Grüne in Thüringen: Hart im Wind
Die Thüringer Grünen haben es mit 5,2 Prozent nur knapp in den Landtag geschafft. Für die Wahlschlappe gibt es viele Gründe. Eine Analyse.
Denksportaufgabe – so kann man es sehen. Die erfolgsverwöhnten Grünen mussten am Montag ein mageres Wahlergebnis erklären. Mit 5,2 Prozent sind sie in Thüringen gerade noch so ins Landesparlament gerobbt. Ein herber Schlag für die Ökopartei, die im Bund in Umfragen zwischen 20 und 24 Prozent liegt. Wie kam das Ergebnis zustande?
Dass Bodo Ramelow, der beliebte Ministerpräsident der Linkspartei, den Grünen wenig Raum ließ, ist schwer zu bestreiten. Bei ihren AnhängerInnen ist er beliebt: 92 Prozent der Grünen-WählerInnen finden laut der Forschungsgruppe Wahlen, dass er seine Sache gut macht. In einer Zeit, in der sich viel verändere, in der die AfD stark und die Stimmung aufgeheizt sei, gebe es einen „last Swing“ zum Ministerpräsidenten, sagt auch Grünen-Chef Robert Habeck. Das sei in Thüringen so gewesen, aber auch in Brandenburg und Sachsen.
Unschön für die Grünen: Das beliebte Narrativ, sie seien der Gegenpart zur AfD, wurde in allen drei ostdeutschen Wahlen widerlegt. Diejenigen, die die Rechtspopulisten verhindern wollten, wählten im Zweifel lieber Dietmar Woidke (SPD), Michael Kretschmer (CDU) oder eben Ramelow. Der Widerstand gegen die AfD zahlte jedenfalls kaum bei den Grünen ein.
2,9 Prozent im Kyffhäuserkreis
Wahr ist aber auch, dass die Situation in Thüringen speziell ist. Anders als in Brandenburg oder Sachsen gibt es keine Großstädte mit ausgeprägt Grünen-affinen Milieus. Erfurt hat 214.000 Einwohner, Jena 111.000 – da spielen Dresden (555.000) oder Leipzig (588.000) in einer anderen Liga. Der Thüringer Landesverband musste mit seinen knapp 1.200 Mitgliedern vor allem den ländlichen Raum bespielen – und kämpfte mit erheblichen Problemen. Die Grünen erreichten dort Werte einer Kleinstpartei, im Kyffhäuserkreis zum Beispiel 2,9 Prozent.
Entscheidend für das schwache Ergebnis ist wohl auch, dass die Thüringer Grünen als Ein-Themen-Partei wahrgenommen wurden. Das Bild, das die WählerInnen von ihnen haben, ist katastrophal eindimensional. So trauen den Grünen laut der Forschungsgruppe Wahlen nur 3 Prozent der WählerInnen Kompetenz bei Schule und Bildung zu. Noch schlechter sind die Kompetenzzuschreibungen bei Arbeitsplätzen (1 Prozent), sozialer Gerechtigkeit (2 Prozent) oder Wirtschaft (1 Prozent) – klassischen Brot-und-Butter-Themen also. Die einzige Ausnahme bildet mit 31 Prozent der Klimaschutz.
Astrid Rothe-Beinlich, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Landtag, übt Selbstkritik: „Unser Wahlkampf war auf zu wenige Themen verengt.“ Neben Klimaschutz und starke Demokratie hätten die Landes-Grünen „andere Inhalte, die viele Menschen interessieren, nach vorne schieben müssen – zum Beispiel die Bildungspolitik“.
Da dürfte etwas dran sein. Die Thüringer interessierte laut Umfragen die Situation an Schulen deutlich mehr als Klimaschutz. Die Grünen sendeten mit ihrem ökologischen Fokus am Interesse der Menschen vorbei. Hinzu kam, dass der Streit um die Windkraft ideologisch maximal aufgeladen war, weil die CDU gegen den „Windrad-Wahnsinn“ plakatierte.
Voreilige Siegesgewissheit
Im Landesverband wird hinter vorgehaltener Hand ein weiterer Punkt benannt. Man sei sich seiner „Sache zu sicher“ gewesen, heißt es. Dies sei der erste Wahlkampf gewesen, in dem es nicht darum zu gehen schien, in Thüringen überhaupt den Einzug in den Landtag zu schaffen. Die Ausgangslage war in dieser Lesart zu luxuriös. Vielleicht fehlte deshalb die Motivation, wirklich alles zu geben.
Klar ist, dass die gestiegene Wahlbeteiligung gegen die Grünen arbeitete. Vorherige Nichtwähler stärkten dieses Mal massiv die AfD, die Linke und die CDU. Die Grünen gingen fast leer aus. Obwohl sie in absoluten Zahlen sogar leichte Gewinne verzeichnen konnten, schnitten deshalb sie in Prozentpunkten schlechter ab als bei der Wahl vor fünf Jahren.
Dennoch wollen sich die Grünen nicht vor einer Regierungsbeteiligung drücken. Sie, kündigt Siegesmund an, gingen „offen“ in die Gespräche mit dem Wahlsieger Ramelow. Auch Habeck versucht, es gelassen zu nehmen: „Nirgendwo steht geschrieben, dass der Wind immer nur von hinten kommt.“
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