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„Zero-Waste-Konzept“Kreuzberger Kehraus

Ein „Zero-Waste-Konzept“ soll Friedrichshain-Kreuzberg sauberer und nachhaltiger machen. Es könnte das Ende der Vermüllung durch Straßenfeste sein.

Bunt ist Kreuzberg beim Karneval der Kulturen – leider auch in punkto Müll Foto: imago images / A. Friedrichs

Das letzte MyFest in Kreuzberg hätte man im Nachhinein auch MüllFest nennen können: 150 Kubikmeter Abfall, darunter unzählige Plastikteller und -becher, aber auch Essensreste, Pappen oder zerdeppertes Glas, musste die BSR rund um die Oranienstraße einsammeln. Ungetrennt, versteht sich: In Ermangelung ausreichender Behälter hatten die BesucherInnen alles auf große Haufen geworfen, die entsprechend in die Müllverbrennung statt ins Recycling wanderten.

Die Chance besteht, dass das dieses Jahr besser wird – und dass auch das Müllaufkommen bei anderen Großveranstaltungen wie dem Karneval der Kulturen oder der „Biermeile“ auf der Karl-Marx-Allee deutlich abnehmen könnte. Hoffnung dazu gibt das Konzept „Zero-Waste-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg“, das in den vergangenen Monaten im Auftrag des Bezirksamts erarbeitet wurde und am Donnerstag von Umweltstadträtin Clara Herrmann vorgestellt wird.

Im vergangenen Mai hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf Anfrage der taz noch mitgeteilt, es gebe leider kein Mehrweg- und Trennkonzept für Veranstaltungen wie das MyFest – ein Versuch mit Mehrweggeschirr vor Jahren habe nicht gut funktioniert. Und auch das neue Konzept, das in der Langfassung rund 90 Seiten umfasst, ist noch keine Garantie für eine Verbesserung der Situation, es benennt aber konkrete Handlungsempfehlungen, die vom Bezirksamt angewandt werden können.

Bezirk könnte Mehrweggeschirr kaufen

In Bezug auf Müllvermeidung bei öffentlichen Events schlagen die AutorInnen vor, dass das Bezirksamt selbst Mehrweggeschirr anschaffen, zentral oder dezentral lagern und an VeranstalterInnen verleihen könnte – gegebenenfalls in Kooperation mit Cateringanbietern, gemeinnützigen Initiativen oder Umweltverbänden. Als sogenanntes Best-Practice-Beispiel werden hier „Spülmobil“ und Mehrweggeschirrverleih genannt, die der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf bereits betreibt.

Möglich ist aber auch, den Druck auf Veranstalter durch Nebenbestimmungen bei der Veranstaltungsgenehmigung zu erhöhen. Eine Ansprechperson für Abfallfragen könnte gefordert werden, aber auch ein Abfallkonzept oder ein „Abfallbericht“. Das Zero-Waste-Konzept schlägt allerdings vor zu prüfen, ob solche Anforderungen bereits innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens umsetzbar sind oder aber eine Änderung des Berliner Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes notwendig machen. In letzterem Falle dürfte es nicht so schnell gehen mit der Müllrevolution.

Die Antwort der Senatsumweltverwaltung auf eine Anfrage der taz lässt aber vermuten, dass solche weitgehenden Auflagen für die Bezirke kein rechtliches Problem darstellen. Die Behörden des Landes seien bereits dazu verpflichtet, „im Rahmen ihres Wirkungskreises vorbildhaft zur Erfüllung der Ziele der Kreislauf- und Abfallwirtschaft beizutragen“, wie es im Abfallgesetz heißt. „Auf Grundlage dieses Gesetzes können demnach auch privaten Veranstaltern für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen oder Grundstücke vertragliche Auflagen zur Abfallvermeidung erteilt werden“, hieß es. Das gelte auch für öffentliches Straßenland. Die Bemühungen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg schätze man „sehr positiv“ ein.

Strenger kontrollieren, besser aufklären

Wie Bezirksstadträtin Clara Herrmann der taz bestätigte, will der Bezirk auch bei der Überwachung von Regeln nachsteuern: „Wir können uns vorstellen, Auflagen deutlicher umzusetzen, und vielleicht kann man auch noch etwas strenger kontrollieren.“ Das solle allerdings mit mehr Aufklärung einhergehen: „Wir wollen den Veranstaltern mehr Informationen zur Verfügung stellen, wie sie müllärmer arbeiten können, es wird dazu Handreichungen und Ideensammlungen geben.“

Herrmann verwies auf die Müllvermeidung bei Wochenmärkten, die ebenfalls Teil des Zero-Waste-Konzepts ist. Hier habe man bereits mithilfe von Organisationen wie der Grünen Liga oder Circular Berlin Müllzählungen vorgenommen. Ein Ergebnis: Das Müllaufkommen und die Zusammensetzung des Mülls seien je nach Markt ganz unterschiedlich. „Beim Ökomarkt Chamissoplatz etwa steht das Thema schon lange auf der Agenda.“ Wenn man die Veranstalter hier vernetze, könnten sie voneinander lernen.

Das Konzept enthält aber noch viel mehr Ideen: unter anderem die Förderung und Einrichtung von „Grill-Sharing-Modellen“, um die Vermüllung von Parks durch Einweggrills zu vermeiden, Pfandringe oder -kästen an Laternenmasten, in denen leere Flaschen hinterlassen werden können, oder ein digitales Informations- und Serviceangebot für AnwohnerInnen. ZuzüglerInnen in den Bezirk könnten ein „Zero-Waste-Starterkit“ erhalten, eine Art Willkommensbroschüre mit „Informationen zum Thema nachhaltiges Leben“.

Für die Umsetzung der angedachten Maßnahmen kann der Bezirk auf Mittel aus dem Aktionsprogramm „Saubere Stadt“ zurückgreifen. Dafür stellt das Land allen Bezirksämtern Gelder in Höhe von jährlich mehreren hunderttausend Euro zur Verfügung. Im Fall von Friedrichshain-Kreuzberg waren es im vergangenen Jahr ca. 640.000 Euro.

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1 Kommentar

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  • Das Problem beim Myfest ist das es keine Zentrale Stelle gibt.

    Diese ganzen Bars, Spätis, privaten Essenverkäufer aus den Häusern etc. halten sich nicht an die Regeln. Die verkaufen weiter Glasflaschen, Plastikgeschirr/Plastikbesteck etc. und müllen alles zu.



    Es ist auch viel zu voll auf dem Fest und den Straßen um alles zu kontrollieren.

    Sollte der Bezirk Geschirr kaufen bzw. Geschirr finanzieren können die Kreuzberger-Einwohner sich über ein neues schwarzes Loch in Kreuzberg freuen. Kostet ja nichts.

    Ich glaube bei dem Fest wird es nie eine Müllregelung geben die passen wird. Zu unterschiedlich sind die Teilnehmer und im Prinzip gehts nur um schnelles Geld verdienen.