USA zu Israels Siedlungspolitik: Die Siedler und ihre Freunde
Der US-Schritt, Israels Siedlungspolitik nicht mehr als illegal zu betrachten, stößt weltweit auf Kritik. Dahinter stehen Trumps Nahost-Hardliner.
Kaum hatte US-Außenminister Mike Pompeo den Schritt verkündet, bedankte sich sein Botschafter in Israel begeistert: Präsident Trump und Pompeo hätten „wichtige Arbeit“ geleistet, die „den Friedensprozess voranbringen“ werde, twitterte David Friedman an seine Kollegen in Washington. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu dankte der US-Regierung. Eine „historische Fehlentscheidung“ sei endlich korrigiert worden.
Was Pompeo zuvor verkündet hatte, wäre vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Die US-Regierung, erklärt er, sehe im israelischen Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland keinen Verstoß gegen das Völkerrecht. Der Siedlungsbau sei „nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht“.
Unter Palästinensern wie auch in Europa sorgte der Schritt für Kopfschütteln und Entsetzen. Die Palästinenserführung in Ramallah warf Israel vor, mit den Siedlungen palästinensisches Land zu stehlen und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser einzuschränken. Die USA trügen „die volle Verantwortung für jegliche Auswirkungen dieses gefährlichen Schritts“.
Auch Ägypten und Jordanien, die einzigen arabischen Länder, die mit Israel Frieden geschlossen haben, verurteilten die Entscheidung scharf. Amnesty International teilte mit: „Die US-Regierung hat der Welt angekündigt, dass die USA und Israel über dem Recht stehen.“
EU-Linie unverändert
Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, stellte klar, dass Brüssel dem Schritt der USA nicht folgen werde. „Die Position der Europäischen Union zur israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten ist klar und bleibt unverändert: Alle Siedlungsaktivitäten sind nach dem Völkerrecht illegal und unterhöhlen die Tragfähigkeit der Zwei-Staaten-Lösung und die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden.“
Israel hatte das Westjordanland und Ostjerusalem im Sechstagekrieg 1967 erobert. Bis vor kurzem hatten die USA wie auch die EU eine politische Lösung des Konflikts angestrebt, an deren Ende ein palästinensischer Staat stehen sollte.
Während Brüssel weiter an der Zweistaatenlösung festhält, scheint sich die US-Administration unter Trump vollends von ihr verabschiedet zu haben. Nach und nach waren bereits Ausdrücke wie „zwei Staaten“ oder „Besatzung“ aus dem US-Regierungssprech verschwunden.
Als eines der Haupthindernisse für einen Palästinenserstaat gilt die israelische Siedlungspolitik. Seit Jahrzehnten siedelt Jerusalem eigene Staatsbürger in dem besetzten Gebiet an. Heute leben mehr als 600.000 Siedler im Westjordanland und Ostjerusalem.
Trumps Trio Infernale
Durch die Landnahme sowie damit einhergehenden Infrastrukturprojekten – etwa Straßenbau, um die Siedlungen ans israelische Kernland anzubinden – wird die palästinensische Bevölkerung zunehmend in dicht bevölkerte Enklaven verdrängt.
Dies sehen neben der EU auch die UN als illegal an. 2016, in den letzten Tagen der Obama-Ära, hatte der UN-Sicherheitsrat den sofortigen Stopp des Siedlungsbaus gefordert und die Siedlungspolitik als „eklatanten Verstoß“ gegen das Völkerrecht bezeichnet. Die USA enthielten sich damals, legten also kein Veto ein. Trotzdem baut Israel die Siedlungen seither stark aus.
Daniel C. Kurtzer, EX-US-Botschafter
Ermutigt sieht sich die Netanjahu-Regierung durch Trump. Während die USA früher als Vermittler auftraten, hat Trump von Anfang keinen Zweifel gelassen, auf wessen Seite er steht – was sich auch in seinem Personaltableau zeigt: Als Architekten seiner Nahostpolitik gelten drei Hardliner, die den Siedlern alles andere als kritisch gegenüberstehen:
Neben Botschafter Friedman sind dies Trumps Berater Jared Kushner sowie der Nahostbeauftragte Jason Greenblatt, der Ende Oktober aus dem Amt schied.
Großzügige Spenden
Diplomatische Erfahrung hatte Friedman nicht, als ihn Trump 2017 zum Botschafter machte. Dafür aber war der Anwalt Präsident des Vereins American Friends of Bet El Institutions, einer US-Fundraising-Organisation, die nach Recherchen der israelischen Zeitung Haaretz Millionen US-Dollar für Siedlungsprojekte einwarb.
In der Siedlung Bet El nahe Ramallah, für die auch Trump persönlich im Jahr 2003 10.000 US-Dollar gespendet hatte, ist Friedman ein großer Name; auf zahlreichen Plaketten danken ihm die Siedler für seine großzügigen Spenden.
Friedman habe „klargemacht, dass er eine kleine Minderheit von israelischen und amerikanischen Extremisten ansprechen und die Mehrheit der Israelis ignorieren wird, die weiter Frieden anstreben“, sagte Daniel C. Kurtzer, ehemals US-Botschafter in Israel, über seinen Nachfolger.
Als weniger radikal, aber nicht minder unterstützend gilt Jason Greenblatt. „Ich habe nichts gefunden, was ich kritisieren könnte“, sagte er in einem CNN-Interview über seine Nähe zur Regierung von Netanjahu, nachdem dieser im September ankündigte, Teile des Westjordanlandes zu annektieren.
Wenig überraschende Kehrtwende
Jared Kushner wiederum hat enge Verbindungen sowohl zur Siedlerbewegung selbst wie auch zu Netanjahu persönlich. Über die Kushner-Familienstiftung wurden jährlich mehrere Millionen US-Dollar an Projekte in den Siedlungen gespendet.
Mit Netanjahu ist die Familie so eng verbunden, dass Kushner den heutigen Ministerpräsidenten seit Kindheitstagen kennt (und einst sogar sein Kinderzimmer räumte, um für den Übernachtungsgast Netanjahu Platz zu machen, wie die New York Times erfuhr).
Vor diesem Hintergrund kommt die jüngste Kehrtwende der Trump-Regierung, die eine Abkehr von mehreren Jahrzehnten US-Nahostpolitik bedeutet, wenig überraschend. Sie folgt auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem sowie die Anerkennung der israelischen Annexion der Golanhöhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“