Koalitionsverhandlungen in Jerusalem: Rechtsextremisten Einhalt gebieten

Immer mehr Juden in der Diaspora beobachten sorgenvoll die Entwicklungen in Israel. Jetzt gilt es, der rechtsextremen Regierung die Kante zu zeigen.

Itamar Ben-Gvir hält eine Rede

Itamar Ben-Gvirsoll, ein offener Rassist, soll Minister für Innere Sicherheit in Israel werden Foto: Oren Ziv/ap

Während die Augen der Welt auf Katar gerichtet sind, wird in einer anderen Ecke des Nahen Ostens die rechteste und religiöseste Regierung zusammengestellt, die der Staat Israel je gesehen hat. Noch laufen die Koalitionsverhandlungen, fest steht jedoch schon jetzt, dass Itamar Ben-Gvir, ein offener Rassist, der die jüdische Vormachtstellung in Groß-Israel mit Gewalt verteidigen will, Minister für Innere Sicherheit wird und damit auch die Kontrolle über die Polizei innehat.

Damit nicht genug, richtet Israels designierter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine eigene Behörde für Avi Maoz ein. Mit seiner dem Büro des Regierungschefs angeschlossenen neuen „Behörde für nationale jüdische Identität“ wird Maoz, der sich für die „Heilung“ von Homosexualität starkmacht, LGBTIQ-Leuten das Leben erschweren, er wird die Frauendiskriminierung vorantreiben und nach einem Halacha-Staat streben, einem jüdischen Gottesstaat.

Stolzer Anhänger der Homophobie ist auch Bezalel Smotrich, der wie Ben-Gvir in der Vergangenheit mit den Sicherheitskräften unschöne Bekanntschaft gemacht hat und der sich den Widerstand gegen jegliche Kooperation mit Arabern auf sein ideologisches Banner schreibt. Smotrich wird in der kommenden Regierung eine Reihe zentraler Ämter für die Bereiche Sicherheits- und Wirtschaftspolitik des Staates Israel kontrollieren.

Vor knapp einem Jahr reiste Smotrich nach England. Der mustergültige Vertreter einer sich zunehmend fundamentalistischer gestaltenden religiösen Strömung suchte Kontakt zu den Köpfen der jüdischen Gemeinde, um sie für den Kampf gegen die jüdischen Reformgemeinden zu gewinnen. Die liberalen jüdischen Strömungen, die unter anderem Frauen als Rabbiner zulassen, sind dem frommen Fanatiker ein Dorn im Auge.

Jüdische Briten reden tachles

Nicht nur für Smotrich überraschend kam die heftige Reaktion der britischen Juden, die ihm die kalte Schulter zeigten. „Wir lehnen die abscheulichen und die Hass schürenden Ansichten von Bezalel Smotrich ab“, heißt es in dem Schreiben des Board of Deputies of British Jews, einer Art Dachverband der jüdischen Gemeinden in Großbritannien. „Wir appellieren an alle Mitglieder der britischen jüdischen Gemeinde, ihm die Tür zu zeigen. Steigen Sie wieder ins Flugzeug, Bezalel, und bleiben Sie für immer als Schande in Erinnerung.“

Dass sich eine wichtige jüdische Organisation in der Diaspora derart frontal gegen einen israelischen Politiker stellt und unverblümt gegen die komplette Strömung, für die er steht, für einen klaren Trend in der israelischen Gesellschaft, hat zweifellos Seltenheitswert. Nicht, dass es in der Vergangenheit keine Konflikte gegeben hätte. Kritik an israelischen Politikern kam allerdings eher aus den Reihen des US-amerikanischen Judentums und wurde dann auch deutlich behutsamer formuliert.

Die europäische Diaspora war in der Regel noch zurückhaltender. Anstatt zu kritisieren, übernahm sie die Haltung auch rechter und religiöser israelischer Politiker, was insofern widersprüchlich ist, da die europäischen jüdischen Gemeinden insgesamt doch eher für Liberalität und Toleranz stehen.

Nun, da die Stimmen der israelischen Linken lauter werden, die mit großer Sorge klarstellen, dass es nicht länger möglich ist, sich mit der politischen Realität in Israel abzufinden, ist es an der Zeit, dass sich die Juden Europas ein Beispiel an den britischen Gemeinden nehmen und nicht länger zögern. In der Bibel heißt es im Psalm 119: „Es ist die Stunde, für DICH zu tun: sie zerbröckeln deine Weisung.“ In der Tat ist es höchste Zeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

lehrt Jüdisches Denken am Sapir College in Sderot und ist Autor vieler Sachbücher und Romane. Auf Englisch erschien im Mai sein Spionagethriller „The March Angel“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.