piwik no script img

Der Brexit, von Berlin aus betrachtetGroßbritannien implodiert

Gastkommentar von Musa Okwonga

Von der EU aus die Heimat zu beobachten ist nicht leicht. Dort wird's immer kleinherziger. Vom Brexit profitieren werden nur wenige.

Der Horror ist groß, die popkulturellen Referenzen sind es auch Foto: unsplash/Jannes Van den Wouwer

W enn ich, von meiner Wahlheimat Deutschland aus, beobachte, was sich in Sachen Brexit in Großbritannien gerade abspielt, muss ich an eine Szene aus dem „Star Trek“-Film von J. J. Abrams denken: Mr Spock blickt in den Himmel, hoch oben kann er seinen Heimatplaneten Vulkan sehen – und muss zusehen, wie er implodiert. Genauso fühle ich mich: Ich blicke von außen auf das Land, in dem ich geboren wurde – außerstande, die Zerstörung des Ortes zu verhindern, den ich einmal kannte.

Ist das Wort Zerstörung drastisch? Ja. Aber seit Großbritannien für den Austritt aus der EU stimmte, hat sich das Land in meinen Augen unwiderruflich zum Schlechteren verändert. Ich hatte erwartet, dass die Briten für den Brexit stimmen, und ich habe geduldig all denen zugehört, die sagten, sie wollten lediglich, dass das Land wieder Kontrolle über seine eigenen Gesetze bekommt. Dann aber begannen die letzten sechs Wochen der Leave-Kampagne – die damals in den Umfragen leicht hinter der für den Verbleib in der EU lag. Und da entfesselten die Brexiteers eine Welle fremdenfeindlicher Propaganda – besonders berüchtig ist das „Breaking Point“-Poster mit Nigel Farage –, die ihren knappen Sieg mit ermöglichte.

Sicher, ich könnte jetzt sagen: Ich habe verloren, was soll’s? Aber ich kann und werde mich nicht damit abfinden. Was mich belastet, ist gar nicht so sehr, dass die Leave-Kampagne das Referendum gewonnen hat, als vielmehr die Art, wie sie gewonnen hat. Denn es war wohl vor allem ihre ablehnende Haltung zur Immigration aus Nicht-EU-Staaten ausschlaggebend – also gegenüber Menschen wie meinen Eltern, die aus Uganda geflohen sind. Politiker machten damit Stimmung, dass Leute, die aussehen wie ich, das Land „überschwemmen“. Wie soll ich das nicht persönlich nehmen?

Noch schlimmer machte alles für mich die Wahl Boris Johnsons zum Premierminister – eines Mannes, der auf eine lange Liste fremdenfeindlicher Kommentare verweisen kann. An seiner Seite steht Jacob Rees-Mogg, ein Mann, der mit Positionen der AfD sympathisiert hat und der andeutete, dass die Opfer einer verheerenden Tragödie in London starben, weil sie nicht genug Verstand gehabt hätten, sich zu retten. Unter solchen Vorzeichen kann ich mich nur schwer für den Weg erwärmen, den die Konservative Partei für mein Land gerade vorgibt.

Musa Okwonga

ist Dichter und Journalist, er lebt in Berlin. Seine Texte wurden unter anderem im Guardian, im Economist, der Washington Post und der New York Times veröffentlicht.

Ich habe dafür gestimmt, dass Großbritannien in der EU bleibt – weil wir in Zeiten, in denen der Rechtsextremismus wieder neu aufflammt, die Institutionen unterstützen müssen, die die Rechtsstaatlichkeit und die Rechte unserer verletzlichsten Bürger schützen. Und ich glaube, dass die EU, trotz all ihrer Makel, solch eine Institution ist.

Freunde haben mir immer wieder gesagt, der Brexit werde nie kommen – worauf ich stets geantwortet habe: Doch, wird er. Unterschätzt nicht die Sturheit der Briten. Beim Brexit geht es nicht in erster Linie um ökonomische Vorteile – es gibt nur ein paar wenige, die das nötige Geld haben, um von einem deregulierten Großbritannien zu profitieren. Beim Brexit geht es vor allem darum, frei zu sein vom vermeintlichen Joch Brüssels. Das ist das Ziel, und einige Briten wünschen es sich so sehnlich, dass ich mich wundere, wie wir so lange als EU-Mitglied überleben konnten.

Heute habe ich mehr Angst um Großbritannien denn je. Ich habe Freunde und Verwandte, die für den Austritt gestimmt haben, und die sagen, das Ganze läuft schon jetzt nicht so, wie sie es sich erhofft hatten. Sie berichten von polnischen Freunden, die ihre Jobs gekündigt haben und zurück nach Polen gezogen sind – die Unsicherheit über ihre Arbeitsplätze und die Tatsache, dass sie sich nicht mehr willkommen fühlten im Land, haben sie zermürbt. Wenn sie mir solche Sachen erzählen, denke ich: Aber das ist doch genau das, was ihr gewählt habt.

Um die Handelsdefizite auszugleichen, werden wohl Waffendeals mit repressiven Regimen in die Höhe schnellen

Ich habe Angst um Großbritannien, weil der Wahlkampf, den wir soeben bei den Konservativen beobachten konnten, der unehrlichste war, an den ich mich erinnern kann – und der doch überwältigenden Erfolg hatte. Wir haben jetzt eine Öffentlichkeit, deren Mehrheit entweder nicht weiß, dass man sie anlügt, oder der das nichts ausmacht.

Es gab viele Briten, die Donald Trump ausgelacht haben, als der dem demokratischen System der USA den Krieg erklärte. So jemanden würden wir niemals wählen, sagten sie. Tja nun, wir haben so jemanden gewählt und ihm sogar mehr Rückhalt gegeben als die Amerikaner Donald Trump.

Es geht um etwas Größeres

Schockiert hat mich das Wahlergebnis nicht. Vor zehn Jahren schon habe ich zu einem Freund gesagt: Boris Johnson wird irgendwann Premierminister. Und es ist kein Zufall, dass dieser Freund und ich Großbritannien vor langer Zeit verlassen haben. Schon damals sah ich in Johnson den Maulhelden – dieses Selbstvertrauen, das eine maßgebliche Anzahl konservativer Wähler anspricht. Er benimmt sich, als wäre er zum Herrschen geboren, und hat jetzt sein erklärtes Ziel erreicht.

Ich hoffe, ich irre mich, aber ich fürchte, die Probleme für Großbritannien fangen gerade erst an. Um die Handelsdefizite auszugleichen, werden wohl die Waffendeals mit repressiven Regimen in die Höhe schnellen. Ebendiese repressiven Regime werden zugleich die Möglichkeit haben, Großbritannien in ein Steuerparadies zu verwandeln. Und darüber hinaus werden wir – achtet man auf die Wortwahl der Konservativen gegenüber marginalisierten Gruppen – eine deutlich kleinherzigere, schäbigere Gesellschaft werden. Eine, in der Geld die höchste soziale Währung ist.

Viele fragen, wie der Brexit meine Lebensqualität in der EU beeinflussen wird. Ich kann nur antworten: Das ist mir egal. Es geht hier um etwas Größeres. Es geht darum, welche Art Land Großbritannien sein will. Und im Moment ist der Ausblick auf seine Zukunft – wie für Mr Spock – ziemlich entsetzlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • #Coriander23 Ich mache mir die Welt wie Sie mir gefällt. Labour können Sie gar nicht zu den BREXIT- Gegner zählen. Labour ist in der BREXIT- Frage gespalten. Weder Fisch noch Fleisch. Eine eindeutige Positionierung Corbyn hätte Labour zerrissen. Da Sie sich anscheinend mit dem Mehrheitswahlrecht, die Briten kommen damit schon seit einigen Jahrhunderten bestens klar damit, nicht anfreunden können, was wäre denn Ihr Vorschlag? Verhältniswahl mit 5%- Sperrklausel? Dann könnten Sie aber erst Recht Ihre akkurate Auflistung vergessen. Drehen Sie es wie Sie wollen. Der englische Wähler hat jetzt insgesamt bei drei Wahlen (Referendum, EU-Wahl-die neugegründete BREXIT- Party stärkste Partei!!!- und Unterhauswahl seinen Willen zum BREXIT gegeben. Als Demokrat habe ich diesen starken Willen endlich zu begreifen, auch wenn man es nicht unbedingt verstehen kann. Aber der BREXIT- Wille hat Gründe und die sind auch in Berlin zu suchen!

  • Ich bin raus als Okwonga von einem knappen Sieg der Tories sprach. Also, den größten Sieg der Tories seit den Achtzigern und die historisch blamabelste Niederlage von Labour als „knappen Sieg“ zu bezeichnen, ja, dafür braucht man eine gewisse Portion Chupze. Und es ist nach dem Referendum 2016 und der EU- Wahl 2019 mittlerweile die dritte Wahl gewesen in der die Briten gesagt haben „wir wollen aus dieser EU raus“. Für mich ist das Populismus in Reinform und das muss ich bei der TAZ nicht haben! Nicht wenn ich beim politischen Gegner sofort damit dabei bin!!

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Mannomann:

      Schwierigkeiten die britischen Wahlergebnisse zu interpretieren?



      ==



      Labour 32,2% = plädiert für ein neues Referendum und für das norwegische Modell, Verbleib in der Zollunion

      Lib-Dems 11,6% = zurück ziehen von Artikel 50, fundamental gegen den Brexit

      SNP 3,9% = fundamental gegen den Brexit, für ein neues Unabhängigkeitsreferendum

      Greens 2,7%= fundamental gegen Brexit

      Plaid Cymru 0,5 % = gegen den Brexit

      Sinn Fein 0,6% = gegen den Brexit - für Wiedervereinigung mit der Republik

      SDLP 0,4% = fundamental gegen den Brexit



      ===



      Summe 51,9% gegen die Brexit.



      ===



      Die Politik in UK wurde durch das Mehrheitswahlrecht entschieden und nicht durch das Votum einer Mehrheit.

      Hätte es ein neues Referendum gegeben hätten die Brexiteers keine Mehrheit mehr bekommen.

      Die Ursache für den denkbar knappen Sieg der Tories:



      1.. Mehrheitswahlrecht - und entgegen den Remainern 2.. ist es den Tories gelungen die Brexiteers hinter den Tories zu vereinen.

      Labour hingegen hat Remainer verloren und Brexiteers (-7,8%) - und Corbyn ist grandios gescheitert weil er völlig unfähig ist eine Koalition mit den Libdems und einer weiteren Partei zu schmieden - damit hätte er die Mehrheit erreichen können - und der momentane englische Wahnsinn hätte ein Ende gehabt.

      Corbyns Unfähigkeit zum Kompromis ist eine der Ursachen für das britische Disaster - welches eigentlich ein englisches ist.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        "Die Ursache für den denkbar knappen Sieg der Tories:



        1.. Mehrheitswahlrecht - und entgegen den Remainern 2.. ist es den Tories gelungen die Brexiteers hinter den Tories zu vereinen."

        Sie gehen davon aus, dass a) alle, die für den Brexit sind, für die Tories gestimmt haben, und davon dass b) nicht alle, die gegen den Brexit sind dieselbe Patei gewählt haben (wegen der "Aufspaltung" in Liberale und Labour). Dabei vergessen Sie, dass der Riss bzw. die Risse durch die beiden großen Parteien ging. In dieser uneindeutigen Wahlsituation mit völlig unterschiedlichen primären Wahlinteressen haben die Tories Erfolg gehabt, Labour nicht.



        Soviel wissen wir. Wir wissen auch, dass viele Menschen eher wussten, gegen wen oder was sie stimmen wollen, als für wen/ wofür (siehe Berichterstattung im Vorfeld).



        Unklar ist, wie viele Brexitbefürworter oder solche, die sich bei der Volksbefragung enthalten haben, Labour gewählt haben.

        P.S.: Und mit wem hätte Corbyn jetzt Kompromisse eingehen sollen? Mit Johnson? Oder mit vormals führenden Labour-Parlamentariern, die ihn von Anfang an heftig angegangen sind? Oder gar mit Brüssel? ;-)

        • 0G
          06438 (Profil gelöscht)
          @MontNimba:

          "Die Ursache für den denkbar knappen Sieg der Tories""



          ==



          1. UKIP/Niqel Fromage hatte noch bei den Europawahlen zwischen 26 und 30% der englischen Wähler einkassiert - wobei die Tories unter May bei 20% landeten.

          Bei der GE spielte UKIP keine nennenswerte Rolle mehr. Was hat also stattgefunden?

          Boris der schamlose Lügner hat es geschafft die harten UKIP Brexiteers hinter sich zu vereinigen genau wie die Tories, die für einen harten Brexit votieren. Gleichzeitig ist es Johnson gelungen die Midlands aufzureissen - Wahlkreise dort, die seit Jahrzehnten in Labourhand waren, gingen am 12 Dezember an Boris Johnson.

          Resultat: Johnson hat die Brexitstimmen auf sich vereinigen können - aus der Wählerschaft von UKIP, aus dem Kreis der hardcore Brexiteers der Tories und - man höre und staune - von Labour aus dem zurückgebliebenen Norden, die gleichfalls den Johnson-Tory- hardline Brexit gewählt haben.

          2. Drei Kardinalfehler von Corbyn :

          a. Zustimmung im HOC zum Auslösen von A50 - trotzdem Brexitcountry noch heute immer noch keinen Plan hat was es eigentlich möchte.

          b. Trotzdem eine soziale Politik auch in UK eine Mehrheit hat - hat Corbyn diese Mehrheit wegen Sektierertum leichtfertig unsinnigerweise verspielt.

          Er hat klar vor den Wahlen formuliert das er mit keiner anderen Partei koalieren würde ( SNP, Lib-Dems, Sinn Fein, SDLP, Greens) Damit war das Anti-Brexitlager gespalten - mit tödlicher Wirkung beim Mehrheitswahlrecht. Corbyn hat an Anti-Brexitparteien, an Pro-Brexitparteien, an die schottische SNP



          und in Wales, eine ehemalige Labourhochburg grandios verloren.

          c. Corbyns Zustimmung war nötig damit es zu den Wahlen am 12.12. kommen konnte.

          Ein grandioser Fehler: Hätte Corbyn zur Bedingung gemacht vor den Wahlen ein Referendum abzuhalten - und das war der Rat der 75% bis 80% Sozialdemokraten, die noch nicht den Verstand verloren haben - wäre die Brexitfrage vor den Wahlen entschieden worden - und das Disaster von -7,8% wäre Labour erspart geblieben.

  • Naja, kein Grund für all zu viel Selbstmitleid. Wir in der BRD haben das schon seit 30 Jahren hinter uns. Damals gingen irgendwelche verkappten Nazis in einem Staat, mit dem die BRD in den Grenzen von 1989 seit 40 Jahren nix mehr zu tun hatten auf die Straße und riefen: "Wir sind ein Volk." Wer da in der BRD (West) nicht schon raushörte, dass da jemand Sonderrechte forderte, nur weil er irgendwie sich "deutsch" nennen durfte und damit auch das Unterschwellige "Ausländer raus" nicht wahrnahm, dessen Bretter vorm Kopp möchte ich nicht zählen.

    Es wären auch zuviele, die man da zählen müsste, denn natürlich jubelten auch die West-BRDler nach der entsprechenden Propaganda der neoliberalen Presse über die "deutsche Einheit".



    Seid als Briten wenigstens froh, dass das bei Euch gleich ehrlich abläuft und direkt wohl gesagt wird, worauf das hinausläuft. Wir haben noch jahrelang irgendeinen Scheiß von "blühenden Landschaften" und eine irgendwie sonderbar gewandelte konservative Partei erleben durfte (die zwar immer pro Kapital blieb, aber durch eine Kanzlerin repräsentiert wurde, der man die reaktionären Attituden der Einheitsschreier wirklich nicht nachsagen konnte).



    Dennoch blieb ein Bodensatz an faschistischer Gesinnung an dem Einheitsschreien, der nun hervorkriecht. Schlimmer noch als Euer Brexit-Chauvinismus.

    Wir haben damit leben gelernt.



    Ihr habt ja noch die Hoffnung, dass es vielleicht dank Schottland mal ein geteiltes UK geben wird. Selbst diese Hoffnung kann man in Deutschland kaum noch haben.

    Man überlebt das, aber es wird wirklich vielen sehr viel schlechter gehen und jedes liberale Klima verschwindet.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Am Brexit gibt es nichts zum Schönreden. Und das liegt nicht no sehr am Austritts Englands - sondern am Chaos und an der geistigen Umnachtung die England (merke - nicht Großbritannien) anscheinend voll erfasst hat.

    Musa Okwonga Kommentar ist der erste Artikel in deutscher Sprache dem ich habhaft werden konnte der den Wahnsinn ziemlich treffend beschreibt.

    Danke dafür.

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Kann man auf Kommentare im neuen Jahr nicht mehr antworten?

    • @06313 (Profil gelöscht):

      Ja

  • Nationalismus ist keine Lösung.



    Die Weltspiegel extra-Reportage "Schicksalswahl in Großbritannien" vom 11.12.2019 zeigte die Stimmungen und Meinungen in England.



    www.tagesschau.de/.../video-632671.html



    Darin sagen Arbeiter: jetzt soll es endlich durch - weil die Populisten ihnen einen Floh ins Ohr gesetzt haben. Und "Britain as it used to be" - ist eine Absage an die kulturelle Vielfalt. Es geht um Abschottung.



    Genau das Gegenteil wollen die Gebildeten. Empire? Unsinn!



    ich vermute ja, dass viele Leute in Deutschland das Austreten traurig finden, weil man Britain immer als Teil Europas gesehen hat, und je mehr gemeinsam geht, desto besser. So sehen es ja auch die Iren seit dem gemeinsamen Beitritt.



    Die Farce: alle Branchen brauchen dann erneut Abkommen, jede einzeln.



    Ja die Working Class wird noch ihr Blaues Wunder erleben - aber dann können sich KlägerInnen gegen Polizeirepression nicht mehr an den EUGh wenden. Der ist dann weg.

  • 9G
    93042 (Profil gelöscht)

    Herzlichen Dank Musa Okwonga, für diesen rührenden, ratlos-traurigen Kommentar eines wirklich Betroffenen. In der Regel liest man ja eher Beiträge von "Außenbetrachtern" die mal mehr das Für, mal mehr das Wider versprachlichen. Der Brexit ist Fakt und er hat nicht nur in GB etwas zentrales verändert. Als ehemaliger "England-Fan" haben mich die faschistoiden blogeinträge von Brexiteers irgendwann so geärgert ("EU=Merkels 4th Reich", "we should have nuked Germany 1945" etc.), dass ich mich aufgemacht habe, u.a. die "grandiose Geschichte" des Britischen Empires und die der immer wieder beschworenen Demokratie-Wiege nach zu recherchieren. Ein ernüchterndes Erlebnis. To-cut-it-short: Das wunderbare Britische Empire hat in 4 1/2 Jahrhunderten weltweit mehr Menschen ermordet, versklavt und rassistisch unterdrückt als Stalin und Hitler zusammen!



    Und leider erweist sich beim näher Hinsehen auch die britische Demokratie als weitgehend illusionär.



    Profit haben seit der Magna Carta nur die mächtigen bürgerlich adligen Kreise, die es dann später im Empire durch ihre extreme Menschenschinderei zu großem Wohlstand gebracht haben. Ein Wohlstand der Familien wie die Johnsons, Camerons, Rees-Moggs etc. bis heute dazu befähigt Ihre Knaben nach Eton zu schicken und ansonsten dem Staat durch Off-Shore-Geschäfte so viele Steuern wie möglich vorzuenthalten. Es ist schon bittere Ironie der Geschichte oder schlichtweg grandiose Dummheit, dass die Briten am unteren Rande der Gesellschaft, also Menschen denen es wirklich schlecht geht, keinen anderen Ausweg aus der Misere sahen, als die Metzger zu wählen, die sie schon seit Jahrhunderten de facto(als Kanonenfutter und unterbezahlte Arbeitssklaven) schlachten. Danke dafür! Ich bin von meiner Brit-Romantik absolut geheilt und froh, dass die EU sich mit diesem unheilvollen UK-Virus in der nächsten Zeit nicht mehr herumschlagen muss.

  • Ich tröste mich, so makaber es klingen mag, dass diese Entwicklung für den zwingenden gesellschaftlichen Wandel in GB ist. aber vlt ist diese Phantasie auch nur die kußmaulsche Schnappatmung meiner altlinken Gesinnung...

  • Humanismus und Offenheit für Fremde oder Andere muss nicht neoliberal sein. Ein Zuzug aus Uganda oder Polen hat erst einmal nichts mit Niedriglöhnen und der Rettung von Too-Big-To-Fail-Konzernen zu tun. Alle jene Gruppen und Parteien, die sich jetzt über Rechtsextremismus beschweren, haben aber Migration und Toleranz mit neoliberaler Korruption verknüpft. Jetzt haben wir den Salat. Die Leute wollen die Konzernherrschaft nicht mehr und lehnen daher alles ab, was sie damit verbinden. Die Linksintellektuellen und Humanisten haben sich dem Dritten Weg nicht entschieden genug gegenüber gestellt. Damit haben sie sich selbst bedeutungslos gemacht. Klar, eine antikapitalistische Partei, die alles den Banken schenkt, braucht kein Mensch. Mehr Korruption geht nicht. Leider hat es auch auf lange Zeit das Denken korrumpiert und die Linke überflüssig gemacht. Die Briten aber haben eine lange Erfahrung in der Integration von Weltbürgern - vor allem, wenn sie muttersprachlich sind. Man sollte nicht denken, dass sie das grosso modo aufgeben.

    • @ben99:

      Seit wann ist Neoliberalismus human? Der Neoliberalismus hat mit seinem Instrument WTO, besonders in den Entwicklungsländern für Lebensumstände gesorgt, die viele Menschen zur Migration zwingt.



      "eine antikapitalistische Partei, die alles den Banken schenkt...." Häh? Ganz schön wirr ihr Kommentar.

      • @Andreas J:

        Ich glaube BEN99 meint damit die SPD, deren neoliberaler Schwenk viel Schaden auch im linken poitischen Spektrum in Deutschland angerichtet hat.



        Mit dem Artikel hat das wenig bis nichts zu tun.