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Anklagepunkte gegen Trump publikDie Show beginnt

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Trump wird das Verfahren möglichst lang ausdehnen – um es zur Begleitshow für die nächste Wahl zu machen.

Donald Trump während seines Wahlkampfauftritts in Hershey, Pennsylvania, am Dienstag Foto: Patrick Semansky/ap

A m Dienstagmorgen trägt Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses und dritte Person an der Spitze der US-Politik, die beiden Anklagepunkte vor. Sie lauten: „Machtmissbrauch“ und „Behinderung des US-Kongresses“. Auf dieser Grundlage wird Donald Trump voraussichtlich noch vor Weihnachten vom Repräsentantenhaus angeklagt werden.

Das schafft eine historische Ausnahmesituation: In der 243-jährigen Geschichte der USA gelangt ein Impeachmentverfahren gegen einen Präsidenten – nach Andrew Johnson und Bill Clinton – bei Donald Trump erst zum dritten Mal so weit.

Die Anklagepunkte gegen Trump bedeuten unter anderem, dass ihm der Respekt vor den tragenden Säulen der Demokratie fehlt – sowohl vor der Verfassung als auch vor dem Kongress als auch vor dem Prinzip der Gewaltenteilung. Damit ist dies ein ganz besonders düsterer Moment in der Landesgeschichte.

Und was tut der künftige Angeklagte? Er geht in die Frontaloffensive. Er attackiert die gewählten Abgeordneten im Repräsentantenhaus, die ihren Verfassungsauftrag ernst genommen und nach langem Zögern und gegen Widerstände aus ihrer eigenen Partei Ermittlungen ob der schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen Trump aufgenommen haben. Der Angeklagte versucht erst gar keine Argumente. Stattdessen hetzt, beleidigt und droht er. Die Untersuchung des Repräsentantenhauses ist für ihn eine „Hexenjagd“ und „Wahnsinn“. Die Oppositionspartei schimpft er „Pöbel“. Die Chefin des Repräsentantenhauses nennt er bei ihrem – dazu noch meist hämisch geraunten – Vornamen. Und der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses Adam Schiff ist in Trumps Worten nur der „gerissene Schiff“.

Trumps Rechnung könnte aufgehen

Jeder beliebige andere Angeklagte, der sich zu so viel Rüpelei gegenüber Mitgliedern eines Gerichts rausnimmt, würde unmittelbar schwere strafrechtliche Konsequenzen riskieren. Nicht so der gegenwärtige US-Präsident. Der prahlt am Dienstagabend bei einem Wahlkampfauftritt vor laufenden TV-Kameras und vor tausenden AnhängerInnen in Pennsylvania: „Ich bin einer der besten Präsidenten, die es je gab.“

Es ist eine Flucht nach vorn. Genauso wie die gleichzeitige Fertigstellung eines neuen Freihandelsabkommens für Nordamerika ein Ablenkungsmanöver ist. Tatsächlich ist dies für Trump schon jetzt eine Woche von Niederlagen. Zuerst hat der Generalinspektor seines eigenen Justizministeriums befunden, dass die Russlandermittlungen berechtigt waren. Dann hat die Sprecherin des Repräsentantenhauses moniert, er benehme sich wie ein „Präsidentenkönig“. Und als Nächstes steht die Anklage ins Weiße Haus.

Die DemokratInnen mussten das Impeachmentverfahren einleiten, nachdem Trump versucht hat, seine Machtposition zu nutzen, um vom ukrainischen Präsidenten persönliche Vorteile für seinen nächsten Wahlkampf zu erzwingen. Und erst recht, nachdem er – in flagranti dabei ertappt – die Ermittlungen des Repräsentantenhauses systematisch behindert hat.

Dennoch könnte Trumps Rechnung aufgehen. Den DemokratInnen ging es vor allem darum, seine zahlreichen Machtmissbräuche aufzudecken. Nachdem sie das erreicht haben, wollen sie das Verfahren jetzt schnell zu Ende bringen. Selbst wenn sie dabei nur eine Anklage, aber keine Amtsenthebung erreichen können. Trump hingegen will das Verfahren – sobald es in den Senat kommt, wo seine Partei die Mehrheit hat – möglichst lange ausdehnen. Ihm geht es nicht um die Suche nach Wahrheit und Aufklärung, sondern allein um eine Begleitshow für die nächste Präsidentschaftswahl.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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10 Kommentare

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  • Bei uns in den USA gibt es nur drei Sorten Wähler:



    die, die immer Republikaner wählen;



    die, die immer Demokraten wählen und



    die, die wechseln.



    Letzte Gruppe ist in der Minderheit.

    Insofern entscheidet eine gar nicht so große Gruppe von Wählern die Präsidentenwahlen.



    2016 haben viele Wechselwähler bewusst sich gegen Hillary Clinton entschieden. Und/oder man wollte an die vollmundigen Versprechen des D. Trump glauben und ihm eine Chance geben.

    Unter Trump gab es eine Steuerreform, die allen Steuerzahlern eine Erleichterung gebracht hat und bei den Wechselwählern in Erinnerung bleibt. Die Arbeitslosenzahlen sind auf dem niedrigsten Stand seit 50 Jahren. Das wird Wechselwähler interessieren. Der Aufwand und das Theater um ein Amtsenthebungsverfahren jedoch, empfinden viele als Zeit- und Geldverschwendung. Das löst wenig Sympathie für die Demokraten aus. Anstatt über ein Telefonat mit Präsident Selenski D. Trump zu diskreditieren, sollten sich die Demokraten vielmehr darauf konzentrieren, die Schwächen seiner Präsidentschaft und seiner Persönlichkeit aufzuzeigen. Wo ist die so oft angekündigte Mauer zu Mexiko, die von den Mexikaner bezahlt werden sollte? Wo wurden US Truppen aus internationalen Krisengebieten abgezogen? Wieviele der 20 Million Arbeitsplätze wurden aus dem Ausland in die USA "zurückverlagert"? Wieviele neue und für die USA so günstige Handelsabkommen wurden geschlossen? Diese und viele anderen Fragen könnte man stellen, aber macht es nicht. Indes versucht man ein aussichtsloses Unterfangen der Amtsenthebung mit wackliger Beweislage. Aus meiner Sicht ist dies Dilettantismus und dem Ansehen Trumps unter seinen Anhängern und vielleicht auch unter den Wechselwählern eher zuträglich.



    Als einer, der sich nichts sehnlicher wünscht, als einen dynamischen und selbstlosen US Präsidenten, sind die Erwartungen für die nahe Zukunft sehr, sehr niedrig.

  • "....die ihren Verfassungsauftrag ernst genommen und nach langem Zögern und gegen Widerstände aus ihrer eigenen Partei ...."

    LOL...... einfach zu herrlich. Es ist eine Tatsache, daß eine Grundvorraussetzung für ein Impeachment eine breite überparteiliche Basis ist und diese "Helden" schaffen es noch nicht einmal ihre eigene Partei hinter dieses Vorhaben zu vereinigen.

    "Jeder beliebige andere Angeklagte, der sich zu so viel Rüpelei gegenüber Mitgliedern eines Gerichts rausnimmt..."

    Weder ist Trump angeklagt noch steht er vor Gericht.

    "Zuerst hat der Generalinspektor seines eigenen Justizministeriums befunden, dass die Russlandermittlungen berechtigt waren."

    "Sein" Generalinspekteur hat bitte was befunden?!

    "Dann hat die Sprecherin des Repräsentantenhauses moniert, er benehme sich wie ein „Präsidentenkönig“"

    LOL... das merke ich mir für die nächste Partie Scrabble. Und nur aus Neugierde: hat Pelosi auch Beispiele gebracht, wo Trump seine Kompetenzen als Präsident überschritten hat?

    "....um vom ukrainischen Präsidenten persönliche Vorteile für seinen nächsten Wahlkampf zu erzwingen."

    Selenski selbst sagt etwas anderes. Scheint aber irgendwie keine Rolle zu spielen.

  • Wenn der Präsident nicht brav macht, was die aktuelle Mehrheit im Kongress gerade gerne hätte, ist das Behinderung des Kongresses und Machtmißbrauch.

    Wozu haben die dann überhaupt einen Präsidenten?

  • Wir alle kennen die Machtverhältnisse im amerikanischen Senat und wissen, dass deshalb eine Amtsenthebung von Trump am Ende eher unwahrscheinlich ist. Wir wissen aber auch, dass da ein Mann agiert, der glaubt über dem Gesetz zu stehen und der offenbar nur Präsident wurde, um seine eigenen krummen Geschäfte noch besser führen zu können und dem drohenden Knast dafür noch besser entgehen zu können, als ohnehin schon.



    Das Impeachment-Verfahren gegen ihn ist leider „alternativlos“, auch wenn sich derzeit kein befriedigender Ausgang abzeichnet. Darauf zu verzichten, wäre eine Kapitulation erster Klasse vor Amtsmissbrauch, Rechtsbeugung, Dummheit und Willkür. Die Amerikaner sind mehrheitlich besser als ihr Präsident. Auch dies gilt es hierbei, deutlich zu machen.

    • @Rainer B.:

      Wir müssen etwas tun, irgendetwas, ist immer der erste Schritt ins unvermeidliche Desaster.

      • @Werner S:

        Das ist eher umgekehrt richtig. Wir tun lieber aus Bequemlichkeit lange gar nichts, arrangieren uns stattdessen lieber irgendwie mit jedem bullshit und wenn dann das Desaster da ist, heißt es: „Was hätten wir denn tun können.“

  • Ich habe viele Jahre in den USA gelebt und gearbeitet.



    Es ist keine "Flucht nach vorn", bei Trump.



    Trump handelt wohl rein intuitiv aber damit sehr viel größerer Empathie für "seine" Wähler als die "Linken" es sowohl hier als auch in den USA haben.



    Trump "fühlt" doch genau, daß er der weißen Mittelschicht, die sowohl demografisch als auch wirtschaftlich schwer unter Druck ist, vollkommen egal ist was ihm da vorgeworfen wird.



    Er "fühlt" (und liegt damit wohl viel richtiger als die meisten "linken" Kommentatoren) doch was diesen Leuten unter den Nägeln brennt und gibt denen die Botschaft die sie hören wollen.



    Hat die etwas mit Verfassungsgrundsätzen, Gewaltenteilung oder der Abwesenheit von Rassismus zu tun ? Nein ! (leider...)



    Hat die (erhoffte...) Botschaft etwas mit Identität, "der guten alten Zeit" und "verlorener Größe" zu tun ? Ja, sehr viel...

    Trump weis was das "sein Publikum" verlangt, viele seiner Gegner scheinbar nicht.

    • @Paul Rabe:

      Auch ein Teil des Problems:

      Stelle einem Rechten eine relativ krude These vor. Wenn's ihm passt, wird er sie zur neuen Wahrheit ernennen.

      Stelle einem Linken eine halbwegs offensichtliche These vor. Er wird dich darauf festnageln, dass du keine Beweise hast, und man überhaupt dann ja garnicht diskutieren muss. Es sei ja dann nichts weiter als eine dumme Verschwörungstheorie.

      Du kannst sagen was du willst, wenn der Unterton ein bisschen kritisch wird, will es keiner verstehen... Das ist echt ermüdend...

      Ich diskutiere schon garnicht mehr großartig, sondern nicke nur noch anteilnahmslos, wenn die gesellschaftlichen Debatten ausbrechen... Die wird eh nur von den Alöchern geführt, und die anderen kommen nicht ausm Quark (und wollen es scheinbar auch garnicht wirklich - anders ist diese Verweigerung ja kaum zu erklären)...

      • @Josef Hahn:

        Ja sehr richtig.



        Leider haben viele intellektuell "Linke", im Gegensatz zu Trump, kein Gespür dafür, WIE Menschen "ticken" welche aus deren Sicht dann "Rechts" sind. Da treffen eben verschiedene Welten aufeinander.

        Schönes Beispiel ist die Diskussion über das Waffenrecht, die ich, als Verfechter des strengen deutschen Waffenrechtes, oft in den USA hatte und, wie im nachhinein selbstkritisch sagen muss, ich habe die Menschen einfach nicht verstanden...

        Als typisch links-liberaler Deutscher argumentiert man mit wissenschaftlichen Studien, Todeswahrscheinlichkeiten, Todeszahlen durch Schusswaffen, mit der Wahrscheinlichkeit sich im Ernstfall wirklich nachhaltig gegen Täter verteidigen zu können (die geht gegen Null...) etc. etc.

        Und was erreicht man damit ? Genau das GEGENTEIL !

        Denn die Menschen welche für Waffen sind, haben eine emotionale(!) Beziehung zu dem Thema, die verbinden mit Waffen ihre persönliche Identität, ihre Freiheit etc.

        Umsomehr sie da "links" argumentieren umso mehr bestärken sie die Menschen in ihrer Pro_Waffen Haltung.

        Und wissen Sie was ? Trump weis und fühlt das !

        Jedesmal wenn auf CNN ein Demokrat auftritt der rein rational erklärt wieso freier Waffenverkauf nur zum nächsten Amoklauf führt, geht der Zähler für die Stimmen von Trump hoch.



        So als Beispiel, es gäbe noch zig mehr....

        • @Paul Rabe:

          Das gibt es natürlich auch... Aber schon unter Linken kommt man ja nicht vorwärts, andere nachhaltig für ein Problem zu interessieren. Da wird zurechtrelativiert, gestammelt, sonstwas. Eine konzentrierte und koordinierte Kraft entsteht daraus halt überhaupt nicht...

          Und während du und ich schon wieder erfolgsarm in irgendeiner Diskussion irgendeinem Linken versuchen, offensichtliche Dinge klarzumachen (etwa dass man sich gerade relativ gefährlich eng an FB und Youtube bindet - aber auch das nur als ein Beispiel von endlos vielen), hat die Gegenseite schon wieder drei neue Fakten irgendwo geschaffen...