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Foto: Herby Sachs/version foto

Flüchtlinge aus der früheren UdSSRArm, jüdisch, eingewandert

Von wegen historische Verantwortung: Jüdische Immigranten sind schlechtergestellt als Spätaussiedler. So wie Emil Feygman. Seine Rente beträgt 71,25 Euro.

A ls Emil Feygman auf das Dokument vor ihm auf dem Cafétisch zeigt, presst der 67-Jährige die Lippen fest aufeinander. Es ist ein Schrei­ben der Rentenversicherung: Zu Ende Juli 2019 wurde seine Rente angepasst. Sie beträgt jetzt 71,25 Euro im Monat – statt wie in den Jahren zuvor 69,05 Euro. „Es ist, als wären 20 Jahre Arbeit einfach weggeworfen“, sagt Feygman. 20 Jahre, die Feygman in der Ukraine als Ingenieur gearbeitet hat, bevor er und seine Familie nach Berlin kamen. Dass er heute eine Armutsrente bekommt, dieses Schicksal teilt Feygman mit vielen anderen Jüdinnen und Juden, die in den 1990er Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland emigrierten.

Emil und Jewgenia Feygman verließen die Ukrai­ne 1996 mit ihrer Tochter als jüdische Kontingentflüchtlinge. Rund 220.000 jüdische Menschen erreichten Deutschland auf diesem Weg zwischen 1991 und 2004. Sie mussten kein Asylverfahren durchlaufen und bekamen einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen. Das gerade wiedervereinigte Deutschland sah sich nach der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die Nazis moralisch in der Pflicht. Zudem hoffte man, auf diese Weise die wenigen jüdischen Gemeinden zu stärken.

„In der Ukraine war der Antisemitismus damals sehr stark“, erzählt Emil Feygman. Und wer Jude war, das stand in der Sowjetunion im Pass – als Nationalität. „Es gab dort keine Zukunft für uns“, sagt seine Frau. Vor Emil Feygman liegt seine zusammengefaltete Lesebrille, ein elektrisches Teelicht wirft warmes Licht auf die roten Rentiere auf dem Glas des Windlichts.

Die beiden wollen an diesem Wintertag über Armut sprechen. Über Ungerechtigkeit. Darüber, dass all die Jahre, die sie in der Sowjetunion gearbeitet haben – bei Emil Feygman sind es 20, bei seiner Frau Jewgenia rund 15 –, nichts mehr zählen, wenn es um ihre Rente in Deutschland geht.

Keine Privilegien wie für die Spätaussiedler

Den beiden geht es vor allem um eines: Gleichbehandlung. Denn damals kamen nicht nur jüdische Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion, sondern auch Spätaussiedler, also deutsche „Volkszugehörige“, die in Deutschland einen Status als „Vertriebene“ bekamen. Rund 3 Millionen waren es seit Ende der 1980er Jahre – deutlich mehr als die 220.000 Jüdinnen und Juden. Beiden Gruppen wurde das Privileg zuteil, überhaupt kommen zu dürfen in einer Zeit, in der Deutschland, allen voran der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), darauf beharrte, „kein Einwanderungsland“ zu sein.

Die Spätaussiedler galten von vornherein als Deutsche, ihre Rentenansprüche übernahm der deutsche Staat über das Fremdrentengesetz. „Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind zu mildern“, heißt es im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz. Für die jüdischen Kontingentflüchtlinge galt das nicht.

Für die deutsche Rentenversicherung ist es vielmehr so, als hätten Jewgenia und Emil Feygman vor ihrer Einreise im Jahr 1996 keinen einzigen Tag gearbeitet. Das geht vielen jüdischen Kontingentflüchtlingen so. Und trotzdem rede kaum einer darüber, auch innerhalb der Community nicht, sagen die beiden – zu groß sei das Stigma. Eigentlich heißen die Feygmans nicht Feygman. Sie wollen nicht mit ihren echten Namen in diesem Text auftauchen.

Die Zahlung einer Rente ins Ausland ist in den meisten Nachfolgestaaten der UdSSR nicht vorgesehen. Um das zu ändern, bräuchte es Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland. Jüdische Zuwanderer könnten „meist nur unter schwierigen Bedingungen eine Altersrente aus dem jeweiligen Herkunftsland erhalten“, heißt es in einem Papier des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2018. Für die Ukraine, das Herkunftsland der Feygmans, könnte sich die Situation bald ändern: Ein Sozialversicherungsabkommen sei „abschließend verhandelt“ und solle bald in Kraft treten, erklärt die Deutsche Rentenversicherung auf Nachfrage.

In der Ukraine hatten die Feygmans gute Berufe. Emil hatte an der Marinehochschule studiert und arbeitete als Bauleiter in der Reparatur- und Bauverwaltung. Jewgenia ist studierte Volkswirtin und war an einem Institut tätig. „Wir haben überdurchschnittlich gut verdient“, sagt die heute 64-jährige Jewgenia Feygman. „Du machst viele Jahre gute Arbeit“, sagt ihr Mann. „Und plötzlich bekommst du nichts.“ Er wischt mit der flachen Hand durch die Luft und trifft seine Mineralwasserflasche. Gerade so kann er verhindern, dass sie umkippt.

Im Februar 2019 hatten Grüne, FDP und Linke in einem gemeinsamen Antrag die Verbesserung der Alterssicherung für jüdische Zuwanderer gefordert – ob nun durch eine Aufnahme ins Fremdrentengesetz, einen Härtefallfonds oder ein So­zial­versicherungsabkommen. Die Bundesregierung lehnte den Antrag ab und verwies auf laufende Gespräche zu einem Fonds, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein sollten.

Von Kiew nach Köln, 1996: Jüdische Kontingentflüchtlinge erreichen Deutschland Foto: Herby Sachs/version foto

Fragt man Anfang 2020 im Bundesarbeitsministerium nach, heißt es, der Koalitionsvertrag sehe einen Fonds für „Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess“ vor. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe prüfe derzeit, inwiefern dieser für ostdeutsche Rentner infrage kommen könne. In einem „weiteren Schritt“ werde „Entsprechendes auch für die Gruppe der Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge geprüft“.

Es geht nicht nur um die Rente: „Ich wollte unsere Abschlüsse anerkennen lassen“, sagt Emil Feygman. Wieder öffnet er die Mappe auf dem Tisch. Er zieht Arbeitsbücher heraus und drei rote Kladden. Sein Diplom und die beiden Diplome seiner Frau samt Übersetzung. „Mit Auszeichnung“ steht über allen drei Dokumenten. „Ich habe denen beim Amt gezeigt, was ich gelernt und was ich gearbeitet habe“, sagt er. „Physik, Chemie, alles.“ Aber man habe ihn wieder weggeschickt. „Die haben gesagt, ich sei kein Spätaussiedler – also würden sie meine Unterlagen nicht akzeptieren.“

„Bis 2012 hatten in Deutschland außer EU-Bürgern ausschließlich Spätaussiedler ein Recht auf formelle Prüfung ihrer Abschlüsse“, sagt Martina Müller-Wacker, eine Expertin für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. 2006 veröffentlichen sie und Bettina Englmann mit „Brain Waste“ die erste umfassende Studie zum Thema. In den Anerkennungsstellen hätten in den 1990er Jahren Leute gesessen, die in der Sowjetunion in der gleichen Ausbildungsklasse gewesen waren – einer war Kontingentflüchtling, einer Spätaussiedler. „Sie kamen mit der gleichen Qualifikation, aber nur der Spätaussiedler hatte in Deutschland einen Anspruch darauf, dass sein Abschluss auf Gleichwertigkeit geprüft wird“, sagt Müller-Wacker.

Die im Amt haben gesagt, ich sei kein Spätaussiedler – also würden sie meine Unterlagen nicht akzeptieren

Jewgenia Feygman, jüdischer Kontingentflüchtling

Das sei nicht gleichzusetzen mit einem Recht auf Anerkennung, betont Müller-Wacker. Die Frage sei immer gewesen, ob der Abschluss einem deutschen gleichwertig sei. „Bei den Spätaussiedlern war aber der politische Wille da, sie zu integrieren. Der Kontingentflüchtling saß da mit nichts, sein Abschluss wurde in vielen Fällen nicht mal angeguckt. Das war das grausam Ungerechte.“

Eine solche Geschichte erzählte auch Jewgenia Feygman. In der Ukraine habe an ihrem Institut eine russlanddeutsche Kollegin gearbeitet, sagt sie, während ihr Cappuccino kalt wird. In Berlin habe sie die Frau wieder getroffen, während eines Aushilfsjobs an einem Bildungsinstitut. „Ihre Qualifikation wurde anerkannt, meine nicht. Ihre Arbeitsjahre in der Ukraine zählen für ihre Rente – meine nicht.“ Jewgenia Feygman zieht die Augenbrauen zusammen. „Ich wusste nicht, dass ich hier nicht vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werde.“

Zunächst suchten die Feygmans noch nach Jobs, die zumindest entfernt mit ihrer Qualifikation zu tun hatten. Später hätte sie jeden Job angenommen – nur gab es keinen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg bis 1997 auf ein Rekordhoch von rund 4,4 Millionen. In Berlin lag die Arbeitslosigkeit bei über 15 Prozent. Und: Die Feygmans waren nicht mehr jung; Jewgenia Feygman war bei ihrer Einreise 41 Jahre alt, ihr Mann 44.

Bei den Spätaussiedlern war der politische Wille da, sie zu integrieren. Der Kontingentflüchtling saß da mit nichts, sein Abschluss wurde in vielen Fällen nicht mal angeguckt

Martina Müller-Wacker, Autorin einer Studie zum Thema ausländische Studienabschlüsse

Emil Feygman blieb drei Jahre arbeitslos, dann kamen Maßnahmen und Minijobs, etwa als Hausmeister in einem Kindergarten. Er verdiente sich ein bisschen was „mit den Händen“ dazu, strich etwa Wände bei Bekannten. „Aber einen richtigen Job habe ich nicht bekommen“, sagt er. Dann kam der Rentenbescheid mit seinen rund 70 Euro – die noch dazu mit der Grundsicherung verrechnet werden.

Auch der deutsche Pass blieb lange nur ein Traum

Erst mit dem Renteneintritt wurde Emil Feygman dann deutscher Staatsbürger – nach etwa 20 Jahren in Deutschland. Eine der Voraussetzungen für die Einbürgerung ist die Unabhängigkeit von Sozialleistungen. Jewgenia Feygman wird wohl kurz vor ihrem Renteneintritt einen deutschen Pass in Händen halten: Weil sie seit nunmehr zehn Jahren die Mutter ihres Mannes pflegt, sind die Behörden nachsichtig. Kürzlich hat sie den Einbürgerungstest abgelegt. „Ich habe meine Diplome mit Auszeichnung bestanden, und auch diesen Test werde ich mit Auszeichnung bestehen“, sagt sie mit einem Grinsen. Als es dann um ihren Rentenbescheid geht, den sie 2020 erwartet, verschwindet das Lachen sofort wieder. „Die Lage, in die man uns gebracht hat, ist erniedrigend“, sagt sie.

Bei den Renten sei die Schlechterstellung der Kontingentflüchtlinge gegenüber den Spätaussiedlern „eklatant“, sagt Jannis Panagiotidis, Ju­nior­professor für russlanddeutsche Migration und Integration an der Universität Osnabrück. Er kritisiert, dass die Bundesregierung eine Aufnahme der Kontingentflüchtlinge in das Fremdrentengesetz kategorisch ablehne. „Die Unionsparteien haben in der Bundestagsdebatte argumentiert, das Gesetz sei nur für Deutsche. Das ist aber falsch“, sagt er. Diese Argumentation verkenne den Aspekt der „Wiedergutmachung durch Migration“, der der Aufnahme beider Gruppen gemein sei. „Das Fremdrentengesetz ist ein Kriegsfolgengesetz. Früher wurden hier schon ‚heimatlose Ausländer‘ einbezogen. Und auch die Aufnahme der jüdischen Kontingentflüchtlinge ist eine ‚Bewältigung von Kriegsfolgen‘ “, sagt Panagiotidis.

Der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky (Die Grünen) betont, im Gesetz werde mit dem Kriegsfolgeschicksal der Aussiedler argumentiert. „Aber Entschuldigung: Es wäre wirklich abenteuerlich, zu behaupten, dass diese Folgen bei jüdischen Sowjetbürgern weniger ausgeprägt waren als bei deutschstämmigen.“

Tatsächlich hatten Abgeordnete aller Parteien im Herbst 1990 einmütig Deutschlands „historische Verantwortung“ dem jüdischen Volk gegenüber erklärt, als es im Bundestag um die Frage der Aufnahme dieser Menschen ging. Und man formulierte konkrete Hoffnungen: Von einer „Revitalisierung des jüdischen Elements im deutschen Kultur- und Geistesleben“ sprach im Plenum der CDU-Politiker Horst Waffenschmidt, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium. Es gehe um die „Frage nach dem Charakter der neuen Republik“, erklärten die Grünen. Wenn „sowjetische Juden mit uns leben wollen, dann werden wir uns um mehr als bloß zu ertragende Nachbarschaft bemühen“, betonte die SPD.

Beratungsgespräch in der Jüdischen Synagogegemeinde Köln mit Rabbiner David Bloßlag Foto: Herby Sachs/version foto

„Man hat diese Menschen nicht nur aus rein humanitären Gründen eingeladen, sondern gewissermaßen auch, um politische Dividende zu bekommen“, sagt Lagodinsky. „Um nämlich vom wieder erblühenden jüdischen Leben in Deutschland sprechen zu können.“ Natürlich sei es ein Privileg gewesen, angesichts der Migrationspolitik der 1990er Jahre überhaupt kommen zu dürfen. „Aber es geht eben nicht nur darum, hier repräsentativ zu existieren – die offizielle Seite betont ja sehr gern, wie stolz Deutschland auf sein jüdisches Leben ist. Sondern auch um ein würdiges Leben.“

Eingestrichen wurde nur die politische Dividende

Lagodinsky drängt auf eine Lösung. „Die Menschen sterben jetzt, viele Betroffene sind schon weg.“ Er spüre aber „keinen politischen Willen der Regierungsparteien, das Thema wirklich anzupacken“. Auch die jüdischen Institutionen hätten den richtigen Zeitpunkt verschlafen. „Und jetzt sind die Lösungsversuche halbherzig, das Thema wird nicht als Priorität behandelt.“

Ein Vorwurf, den die Angesprochenen zurückweisen. „Eine Portion Selbstkritik ist nie schlecht. Aber ich glaube nicht, dass wir hier etwas verschlafen haben, wir weisen seit Jahren auf das Problem hin“, sagt Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Für die Gemeindemitglieder sei es ein „wirklich gravierendes Problem“, betroffen seien „Schätzungen unserer Fachleute zufolge allerhöchstens 70.000 Menschen“. Wegen der Grundsicherung müsse zwar niemand Angst haben, völlig mittellos dazustehen. „Aber das sind sehr selbstbewusste und rechtschaffene Menschen, die zu Recht betonen, dass sie jahrelang etwas geleistet haben“, sagt Lehrer. „Und jetzt sind sie auf das angewiesen, was der Staat für Menschen am Rand der Gesellschaft vorgesehen hat.“

Man sei mit dem Bundesarbeitsministerium im Gespräch. Zum Inhalt laufender Verhandlungen will Lehrer sich nicht näher äußern. „Wir haben aber den Wunsch, unseren Gemeindemitgliedern in der ersten Jahreshälfte eine Lösung präsentieren zu können – ob nun über die Rentenkasse, Steuergelder oder sonstige Maßnahmen.“

Fragt man die Feygmans, ob sie es bereuen, damals nach Deutschland gekommen zu sein, verneinen sie. „Damals war nur noch Chaos“, sagt Jew­ge­nia Feygman. Keine Perspektiven, vor allem nicht für die Tochter, die heute in Berlin promoviert. „Unsere Situation damals war schwierig, auch moralisch. Das lastet schwer auf der Seele“, sagt Emil Feygman. Von der Tochter haben die beiden das, so gut es geht, ferngehalten. „Als Kind habe ich davon nichts mitbekommen“, sagt die junge Frau. Eigentlich ist sie nur mitgekommen, um Übersetzungshilfe bei schwierigen Fachausdrücken zu leisten, falls es notwendig werden sollte. Wenn es um sehr bürokratische Fragen geht etwa. Jetzt muss sie sich doch selbst einschalten. „Es war bestürzend für mich, als ich diese Geschichten das erste Mal gehört habe.“

Ihr Rabbiner habe damals nicht gutgeheißen, dass sie nach Deutschland gehen wollten, erzählt Jew­genia Feygman. „Du tanzt auf den Knochen deiner Vorfahren. Das hat er zu mir gesagt“, sagt sie. Aber: Hitler habe ein Deutschland ohne Juden gewollt. „Wenn keiner gekommen wäre, dann hätte er das am Ende geschafft.“ Jetzt gebe es „eine neue Generation jüdischer Menschen hier in Deutschland“, sagt Jewgenia Feygman. Und schaut ihre Tochter an, die neben ihr sitzt. „Ich bin so stolz auf das, was sie mit Ende 20 schon alles geschafft hat.“

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23 Kommentare

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  • Deutschland hat Reparationszahlungen aus dem 2 Weltkrieg an den Staat Udssr geleistet. Deutschland hat nach der Luxemburger Vereinbarung zusätzlich sowohl an Israel als auch an den Jewish Claim Conference Zahlungen als Entschädigung geleistet. Die Juden aus der Ukraine konnten jederzeit nach Israel auswandern. Sue haben sich wohl wegen der höheren Sozialleistungen für Deutschland entschieden. Und zwar entgegen dem Wunsch Israels und dem der Juden Amerikas. Es gibt vor diesem Hintergrund keinerlei moralische oder sonstige Begründung für weitere Forderungen. ..übrigens sind 20 Jahre hier in Deutschland durchaus eine Gelegenheit, um mehr als 70 Euro an Rentenanwartschaften zu erarbeiten. Allerdsing: man muss dazu 20 Jahre lang einem soialversicherungapflichtigen Job nachgehen, anstatt sich auf der hiesigen sozialen Hängematte auszuruhen.

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    "Historische Verantwortung" gibts in D nur in Sonntagsreden. Sobald es um Geld geht, wird man da sehr passiv oder mauert aktiv. Sieht man aktuell auch bei der Aufarbeitung des Herero-Völkermords...



    Dabei basiert unser gesellschaftlicher Reichtum zum größten Teil auf Ausbeutung: der Kolonien, der Umwelt, der dritten Welt...



    Im Fall der Juden besonders unappetitlich: auch heute noch große Konzerne wie Siemens oder BASF waren im Rahmen der "Vernichtung durch Arbeit" aktiv am KZ-System beteiligt und haben dabei Kasse gemacht!



    Ich halte es für wichtig, im hier beschriebenen Fall zumindest nicht zwischen "Deutschen" und "Nichtdeutschen" zu unterscheiden.

    • @84935 (Profil gelöscht):

      Völlig richtig. Und überhaupt zieht sich das für mich wie ein roter Faden durch die neudeutsche Geschichte: Verantwortung gibt es in Reden. Kommt aber nicht aus dem Portemonnaie, weder für Opfer der Vergangenheit, noch für unsere eigene Gegenwart (siehe Armut in D), noch unsere Zukunft (siehe Geld für Bildung). Dabei ist Geld doch nicht verloren, es zirkuliert und sorgt bei anderen für Einkommen. Das gilt natürlich nur solange wie nicht irgendwelche Geizknochen das Geld auf der Bank oder sonstwo fixieren und so der Binnenwirtschaft entziehen. Die Gefahr besteht aber weder hier im konkreten noch in einem der von mir genannten Fälle. Das allerdings checken die Deutschen nicht, mangels Ahnung von Volkswirtschaft.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @84935 (Profil gelöscht):

      Es wäre richtig, zwischen von Kriegsfolgen Betroffenen und Nicht-betroffenen zu unterscheiden - was immer das im Einzelfall bedeutet.



      Die Spätaussiedler waren anders, nämlich indirekt, kriegsbetroffen, indem sie unter Stalin deportiert wurden. Dass jüdische Sowjetbürger durchaus direkt vom deutschen Vernichtungszug betroffen waren, ist naheliegend. Dass die jeweiligen Nachkommen ebenfalls betroffen sind, ist inzwischen ja allgemein akzeptiert.



      Es ist also fraglich, ob Privilegien aufgrund von Abstammung zeitgemäß sind oder nicht bloß Verwirrung und neues Unrecht zeitigt.

  • Der Fehler war die Sonderbehandlung der Spätaussiedler. Und eigentlich überhaupt die hohen Renten an "unsere" Rentergeneration, die sich dazu entschieden hatte, keinerlei Altersrücklagen zu bilden, anders als in anderen Ländern mit Pensionskassen.

  • Es erschreckt mich doch sehr, su sehen, wie die meisten Komentatoren ideologisch /technisch argumentieren. Der Glaube an's System hat Vorrang for humanitären und menschlichen Erwägungen. Ich dachte wir wären schon weiter. Gerade auch hier bei der taz.

    • @Grauton:

      Mit der Aufnahme jüdischer Kontingentflüchtlinge in die Fremdrentenregelung verschiebt man die Gerechtigkeitsfrage doch nur.

      Warum sollte die Regeleung für nichtjüdische Kontingentflüchtlinge nicht gelten?

      Warum soll ein orthodoxer russischer Flüchtling, dessen Familie im Krieg möglicherweise mit dem gesamten Dorf von deutschen Soldaten erschossen wurde und dessen Vater als Soldat der Roten Armee im Kampf gegen den Hitlerfaschismus starb, nur Grundsicherung bekommen?

      Weil er nicht jüdisch ist? Das geht nach dem Antidiskriminierungsgesetz nicht.

      Und warum sollten diese Regelung dann nur für jüdische Kontingentflüchtlinge gelten, nicht aber etwa für Israelis, die ebenfalls aus Russland stammen?

      Und wie sieht es dann bei nicht russischstämmigen Israelis aus?

      Der 60-jährige syrische Flüchtling hat in Syrien 40 Jahre lang viel geleistet, die Rentenkasse interessiert das hier kein Stück.

      Spätaussiedler profitieren von einer Regelung, die man heute so nicht mehr beschließen würde und die schon früher nicht jeder gut fand.

      Dieses Paket aufzuschnüren wird möglicherweise nicht mehr Gerechtigkeit schaffen. Gerade aus menschlichen Erwägungen muss man da genau hinsehen.

      Und eine Immigration 1996 vor damaligem Antisemitismus in der Ukraine unter "Bewältigung von Kriegsfolgen" zu subsumieren, das heißt schon, dieses Begriff kräftig auszudehnen.

    • @Grauton:

      Nun um es klarzustellen - ich "gönne" niemandem ein Leben an der Armutsgrenze. Ich bin der Ansicht, dass im übertragenen Sinne natürlich der "Mercedes für alle" viel erstrebenswerter ist. Insofern wünsche ich dem Paar erdenklich alles Gute und hoffe, dass sie immer ein Quentschen mehr Sozialleistungen bekommen, als ihnen eigentlich zusteht.

      Ich denke aber schon, dass man den Fall auch abstrakt betrachten muss, gerade wenn der Artikel ja systemische Schwächen zumindest suggeriert. Und gerade wenn es um Sozialleistungen geht, ist es immer die Frage, wie viel die bereit sind, abzugeben, die die Sozialleistungen finanzieren. Dies ist ein ständiges Aushandeln, bei dem oberstes Ziel sein muss, den sozialen Frieden zu erhalten.

  • Leider wird in dem Artikel nicht deutlich, wieso ein Wiederanfang im Alter von 41 für dieses nach eigenen Aussagen hochqualifizierte Ehepaar nicht gelang. Es wäre sicher interessant gewesen zu erfahren, wieso nicht ein sehr guter Spracherwerb und zumindest eine duale Ausbildung realisierbar war.

    Auch verwundert der Satz:

    "Für die deutsche Rentenversicherung ist es vielmehr so, als hätten Jewgenia und Emil Feygman vor ihrer Einreise im Jahr 1996 keinen einzigen Tag gearbeitet."

    Die Rentenversicherung interessiert sich mitnichten dafür, ob jemand "gearbeitet" hat, lediglich, ob Beiträge bezahlt oder anderweitig anrechenbare Zeiten vorliegen. Auf die tatsächliche Leistung kommt es nicht an. Auch der Nichts-Tuer, für den Beiträge entrichtet wurden und der Kinder bekommen hat (auch ohne wirklich zu erziehen), bekommt entsprechende Punkte...

  • "*mit 41/44 in die BRD gekommen, nicht sozialversicherungspflichtig gearbeitet und jetzt auf die anderen schielen? ganz schön frustriert..."

    20 Jahre in gehobenen Berufen gearbeitet.

    Am besten nochmal lesen...

  • *hört auf mit dem Spätaussiedlerbashing. Das verzerrt doch die Wahrheit. Deren Vorfahren wurden auch verfolgt, umgebracht, enteignet und vertrieben, hat die TAZ davon auch schon mal berichtet?



    *die meisten Abschlüsse wurden nicht anerkannt und man musste ungelernter Arbeit nachgehen oder neue Abschlüsse in der BRD machen.



    *in diesen beiden Fällen würden sie auch bei einer spätaussiedlervergleichbaren Anerkennung ihrer Arbeitszeiten in der Ukraine (60% im Vergleich zu BRD Ansprüchen) nicht über die Grundsicherung hinauskommen...



    *mit 41/44 in die BRD gekommen, nicht sozialversicherungspflichtig gearbeitet und jetzt auf die anderen schielen? ganz schön frustriert...



    *Grundsicherung ist sicher mehr als die Rente in Kiew

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @Alex Weber:

      "Spätaussiedlerbashing"? Wo im Artikel geht es gegen Spätaussiedler? Es wird darauf hingewiesen, dass diese beiden Gruppen unterschiedlich behandelt wurden. Das ist kein Bashing. Kritisiert werden nicht Spätaussiedler, sondern die Ungleichbehandlung durch die Behörden.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @Alex Weber:

      "Spätaussiedlerbashing"? Wo im Artikel geht es gegen Spätaussiedler? Es wird darauf hingewiesen, dass diese beiden Gruppen unterschiedlich behandelt wurden. Das ist kein Bashing. Kritisiert werden nicht Spätaussiedler, sondern die Ungleichbehandlung durch die Behörden.

  • Wegen der Judenverfolgung kann ich verstehen, daß Deutschland jüdischen Kontingentflüchtlingen eine privilgierte Einreise ermöglicht hat.



    Dass es hierbei noch um eine ‚Bewältigung von Kriegsfolgen‘ geht, verstehe ich weniger.

    In der ehemaligen Sowjetunion waren ganz viele Menschen irgendwie "Ingenieure", die Produktivität konnte man aber nicht mit einem hiesigen Maschinenbauer vergleichen.



    Dass diese Menschen wenn sie 41- und 44jährig gekommen sind, und hier dennoch nie recht gearbeitet haben, nun über die von mir bezahlte Grundsicherung hinaus (die nebenbei bemerkt einen deutlich höheren Lebensstandard ermöglichen dürfte, als ihre Rente in der Ukraine), auch noch Rente für ihre Zeit vor der Emigration verlangen, kann ich als jemand, dessen jeder zweite Euro an den Staat geht, nicht gutheissen.

    • @notsocommon:

      Ganz viele "irgendwie Ingenieure" aus der Sowjetunion, deren Produktivität sich nicht mit hiesigen vergleichen ließe? In der Tat, sowjetische Technik war weltraumtauglich, auch wenn Sie dies wohl nicht meinten.



      Kommen wir aber zu den sozialen Abgaben. Sie beklagen sich über jeden zweiten Euro, den Sie abzudrücken hätten, damit der Staat Sozialleistungen tätigen kann. Angesichts der Ihrer Selbstauskunft implizierten Steuerklasse ist anzunehmen, dass Sie keine Kinder haben. Wer soll denn in Ihrem Fall jeden zweiten Euro abdrücken, wenn Sie Mal Rentner sind?



      Als mein Opa vor dreißig Jahren in die BRD übersiedelte, brachte er neun Kinder mit. Er arbeitete bis zur Rente unter seiner Qualifikation, als er zur Rente ging, die er nebenbei bemerkt nicht Mal ein halbes Jahr bezog, stellte er fest, dass seine Arbeitsjahre in der SU nicht Mal voll angerechnet wurden, wie bei vielen anderen Spätaussiedlern auch. Seine 9 Kinder sind alle arbeitstätig und finanzieren derzeit die Rente Ihrer kinderlosen Tante, die Sie Mal beerben werden. Schön Mal das ganze aus dieser Perspektive gesehen?

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @notsocommon:

      Ich nehme an, Sie sind - was die Verwendung ihrer Steuern betrifft - gegenüber den Ausgaben unseres Staates, die nicht dem sozialen Bereich zufallen, auch so kritisch.

    • @notsocommon:

      Meine Rede

      • @Alex Weber:

        Vergangenheit plus Gegenwart gleich Zukunft. Wir müssen uns noch immer Schämen.

        • @Junker Ostpreußen:

          Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

          Die Moderation

        • @Junker Ostpreußen:

          Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

          Die Moderation

      • @Alex Weber:

        Wir müssen uns auf ganzer Line



        Schämen, die größten Massenmörder der Zeitgeschichte, ich werde nie Vergessen!!!