot und Blau.

    • @CS1984:

      (1/2)

      Schwarz-weiß ist eher Ihr „Denk“ansatz, der auf inhaltlose Klischeebilder aufbaut, wie dem von der angeblich zu weit nach „links“ gerutschten CDU, die im rechtem Diskurs seit Jahren perpetuiert werden. Die Erzählung soll für Entlastung bei rechtsoffenen WählerInnen sorgen, denen der demokratische Kompass fehlt und sich zurechtlügen sie müssten quasi „aus Notwehr“ die AfD wählen. Lesen Sie sich mal in die Kommentarspalten von Online-Medien rein. Die Schlichtheit der „Argumentation“ dieser Wählergruppe ist so offensichtlich wie sie auch wenig kreativ ist.

      Solche Mythen bewegen sich auf dem Niveau des seit Jahrzehnten in Unionsköpfen gepflegten Selbstbetrugs nachdem „Deutschland kein Einwanderungsland“ sei. Letzteres hört man in den vergangenen 5 – 6 Jahren weniger nur deshalb, weil die Zivilgesellschaft auch in diesem Punkt viel weiter war und ist. Auch die Koalitionen der CDU mit Grünen & SPD in den Ländern & Bund haben die Union an dieser Stelle etwas „zivilisiert“. Als Bremser wirkt die CDU/CSU dennoch weiter (siehe das vorrangig an Wirtschaftsinteressen ausgerichtete „Fachkräftezuwanderungsgesetz).

      Zurück zum Mythos „nach links gerückt“. Die Union hatte in den Nuller-Jahren langsam erkannt, dass die CDU in urbanen Milieus kein Bein mehr auf den Boden bekommt. Man/frau sehe sich mal Wahlergebnisse in Berlin, Hamburg, Bremen o. bei Kommunalwahlen an. Lausige 15% waren damals schon Realität.

      Die CDU hat daraufhin seit Merkel nur das nachgeholt, was in der Gesellschaft schon lange selbstverständlich geworden war: Mehr Frauen in Führungspositionen, LGBT gleichberechtigt & sichtbar im Alltag, Respekt für Menschen mit körperlichen Einschränkungen … und ja, 50/60 Jahre durch Arbeitsmigration & Asyl bedingt hatten die Zusammensetzung der Bevölkerung langsam verändert. Vielfalt, die konfliktär, widersprüchlich, anstrengend aber auch bereichernd ist.







      Aha, also heißt „nach links gerückt“ wohl in rechten Köpfen: „in der Realität des 21. Jh. angekommen“.

      Igitt?

      • @Daniel L:

        Das bornierte Festhalten an 50er Jahre Reinheitsfantasien in den Köpfen von Konservativen, Reaktionären, alten & neuen Nationalisten, völkisch daher Schwadronierenden ist das Problem. Im Osten gibt es Sonderfaktoren, der „Krautreporter-Bericht“ unten verweist jedoch zu Recht auf die historischen Zusammenhänge.

        Das Schwafeln von „nach links gerückt“ ist Ausdruck rechter Denkfaulheit, ein intellektuelles Armutszeugnis von Leitartiklern der FAZ, Welt oder Focus, wenn sowas immer wieder abgespult wird und dem Wahlvolk angedreht wird.







        Was heißt den „konservativ“ heute im 21. Jh. bitte? Will die Union zu den unwürdigen Szenen zurück, die Roland Kochs fiese Unterschriftenaktion 1999 hervorgerufen hatte: Geifernde, schlecht gelaunte Rentner, die sich mit geröteten Köpfen an die Stände der CDU drängelten „Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?!?“

        Die Projektionsfläche „Merz“ ist genau diese Sehnsucht offenbar. Das Vokabular, was der Mann heute im Jahr 2020 abspult, ist doch völlig aus der Zeit Gefallen. Würde man Roland Koch auch noch bemühen mitzumischen, fürchte ich, würde der ebenfalls wieder mit seinen Unterschriftenlisten um die Ecke kommen …

  • Gute Zusammenfassung, was die Union in den letzten ca 20 Jahrn falsch gemacht hat:



    krautreporter.de/3...antwortung-der-cdu

  • Ich traue Friedrich Merz zu, dass er die CDU ohne weiteres mal eben halbieren kann. Alles andere wäre doch auch „grottenschlecht“.

  • Soso, der Söder fährt mit seinr Öffnung nach links also gut? Die letzten Meinugsumfragen in Bayern sehen die CSU bei 36% (ok, leichte Verbesserung von 34), Freie Wähler bei 10% und die AfD bei 10%. Für bayerische Verhältnisse ist das nicht gut, sondern schlecht. Die Öffnung nach links hat ihm ein paar % gebracht, und 20 verlieren lassen. Aber egal. Die CDU ist jetzt in einer ähnlichen Situaiton wie die SPD vor ein paar Jahren: die Führung hat den Laden nach links gebracht in der Annahme das alle Leute irgendwie bei der Stande bleiben, aber jetzt ist die Schmerzgrenze erreicht und überschritten. Und, die Führung bzw Merkel haben keine Einsicht und keine Handlungsmöglichkeiten mehr. So long, Angie..

  • Quadratur des Kreises

    Der Slogan von der Äquidistanz zu beiden politischen Rändern erweist sich als Quadratur des Kreises. Irgendwann muß man sich schon entscheiden und dieses „Weder-noch“ aufgeben, so oder so. Das jetzige Gezerre um das Erfurter Modell Ramelows verlängert nur das Elend der CDU und bietet keinen Ausweg aus der Sackgasse.

    Für die Werte-Union, also den März-Maaßen-Flügel der CDU im Geiste der Stahlhelm-Fraktion Alfred Dreggers, ist dies klar, was die Mutmaßung nährt, beim Erfurt-Krimi habe es sich schlicht um eine Anti-Merkel-Fronde dieses Flügels gehandelt. Dafür spricht auch die „Durchstecherei durch rechte CDU-Abgeordnete“ an die AfD, man werde „im dritten Wahlgang für Kemmerich stimmen“ (FAZ v. 9.2.2020). Dessen strategisches Ziel ist erkennbar eine parlamentarische Alternative zu den als Mésalliancen empfunden Zwangsehen mit den Grünen und den Sozis in Bund und Ländern. Das ginge allerdings nur mit den Neo-Völkischen.

    Es lebe die Erfurter Front! Übrigens ist es von Erfurt nach Bad Harzburg nur ein Katzensprung...

  • Demokratieerfahrung

    Zitat: „In Ostdeutschland verfügt die AfD über ein besonders stabiles Fundament, auch deshalb, weil hier Jahrzehnte bundesrepublikanischer Demokratieerfahrung fehlen.“

    Dazu hier nun die Spitzenwerte der Wählerpotentiale sog. „rechtspopulistischer Parteien“ in europäischen Ländern mit profunder okzidentaler politischer Tradition ohne kommunistische Vergangenheit und teilweise mit langjährigen multi-ethnischen Traditionen:

    Italien: 49 % (LN, FI, Fratelli d’Italia)



    Österreich: 35% (FPÖ)



    Frankreich: 34% (RN, DF)



    Schweiz: 29% (SVP)



    Dänemark: 21(DF)



    Finnland: , 18% (PS)



    NL: 13% (PVV)



    Schweden : 13,% (SD)



    GB 13(UKIP)



    Griechenland: 9% (Goldene Morgenröte)

    In diesen Ländern wählten also zwischen 50 und 10 % der Wähler AfD-like.



    In Italien, Österreich, Frankreich, Schweiz und Dänemark liegt dieses Potential höher als dasjenige der AfD in den Nachfolgeländern der DDR. Daraus ergibt sich die naheliegende Frage, wo angesichts dieser Zahlen die oft jahrhundertealten Demokratieerfahrungen etwa in Frankreich, der Schweiz oder Großbritannien geblieben sind. Wie lange will sich der Gemeine Westdeutsche denn noch sonst was darauf einbilden, daß ihm die Westalliierten nach der Befreiung 1945 die Demokratie verordneten ?

    • @Reinhardt Gutsche:

      Sehr gut auf den Punkt gebracht. Danke

  • "Markus Söder betätigte sich vor der bayerischen Landtagswahl 2018 als Westentaschenpopulist. Erst als ihm die WählerInnen scharenweise wegliefen, zur AfD, aber vor allem zu den Grünen, schaltete er auf den modernen, ökologisch angehauchten Konservatismus um"

    Aber das ist ja noch viel schlimmer...



    War er jetzt ein Wolf der jetzt ein Schafspelz trägt um seinen Posten zu behalten oder war er ein Schaf im Wolfspelz um für sich Menschen mit rechtem Gedankengut als Wähler zu gewinnen? Was ist seine wahre Gesinnung?

    Einfache Regel: wer sich die Parolen und Denkmuster der Nazis zu eigen macht ist ein Nazi. Auch Söder! Seehofer übrigens auch.

    Das sind mir die Gaulands und Meuthens dieser Welt lieber: die verstellen sich nicht. Die heben öffentlich den Arm zum Gruß, da weis jeder woran er ist.